Ausserkantonale Platzierungen in Kinder- und Jugendheimen

Kapitelnr.
12.2.03.
Publikationsdatum
6. Januar 2021
Kapitel
12 Stationäre Massnahmen
Unterkapitel
12.2. Massnahmen für Kinder/Jugendliche
Aufhebungsdatum
31. Dezember 2021

Rechtsgrundlagen

Hinweis

Mit Inkrafttreten des neuen Kinder- und Jugendheimgesetzes (KJG) per 1. Januar 2022 wurden die bisherigen Unterkapitel von 12.2 aufgehoben und ersetzt durch Unterkapitel, die die neue Rechtslage abbilden. Bitte beachten Sie, dass das Kapitel 12.2 eine neue Struktur hat.

Erläuterungen

1.Allgemeines

Eine ausserkantonale Platzierung liegt vor, wenn sich der zivilrechtliche Wohnsitz des Kindes und der Standort des Heims, in welchem das Kind platziert ist, nicht im gleichen Kanton befinden.

Ausserkantonale Platzierungen werden z.B. notwendig, wenn im zivilrechtlichen Wohnkanton kein geeignetes oder innert nützlicher Distanz zum Wohnort erreichbares Angebot vorhanden ist oder wenn aus Gründen des Kindesschutzes ein Verlassen des bisherigen Umfeldes angebracht erscheint. Bei einer Platzierung muss immer das Kindeswohl die oberste Leitlinie sein. Kantonsgrenzen dürfen daher kein Hindernis sein. Ein offenes Angebot, welches die Nutzung ausserkantonaler Einrichtungen ermöglicht, setzt aber voraus, dass gerechte Regeln für die gegenseitige Kostenübernahme aufgestellt und eingehalten werden.

Nach § 9a Jugendheimgesetz kann der Regierungsrat mit anderen Kantonen Vereinbarungen treffen über die Beteiligung an den Kosten von Kinder- und Jugendheimen.

Von der Kompetenz zum Abschluss von Vereinbarungen über die Beteiligung an den Kosten von Kinder- und Jugendheimen hat der Regierungsrat bereits im Jahre 1984 Gebrauch gemacht, indem er den Beitritt des Kantons Zürich zum Bereich A der IHV per 1. Januar 1985 beschlossen hat (RRB Nr. 3861/1984).

Per 1. Januar 2008 ist der Kanton Zürich der IVSE in allen Bereichen beigetreten. Die IHV wurde auf diesen Zeitpunkt durch die IVSE abgelöst. Mit Bezug auf Kinder- und Jugendheime kommt der Bereich A der IVSE zur Anwendung. Davon erfasst werden stationäre Einrichtungen, die gestützt auf eidgenössisches oder kantonales Recht Personen bis zum vollendeten 20. Altersjahr, längstens jedoch bis nach Abschluss der Erstausbildung beherbergen, sofern sie vor Erreichen der Volljährigkeit in eine Einrichtung eingetreten oder dort untergebracht worden sind (vgl. Art. 2 IVSE).

Die Standortkantone entscheiden, welche Einrichtungen sie der IVSE unterstellen wollen. Das Zentralsekretariat der Sozialdirektoren-Konferenz (SODK) führt eine Liste der Einrichtungen beziehungsweise derjenigen Abteilungen von Einrichtungen, welche der IVSE unterstellt sind (Art. 32 IVSE; nachfolgend als IVSE-Einrichtung bezeichnet). Diese Liste kann auf www.sodk.ch/de/ivse/ (Datenbank) eingesehen werden.

2.Finanzierung

Die Abgeltung der Leistungen der Einrichtung setzt sich aus einem Subventionsteil und aus einem Beitrag der Unterhaltspflichtigen (BU) zusammen. Geregelt ist die Leistungsabgeltung in Art. 19 ff. IVSE. Der Betrag der Leistungsabgeltung wird durch die Kostenübernahmegarantie (KÜG) garantiert (Art. 26 f. IVSE).

Das ausserkantonale Kinder- oder Jugendheim stellt ein Gesuch für die Kostenübernahmegarantie bei der IVSE-Verbindungstelle des Standortkantons. Diese prüft das Gesuch und leitet es der IVSE-Verbindungsstelle des Kantons Zürich weiter.

