Alterungsfähige Stadtbäume sind die effektivste Vegetationsform, um auf die Klimaerwärmung zu reagieren. Durch Transpiration und Beschattung kühlen sie gleich in zweifacher Form und leisten damit einen sehr wichtigen Beitrag zur Hitzeminderung. Grundsätzlich gilt: Je älter und grösser ein Baum, desto grösser auch seine Vorteile.
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Wirkung
Bäume kühlen durch Transpiration und Beschattung. Wie der Rest der grünen Pflanzenwelt verdunsten Bäume Wasser. Dadurch wird der Umgebungsluft Wärme entzogen, da der Aggregatswechsel von flüssig zu gasförmig Energie benötigt. Unser Körper schützt sich durch Schwitzen mit dem gleichen Prinzip vor Überhitzung. Die Wasserverdunstung geschieht über kleine Spaltöffnungen (Stomata) an den Blättern. Die Verdunstungskühlung ist demnach umso höher, je mehr Blätter ein Baum trägt. Pro Baum und Tag können über mehrere hundert Liter Wasser verdunstet werden.
Auch der Grad der Beschattung ist von der Kronengrösse abhängig. Die Beschattung verhindert die Erhitzung von Oberflächen und Häuserfassaden, was einen grossen Einfluss auf die Erwärmung über den Tag und auf die nächtliche Wärmeabstrahlung hat. Durch die Wirkungskombination von Transpiration und Beschattung können Stadtbäume ihre Umgebungstemperatur um über sieben Grad Celsius reduzieren.
Beschreibung
Um einen alterungsfähigen Baumbestand zu erhalten, sind eine Reihe von Massnahmen nötig.
Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.
Gehölze im Siedlungsraum sind bereits heute mehreren Stressfaktoren ausgesetzt. Durch die klimatischen Veränderungen werden sich diese (bspw. Trockenstress) verstärken und neue Stressfaktoren (bspw. neuartige Schädlinge) hinzukommen. Neue Baumpflanzungen sollten den vorausschaubaren klimatischen Veränderungen Rechnung tragen. Da die kommende Entwicklung aber auch mit Unsicherheiten behaftet ist, empfiehlt es sich auf möglichst diverse Baumarten zu setzen. So können beispielsweise Totalausfälle ganzer Alleen verhindert werden.
Die Klimaszenarien für 2060 prognostizieren für die Schweiz klimatische Bedingungen wie sie heute in der kontinentalen Balkanregion anzutreffen sind (siehe Abbildung). Bäume die dort wachsen, müssen hohen Sommertemperaturen und Trockenheit ebenso standhalten wie starker Winterkälte. Dort vorkommende Arten sind wahrscheinlich gut geeignete Schweizer Stadtbäume. Dazu zählen zum Beispiel die Schwarzföhre, die Silberlinde oder die Zerreiche.
Aufgrund von Erfahrungen und Untersuchungen haben verschiedene Akteure Listen mit sogenannten Zukunftsbaumarten erstellt. Diese zeigen, dass auch heimische Arten wie etwa der Feldahorn oder die Zitterpappel den zukünftigen städtischen Bedingungen standhalten dürften.
Anschliessend sind fünf solcher Baumlisten für urbane Räume aufgeführt. Trotz dieser Orientierungshilfen empfiehlt es sich die Artenauswahl immer auf eine situative Analyse des Mikrostandorts der Pflanzgrube abzustützen.
Klimafit-Stadtbaum-Index der Fachhochschule Bern
Im Rahmen des Projekts Urban Green & Climate hat die Fachhochschule Bern einen Klimafit-Stadtbaum-Index, kurz KSI, erarbeitet. Dabei wurden die 20 häufigsten Berner Stadtbaumarten und 19 Potentialarten aus Gebieten mit ähnlichen klimatischen Voraussetzungen nach ihrer Trockenheitstoleranz, Winterhärte und Stadtstresstoleranz bewertet. Es ist geplant noch weitere Parameter in den KSI einfliessen zu lassen. Die Liste finden Sie auf Seite 33 des Schlussberichts «Urban Green & Climate – Die Rolle und Bewirtschaftung von Bäumen in einer klimaangepassten Stadtentwicklung»
Strassenbaumliste der GALK
Seit 1976 unterstützt die deutsche Gartenamtsleiterkonferenz Gemeinden und Planungsbüros bei der Auswahl geeigneter Strassenbaumarten. Die Strassenbaumliste der GALK ist ein breites Sammelsurium einheimischer und exotischer Bäume, sowie vielversprechender Züchtungen. Sie informiert über das Wuchsverhalten und bewertet die Arten nach deren Eignung als Stadtbaum. Die Liste gibt es als Online-Tool oder kann als PDF heruntergeladen werden.
