Stundung und Erlass

Kapitelnr.
15.4.02.
Publikationsdatum
19. Dezember 2013

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Stundung

Die Stundung einer Rückerstattungsforderung setzt voraus, dass ein rechtkräftiger Rücker-stattungsbeschluss vorliegt. Ob die Sozialbehörde - entweder von sich aus oder auf ein ent-sprechendes Gesuch der zahlungspflichtigen Person hin - eine Stundung gewährt, liegt in ih-rem weitgehenden Ermessen. Eine Stundung kommt insbesondere dann in Frage, wenn das Bestehen auf einer sofortigen Rückzahlung für die zahlungspflichtige Person eine grosse Härte darstellen würde. Dies ist der Fall, wenn die rückerstattungspflichtige Person derzeit lediglich ihr betreibungsrechtliches Existenzminimum zu decken vermag. Auch im Falle einer Rückerstattung von unrechtmässigen bezogenen Leistungen kann die Forderung gestundet werden. Dies kommt allerdings wohl nur in Frage, wenn die rückzah-lungspflichtige Person von der Sozialhilfe abgelöst wurde. Denn bei einer andauernden wirt-schaftlichen Unterstützung kann der Rückerstattungsanspruch ohne Weiteres auf dem Weg der Verrechnung mit laufenden Leistungsansprüchen durchgesetzt werden (vgl. Kapitel 15.1.03), so dass hier nicht von einer grossen Härte gesprochen werden kann. Zu prüfen ist in jedem Fall, ob die Stundung mit einer ratenweisen Begleichung der Forde-rung verbunden werden kann. Ist der verpflichteten Person eine Ratenzahlung zumutbar, ist dies einer Stundung der Gesamtforderung vorzuziehen. Die monatlichen Raten sind so zu bemessen, dass der rückerstattungspflichtigen Person in jedem Fall das betreibungsrechtli-che Existenzminimum verbleibt. Bei der Festlegung einer Ratenzahlung ist darauf zu achten, eine Bestimmung aufzuneh-men, wonach die gesamte Restschuld sofort zur Zahlung fällig wird, wenn die verpflichtete Person mit der Begleichung einer Rate in Verzug kommt (unter Umständen kann auch eine bestimmte Frist des Verzuges festgelegt werden, z.B. Verfall der Restforderung, wenn die zahlungspflichtige Person mit der Bezahlung einer Rate mehr als fünf Tage in Verzug ist). Kommt die Sozialbehörde nach Abwägung aller massgebenden Umstände zum Schluss, dass eine Stundung, allenfalls in Verbindung mit der Festlegung von Raten für die Rückzah-lung, bewilligt werden kann, muss sie dies nicht zwingend in einem Beschluss festhalten. Grundsätzlich genügt ein entsprechendes Schreiben an die zahlungspflichtige Person. Ein formeller Beschluss ist jedoch zu erlassen, wenn

  • die rückerstattungspflichtige Person dies verlangt,
  • die Sozialbehörde eine ratenweise Begleichung der Forderung verlangt und die rücker-

stattungspflichtige Person dies generell ablehnt oder mit der Höhe der festgelegten Ra-ten nicht einverstanden ist.

2.Erlass

Auch der Erlass einer Rückerstattungsforderung setzt zunächst voraus, dass ein rechtkräfti-ger Rückerstattungsbeschluss vorliegt. Weiter ist ein Erlass grundsätzlich nur auf Antrag der rückerstattungspflichtigen Person zu prüfen und ist darüber in der Regel in Form eines Be-schlusses zu befinden. Dies jedenfalls dann, wenn ein Erlassgesuch abgelehnt wird oder wenn der Erlass bewilligt wird und es sich um einen Fall handelt, in welchem ein anderes Gemeinwesen die Kosten der wirtschaftlichen Hilfe erstattet hat (vgl. Kapitel 18). Denn in solchen Fällen kann das kostenersatzpflichtige Gemeinwesen durch einen wesentlichen Ein-griff in sein Verwaltungsvermögen in seinen schutzwürdigen Interessen verletzt und damit gegebenenfalls zur Anfechtung des Erlassentscheides berechtigt sein (vgl. § 21 Abs. 2 lit. c und § 49 Verwaltungsrechtspflegegesetz, VRG, LS 175.2). Der Beschluss über den Erlass ist in solchen Fällen daher auch dem kostenersatzpflichtigen Gemeinwesen zuzustellen. Im Sozialhilfegesetz und in der Sozialhilfeverordnung fehlen ausdrückliche Bestimmungen über den Erlass einer Rückerstattungsverpflichtung. Die Regelung der Rückerstattung in Art. 25 Abs. 1 ATSG des Bundesgesetzes über den allgemeinen Teil des Sozialversiche-rungsrechts vom 6. Oktober 2000 (SR 830.1), die sich auf das Sozialversicherungsrecht des Bundes bezieht, kann hingegen nach der Rechtsprechung des Regierungsrates (RRB Nr. 436/2008) analog herangezogen werden. Eine rechtskräftig beschlossene Rückerstattungs-forderung kann demnach erlassen werden, wenn die unterstützte Person die zurückzuerstat-tenden Leistungen in gutem Glauben erhalten hat und wenn die Rückerstattung für sie eine grosse Härte bedeuten würde. a. Guter Glaube Die Frage, ob eine Person die wirtschaftliche Hilfe, zu deren Rückerstattung sie verpflichtet wurde, in gutem Glauben empfangen hat, stellt sich grundsätzlich nur bei einer Rückerstat-tung von unrechtmässigen bezogenen Leistungen. In den Fällen von §§ 27 und 28 SHG wurde die wirtschaftliche Hilfe ja zu Recht ausgerichtet, so dass immer Gutgläubigkeit vor-liegt. Für das Vorliegen des guten Glaubens bei einem unrechtmässigen Bezug von Sozialhilfe-leistungen genügt es nicht, dass sich die rückerstattungspflichtige Person nicht bewusst war, zu Unrecht wirtschaftliche Hilfe bezogen zu haben. Vielmehr setzt der gute Glaube voraus, dass der betreffenden Person weder böswillige Absicht noch grobe Nachlässigkeit vorgewor-fen werden kann. Das bedeutet, dass eine auf grober Nachlässigkeit beruhende Verletzung der Melde- oder Auskunftspflicht den guten Glauben ausschliesst. Ein grobe Nachlässigkeit liegt dabei vor, wenn die rückerstattungspflichtige Person nicht das Mindestmass an Auf-merksamkeit aufgewendet hat, welches von einem verständigen Menschen in der gleichen Lage und unter den gleichen Umständen verlangt werden muss (vgl. BGE 102 V 245; BGE 110 V 176 E. 3c). Das Mass der gebotenen Aufmerksamkeit wird zwar nach einem objekti-ven Massstab beurteilt, allerdings darf das der rückerstattungspflichtigen Person subjektiv