Im Kanton Zürich amtet das Kantonale Sozialamt, Abteilung Soziale Einrichtungen, als IVSE-Verbindungsstelle, wobei Gesuche für die Kostenübernahmegarantie im Bereich A vom Amt für Jugend und Berufsberatung behandelt werden. Letzteres leistet auch die Kostenübernahmegarantie. Die Rechnungsstellung durch das Heim erfolgt grundsätzlich direkt an die zahlungspflichtigen Stellen (vgl. Art. 25 IVSE).

2.1.Platzierung eines Zürcher Kindes in eine ausserkantonale IVSE-Einrichtung

Der Zürcher Gesetzgeber hat mit den Anpassungen des Jugendheimgesetzes per 1. Januar 2018 neu geregelt, dass die Eltern auch bei ausserkantonalen Platzierungen in IVSE-Einrichtungen die von der Bildungsdirektion angebotsspezifisch festgelegten Versorgertaxen zu tragen haben. Können die Eltern für die Versorgertaxen nicht selbst aufkommen, trägt die gemäss Sozialhilfegesetzgebung für das platzierte Kind zuständige Gemeinde die Kosten.

Dasselbe gilt für die Nebenkosten (z.B. Taschengeld, Kleider und Schuhe, Telefonkarten, Toilettenartikel). Auch hierfür haben die Eltern aufzukommen bzw. hat subsidiär die Sozialbehörde am Unterstützungswohnsitz des Kindes hierfür Kostengutsprache zu leisten, wenn die Eltern nicht selbst für die Nebenkosten aufkommen (können).

  • Unterstützungswohnsitz des Kindes befindet sich im Kanton Zürich

Liegt die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für das Kind im Kanton Zürich, hat der zürcherische Unterstützungswohnsitz des Kindes Kostengutsprache in der Höhe der von der Bildungsdirektion für die ausserkantonale Platzierung festgelegten Versorgertaxen (und für die Nebenkosten) zu leisten. Zwar kommt im vorliegenden Fall die IVSE zur Anwendung und der Kanton Zürich ist gegenüber dem Standortkanton verpflichtet, die gesamten nach Art. 19 ff. IVSE bemessenen Heimtaxen zu übernehmen. Wer innerhalb des Kantons die Kosten trägt, ist jedoch dem kantonalen Gesetzgeber überlassen. Der Zürcher Gesetzgeber hat mit § 3b Abs. 2 Jugendheimgesetz die Eltern zur Kostentragung der für das Kind anfallenden Heimkosten verpflichtet. Wenn diese wirtschaftlich dazu nicht in der Lage sind, trägt die sozialhilferechtlich zuständige Gemeinde, also der Zürcher Unterstützungswohnsitz des Kindes (vgl. dazu Kapitel 3.2.03), die Kosten. Die Finanzierungsvorgaben des kantonalen Jugendheimgesetzes kommen in diesen Fällen zur Anwendung, weil sich neben dem zivilrechtlichen Wohnsitz des Kindes auch sein Unterstützungswohnsitz im Kanton Zürich befindet.

  • Unterstützungswohnsitz des Kindes befindet sich ausserhalb des Kantons Zürich

Liegt die sozialhilferechtliche Zuständigkeit für das platzierte Kinde gestützt auf Art. 7 ZUG (vgl. dazu Kapitel 3.2.03) ausserhalb des Kantons Zürich, liegt in Bezug auf die Finanzierung der Heimkosten kein innerkantonaler Sachverhalt vor. Das Zürcher Sozialhilferecht kommt nicht zur Anwendung und weder eine Zürcher Gemeinde noch das Kantonale Sozialamt sind für die Behandlung solcher Finanzierungsgesuche im Rahmen der ordentlichen Sozialhilfe zuständig.