Biodiversitätsindex bei Stadtbäumen Stadt Zürich
Im Stadtraum stehen bei der Wahl der Baumart oft die Belastbarkeit und die Ökosystemleistungen im Vordergrund. Damit das Augenmerk bei der Planung von Stadtbäumen wieder vermehrt auf die Biodiversität gerichtet werden kann, wurde im Auftrag von Grün Stadt Zürich der Biodiversitätsindex für Stadtbäume entwickelt.
Strassenbaumtests der LWG («Stadtgrün 2021»)
Im Bundesland Bayern findet seit 2010 eine Untersuchung von 20 Potentialarten (insgesamt 460 Bäume) statt, die an drei klimatisch unterschiedlichen Standorten in standardisierten Baumgruben angepflanzt wurden. Die ausführliche Untersuchung in Bayern bietet wertvolle Informationen zu möglichen Zukunftsbaumarten auch für den Kanton Zürich. Der Versuchsstandort Kempten befindet sich nahe zur Schweizer Grenze. Gut geeignete Arten für Kempten könnten auch gut im Kanton Zürich funktionieren. Auf Seite 60 des Abschlussberichts finden sie die Bewertung der 20 Baumarten.
Gehölze im Siedlungsraum leiden oftmals unter beengten Wurzelverhältnissen und verdichtetem Substrat, dem trocken-warmen Stadtklima und unerwünschten Einträgen wie Streusalz oder Hundeurin in die Baumscheibe. Dazu kommen Stamm- und Wurzelverletzungen durch Bauarbeiten oder Vandalismus. Dies trägt zur geringen Lebenserwartung von Stadtbäumen (50 Prozent der potenziellen Altersspanne) und Strassenbäumen (25 Prozent) bei. Um diesen Stressfaktoren zu begegnen und so die Altersspanne zu erhöhen, sollten Pflanzgruben ausreichend gross angelegt und Baumscheiben bepflanzt werden.
Pflanzgrube
Je mehr Platz ein Baum für seine Wurzeln hat desto besser. Mindestens sollten 12 m3 gut und ungestört durchwurzelbares Substrat zur Verfügung stehen, wobei die Pflanzgrube mindestens 1.5 Meter tief sein sollte. Für die ausreichende Versorgung des Baumes mit Wasser und Nährstoffen, ist es essenziell, dass das Substrat nicht verdichtet ist, und auch nicht im Laufe der Zeit verdichtet. Daher sind an frequentierten Stellen (Strassen, Wege, aber auch Parkflächen, Spielwiesen) strukturstabile Substrate einzubauen, die sich durch einen hohen Kies- und Sandanteil und nur wenig Feinanteile (Schluff, Ton) kennzeichnen. Mit einer Zugabe von Komposterde im oberen halben Meter der Grube, kann der Nährstoffbedarf gedeckt werden. Die Fokussierung auf die Strukturstabilität solcher urbaner Baumsubstrate, hat zur Folge, dass Abstriche bei der Wasserspeicherfähigkeit gemacht werden müssen. In Trockenperioden kann so eine Bewässerung notwendig sein. Dieser Aufwand ist aber weniger stark zu gewichten als die Probleme, die ein verdichtetes Substrat mit sich bringen. An verkehrsfernen Standorten mit einem geringen Nutzungsdruck kann der Feinanteil des Substrats erhöht werden.
Unterpflanzung
Eine Bepflanzung der Baumscheibe (Unterpflanzung) schützt die Baumscheibe vor Austrocknung und Verdichtung und sorgt damit auch für ein bioaktives Substrat, das durch Zersetzung von totem Pflanzenmaterial Nährstoffe freisetzt. Eine grossblättrige Krautschicht kann unerwünschte Einträge in die Baumgrube fernhalten, schützt den Stammfuss vor Sonnenstrahlung und bringt Vorteile zur Förderung der Biodiversität. Auch bereits bestehende Bäume können noch unterpflanzt werden.
Um die Kühlleistung einer 400 Jahre alten Buche zu kompensieren, müsste ein hundertfaches an Jungbäumen gepflanzt werden. Dem Erhalt von alten, vitalen Bäumen ist ein grosser Wert beizumessen. Bei Bautätigkeiten sollten Baumstämme geschützt werden und auch Wurzelkürzungen auf ein Minimum reduziert werden. Auch bei einem Ersatzneubau ganzer Siedlungen können Bäume erhalten bleiben. Wenn bestehende Bäume unausweichlich im Weg sind, gibt es auch die Möglichkeit Bäume mit grossen Maschinen samt Wurzeln zu verpflanzen. In Lausanne, Plaines du Loup wurden 22 Bestandsbäume ausgehoben, zwischengelagert und nach Abschluss der Bauarbeiten vor Ort wieder eingepflanzt. Davon sind 18 wieder gut angewachsen.
Trotz bestmöglicher Standortbedingungen und standortangepasster Pflanzenwahl brauchen Bäume eine wiederkehrende Kontrolle und Pflege, auch wenn diese dank der erwartbaren besseren Vitalität grundsätzlich weniger aufwändig ist. Schnitteingriffe in den Baumkronen sollten von Fachkräften ausgeführt werden. Mit Bewirtschaftungsmassnahmen, wie dem Liegenlassen von Laub oder der Bewässerung während Trockenperioden (v.a. bei Jungbäumen teilweise nötig), können Stadtbäume ebenfalls unterstützt werden.
Der Baumbestand von Gemeinden sollte beobachtet und ein Vitalitätsmonitoring betrieben werden, wie dies etwa die Stadt Zürich in ihrem Baumkataster tut. An Problemstandorten mit hohen Sicherheitsanforderungen sollte eine regelmässige Einzelbaumbeurteilung durchgeführt werden. Ein Austausch mit anderen Akteuren über Erfahrungen mit Arten, Standorten, Substrate oder Pflegeeingriffe wäre wünschenswert.
Synergien
Bäume übernehmen neben der Hitzeminderung eine Vielzahl anderer Aufgaben. Auch hier gilt grundsätzlich: Je grösser und älter der Baum desto wertvoller ist er.
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Bäume binden Feinstaub und reichern die Luft mit Sauerstoff an. Je mehr Blätter Feinstaub binden können, desto grösser die luftfilternde Wirkung. Zu dichte Baumkronen führen bei Strassenalleen zu einem Tunneleffekt, welche die Schadstoffe ungefiltert ans Ende der Allee führen. Dank durchlässigen Baumkronen können auch die Blätter im Kroneninnern Feinstaub binden.
Bäume spielen in der urbanen Biodiversität eine Schlüsselrolle, da sie Lebensraum und Nahrungsgrundlage für verschiedene Lebewesen bieten, auch an Orten wo unter den Baumkronen bereits eine menschliche Nutzung stattfindet. Die biodiversitätsfördernden Eigenschaften von Bäumen können sich jedoch stark unterscheiden. Auf einheimischen Gehölzen ist mehr Leben zu beobachten als auf Arten, die keine Entwicklungsgeschichte mit der heimischen Flora und Fauna teilen. Das gleiche gilt für Wildformen im Vergleich zu Sorten. Ein diverser Baumbestand, mit unterschiedlichen Arten und Altersklassen, bringt eine höhere Strukturvielfalt als monokulturelle Pflanzungen. Alte Bäume weisen eine Vielzahl von Strukturen, wie Hohlräume, Stammhöhlen, abgebrochene Äste und Totholz auf, die für eine Vielzahl von Tieren, Pflanzen, Pilzen, Moosen und Flechten wertvoll sein können. Weiter können die Unterpflanzungen als Biodiversitätsförderflächen angelegt werden.