Mögliche und Zumutbare (Urteilsfähigkeit, Gesundheitszustand, Bildungsgrad etc.) nicht ausgeblendet werden (Urteil des Bundesgerichts 8C_759/2008 vom 26. November 2008 E. 3.2 und E. 3.5). Beispiel: Wer die Sozialbehörde nicht über ein laufendes IV-Verfahren informiert, macht sich einer groben Pflichtwidrigkeit schuldig, denn es leuchtet jedem verständigen Menschen ein, dass eine mögliche IV-Rente einen Einfluss auf die Ausrichtung wirtschaftlicher Hilfe hat. b. Grosse Härte Bei der Rückerstattung von Sozialversicherungsleistungen nach Art. 25 Abs. 1 ATSG wird zur Ermittlung, ob eine grosse Härte vorliegt, eine Berechnung nach dem Ergänzungsleis-tungsrecht vorgenommen (vgl. Art. 5 Abs. 1 ATSV Verordnung des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts) vorgenommen: Übersteigen die aner-kannten und zusätzlichen Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen, liegt eine grosse Härte vor. Übertragen auf die Sozialhilfe bedeutet dies, dass eine grosse Härte vorliegt, wenn die rückerstattungspflichtige Person auf dem betreibungsrechtlichen Existenzminimum lebt. Massgebend sind dabei die Verhältnisse im Zeitpunkt, in welchem rechtskräftig über die Rückerstattung beschlossen wurde (vgl. Art. 4 Abs. 2 ATSV).

3.Rechtsmittel

Erste Rechtsmittelinstanz gegen Beschlüsse von Sozialbehörden über Stundung oder Erlass von Rückerstattungsforderungen ist der jeweilige Bezirksrat. Seit dem Inkrafttreten des Ge-setzes über die Anpassung des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts vom 22. März 2010 (OS 65, 390; ABl 2009, 801) am 1. Juli 2010 können die Rechtsmittelentscheide der Bezirks-räte neu mit Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Zürich angefochten werden.

Rechtsprechung

VB.2013.00119: Das Gesuch um Erlass der Rückerstattungsschuld gegenüber der Sozial-behörde ist bei der verfügenden Behörde zu stellen. RRB Nr. 436/2008: Die Pflicht zur Rückerstattung kann erlassen werden, wenn - kumulativ - der Bezüger gutgläubig war und die Rückerstattung eine grosse Härte bedeutet. Unrecht-mässig bezogene wirtschaftliche Hilfe ist grundsätzlich zurückzuerstatten, weil regelmässig der gute Glaube fehlt. Rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe kann zurückgefordert werden, wenn der Hilfeempfänger z.B. für die gleiche Zeit IV-Leistungen erhielt. Wer dabei das Mindestmass an Sorgfalt, das jedem verständigen Durchschnittsbürger in gleicher Lage und gleichen Umständen als beachtlich hätte einleuchten müssen, ausser Acht lässt, handelt grob pflichtwidrig, weshalb in solchen Fällen der gute Glaube ebenfalls fehlt. VB.2007.00337: Der Entscheid über den Erlass oder die Stundung der Rückerstattungsfor-derung setzt eine rechtskräftige Rückerstattungsverpflichtung voraus. Sollte die Beschwer-degegnerin nach Rechtskraft dieses Entscheids zum Schluss kommen, dass die Rückerstat-

tungsforderung weder zu stunden noch zu erlassen ist, wird sie sich unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Existenzminimums und der SKOS-Richtlinien mit den Rücker-stattungsmodalitäten zu befassen haben (E. 6).

Praxishilfen

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