Gestützt auf die IVSE ist der Kanton Zürich gegenüber dem Standortkanton verpflichtet, die gesamten nach Art. 19 ff. IVSE bemessenen Heimkosten zu übernehmen. Ausserdem sind die Eltern gestützt § 3b Abs. 2 Jugendheimgesetz auch in solchen Fällen zur Kostentragung der für das Kind anfallenden Heimkosten zuständig. Kommen sie dafür aber nicht oder nicht vollumfänglich auf, kommt in Bezug auf die Kostenübernahme aus Mitteln der Sozialhilfe die IVSE, der im Bereich A sämtliche Kantone beigetreten sind, zur Anwendung. Diese besagt in Art. 22 IVSE, dass lediglich die Beiträge der Unterhaltspflichtigen, welche den mittleren Tagesaufwendungen für Kost und Logis für eine Person in einfachen Verhältnissen entsprechen, über die Sozialhilfe finanziert werden dürfen. Gemäss IVSE-Kommentar zu Artikel 22 IVSE liegt der Beitrag der Unterhaltspflichtigen zwischen Fr. 25.-- und Fr. 30.-- pro Tag. Der für die Ausrichtung der Sozialhilfe zuständige ausserkantonale Unterstützungswohnsitz muss damit lediglich über diesen Betrag Kostengutsprache leisten. Bei den Restkosten handelt es sich in diesen Fällen gestützt auf die IVSE nicht um Sozialhilfekosten. Da der Kanton Zürich aufgrund des Konkordats gegenüber dem Standortkanton verpflichtet ist, die gesamten Heimkosten zu sichern, die Zuständigkeiten für die Kostenbeteiligung des Staates nach Jugendheimgesetz sowie für die Erteilung von Kostenübernahmegarantien im Bereich A der IVSE bei der Bildungsdirektion liegen, werden diese Restkosten vom innerhalb der Bildungsdirektion zuständigen Amt für Jugend und Berufsberatung getragen.

2.2.Platzierung eines ausserkantonalen Kindes in einer zürcherischen IVSE-Einrichtung

In diesen Fällen wird die von der Bildungsdirektion für das entsprechende Angebot festgelegte Vollkostentaxe von der ausserkantonalen zivilrechtlichen Wohngemeinde bzw. dem zivilrechtlichen Wohnkanton des Kindes übernommen.

Eine Mitfinanzierungspflicht einer zürcherischen Gemeinde besteht höchstens dann, wenn sich der Unterstützungswohnsitz des Kindes (vgl. Kapitel 3.2.03) in einer Gemeinde des Kantons Zürich befindet.

3.Platzierungen in nicht der IVSE unterstellten Einrichtungen

In der Regel werden Kinder und Jugendliche in Einrichtungen platziert, welche sich in ihrem zivilrechtlichen Wohnkanton befinden. Sind in einem konkreten Fall keine innerkantonalen und keine IVSE-anerkannten Einrichtungen, die den Bedürfnissen des Kindes entsprechen, vorhanden oder stehen keine entsprechenden Plätze zur Verfügung, muss das Kind gegebenenfalls in eine ausserkantonale, nicht IVSE-anerkannte Institution platziert werden. Bei Platzierungen in Einrichtungen, welche der IVSE nicht unterstehen, kommen weder die Finanzierungsregelungen der IVSE noch die zürcherische Regelung gemäss Jugendheimgesetz zur Anwendung.

Sind die Eltern nicht in der Lage, für die von ihnen zu tragenden Platzierungskosten selbst aufzukommen, sind die Kosten, soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, als situationsbedingte Leistungen (vgl. Kapitel 8.1.01) aus Mitteln der öffentlichen Sozialhilfe zu übernehmen.

Vor der Platzierung ist bei der zuständigen Sozialbehörde ein Gesuch um Kostengutsprache zu stellen. In diesem Zusammenhang ist aber zu beachten, dass die Sozialbehörde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 135 V 134) an den rechtskräftigen Platzierungsentscheid der zuständigen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde gebunden ist. Seit Inkrafttreten des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts per 1. Januar 2013 wird die Befugnis, gegen einen Entscheid der KESB Beschwerde zu erheben, in Art. 450 ZGB geregelt (diese Bestimmung gilt gestützt auf Art. 314 Abs. 1 ZGB auch für Anordnungen der KESB im Bereich des Kindesschutzes). Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB sind zwar auch Personen, die nicht am Verfahren beteiligt waren, aber ein rechtlich geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheides haben, befugt, gegen einen Entscheid der KESB Beschwerde zu erheben. In seinem Entscheid 5A_979/2013 vom 28. März 2014 hat das Bundesgericht aber entschieden, dass ein rein finanzielles Interesse eines allenfalls kostenpflichtigen Gemeinwesens kein rechtlich geschütztes Interesse im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB darstellt. Eine Gemeinde kann also nicht mit der Begründung, die angeordnete Massnahme verursache zu hohe Kosten, eine Beschwerde erheben. Das bedeutet, dass die Sozialbehörde bei ausgewiesener Bedürftigkeit Kostengutsprache leisten muss, selbst wenn sie mit der Platzierung in die betreffende Einrichtung nicht einverstanden ist, weil beispielsweise auch eine Platzierung in eine andere, kostengünstigere Einrichtung möglich gewesen wäre, die dem Kindeswohl aus ihrer Sicht gleich gut Rechnung getragen hätte. Auch eine verspätete Einreichung des Kostengutsprachegesuches (Kapitel 10) berechtigt die Sozialbehörde nicht dazu, die Kostenübernahme abzulehnen.