Über den Prozess der Photosynthese nehmen Bäume CO2 aus der Luft auf und binden den Kohlenstoff in ihrer Biomasse. Etwa 50 Kilogramm CO2 entzieht ein wachsender Baum der Atmosphäre pro Jahr. Bei Verbrennung oder Zersetzung des Holzes gelangt der Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre. Solange das Holz, entweder am lebendigen Baum oder als Bausubstanz oder Möbel besteht, bleibt der Kohlenstoff gebunden.
Durch Interzeption können Bäume auf der Blattoberfläche Niederschläge abfangen und zurückhalten. In Nadelwäldern beträgt die Interzeption 30 bis 40 Prozent des jährlichen Gesamtniederschlags. In Laubwäldern sind es 15 bis 25 Prozent.
Bäume fördern unser Wohlbefinden. Mehrere Studien haben einen positiven Einfluss auf unsere geistige und körperliche Gesundheit festgestellt. Die entspannende Wirkung von Grünflächen dürften viele auch schon selbst erlebt haben.
Bäume können einen positiven Einfluss auf Lärmbelastung haben, da Äste und Belaubung den Schalleinfall streuen und so hohe Schallspitzen brechen.
Zielkonflikte und Lösungsideen
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Der Anteil unterbauter Flächen im Siedlungsgebiet hat sich in den letzten Jahrzehnten stark erhöht. Bei Ersatzneubauten müssen entwickelte Grünräume mit grossen, klimawirksamen Bäumen nicht selten einer Tiefgarage weichen. Eine Bepflanzung von unterbauten Flächen auch mit Grossbäumen ist zwar möglich und mit einer intensiven Dachbegrünung vergleichbar. Das Wurzelwerk wird in seiner Entwicklung aber eingeschränkt, was sich auf die Vitalität und Kronengrösse des Baumes auswirkt. Zudem ist die Vegetation oberhalb Unterbauungen schneller Hitzestress ausgesetzt, da sich das Substrat aufgrund der geringeren Dicke schneller erhitzt und weniger Wasser speichern kann.
Einen vollwertigen Ersatz für Bäume, die auf unbeschränktem Untergrund wachsen, bilden bepflanzte Unterbauungen deshalb nicht. Für die klimaverträgliche Entwicklung der Siedlungsräume ist es wichtig, Unterbauungen zu beschränken, um genügend Raum für langlebige und pflegeleichte Grossbäume zu haben. Dennoch sollten unterbaute Flächen bepflanzt werden. Je dicker dabei das aufliegende Substrat ist, desto höhere und gesundere Gehölze können sich entwickeln. Für die Entwicklung grosser Bäume sollten mindesten 150cm Substrattiefe zur Verfügung stehen. Wichtig ist es Staunässe zu verhindern, wofür eine Drainschicht eingebaut und ein Substrat mit hohem Kies und Sandanteil verwendet werden soll. Der Aufbau ist analog zu intensiven Dachbegrünungen, wobei bei der Begrünung von Unterbauungen die statischen Anforderungen weniger gewichtet werden müssen. Mit einer Bewässerung im Sommer muss gerechnet werden.
Der angestrebten Verdichtung der Siedlungsräume fallen viele, auch grosse und somit sehr wertvolle, Bäume zum Opfer. Gerade im dichter werdenden Raum steigt die Hitzebelastung an, und bereits entwickelte Bäume können eine wichtige Kühlfunktion übernehmen. Es ist daher dringend empfohlen grosse Bäume bei Verdichtungsprojekten, wenn immer möglich zu erhalten.
Nicht heimische, klimatolerante Baumarten weisen eine geringere Biodiversität auf als heimische Arten. Prioritär sollten deshalb einheimische Gehölze oder solche aus benachbarten Florengebieten verwendet werden. Auf invasive Arten ist zu verzichten.
Weiterführende Informationen
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Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft - Sektion Klima und Mobilität