Rechtsprechung

Entscheide des Bundesgerichts:

5A_979/2013: Die Beschwerdelegitimation nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB setzt ein rechtlich geschütztes Interesse eines Dritten voraus, das durch das Kindes- bzw. Erwachsenenschutzrecht geschützt werden soll. Das fragliche Interesse muss ein eigenes Interesse der Drittperson sein und die Geltendmachung dieses eigenen (wirtschaftlichen oder ideellen) rechtlich geschützten Interesses ist nur zulässig, wenn es mit der fraglichen Massnahme direkt zusammenhängt bzw. mit der Massnahme geschützt werden soll und deshalb von der KESB hätte berücksichtigt werden müssen. Das Kindesschutzrecht verlangt von der Behörde nicht, bei der Anordnung eines Obhutsentzuges mit Fremdplatzierung nach Art. 301 Abs. 1 ZGB auch dem finanziellen Interesse des allenfalls kostenpflichtigen Gemeinwesens Rechnung zu tragen. Daraus folgt, dass dieses Interesse durch die erwähnte anwendbare zivilrechtliche Norm nicht im Sinne von Art. 450 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB rechtlich geschützt ist (E. 4).
Nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB sind die der betroffenen Person nahestehenden Personen zur Beschwerde berechtigt. Nahestehende Personen sind solche, die den Betroffenen gut kennen und aufgrund ihrer Eigenschaften und ihrer Beziehungen zu ihm als geeignet erscheinen, seine Interessen wahrzunehmen, auch wenn die Beschwerdebefugnis der nahestehenden Person nicht notwendigerweise voraussetzt, dass sie tatsächlich Interessen des Betroffenen wahrnimmt. Eine Rechtsbeziehung ist für das Näheverhältnis nicht erforderlich; entscheidend ist vielmehr die faktische Verbundenheit, wie sie z.B. bei Eltern, Kindern, anderen Verwandten, Freunden, Lebensgefährten, aber auch bei Beistandspersonen, Ärzten, Sozialarbeitern oder Geistlichen gegeben sein kann. Da die beschwerdeführende Gemeinde nicht geltend macht, sie selbst bzw. eine natürliche Person, die als Organ oder auf andere Weise in ihren Diensten steht, das betroffene Kind besonders gut zu kennen und ihm im geschilderten Sinne nahezustehen, und solches auch nicht ersichtlich ist, kann eine Beschwerdebefugnis auch nicht auf Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 ZGB begründet werden (E. 5).
Zur Beschwerde berechtigt sind nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 1 ZGB schliesslich die am Verfahren beteiligten Personen. Allein der Umstand, dass eine Person im erstinstanzlichen Verfahren zur Stellungnahme eingeladen oder dass ihr der Entscheid eröffnet wurde, verschafft ihr aber nicht ohne Weiteres auch die Befugnis zur Beschwerde gegen den Entscheid der KESB. Denn nahestehende Personen oder Dritte, auch wenn sie sich am Verfahren beteiligt haben, sind nur im Rahmen ihrer nach Art. 450 Abs. 2 Ziff. 2 oder 3 ZGB bestehenden Legitimation zur Beschwerde zuzulassen. Kann eine Person wie im vorliegenden Fall eine Gemeinde als öffentlich-rechtliche Körperschaft nicht unmittelbar von der angeordneten Massnahme betroffen sein und weder als nahestehende Person (E. 5) noch als Drittperson (E. 4) gelten, so muss ihr der Zugang zur Beschwerde gegen den Entscheider KESB versperrt bleiben (E. 6).

BGE 135 V 134 (Die Sozialhilfebehörde ist an den (bundesrechtskonform gefällten) Entscheid der zuständigen Vormundschaftsbehörde zur Unterbringung eines unmündigen Kindes in einem Heim gebunden. Sie kann gestützt auf kantonalrechtliche Sozialhilfebestimmungen die Übernahme der Kosten der angeordneten Massnahme nicht verweigern.)

Praxishilfen

Zur schematischen Übersicht über die Finanzierung vgl. Kapitel 12.2.06.

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


Für dieses Thema zuständig: