Periodizitätsprinzip, Nachholung von Aufwandbuchungen (Abschreibungen, Rückstellungen, Steuerrückstellungen) (Praxishinweis)
Wurde die Bildung einer Rückstellung oder die Vornahme einer Abschreibung offenkundig handelsrechtswidrig unterlassen, so kann sie in einer späteren Periode steuerwirksam nachgeholt werden.
Gemäss § 84 StG bemisst sich der steuerbare Reingewinn von juristischen Personen nach dem Ergebnis der Steuerperiode. Als Steuerperiode gilt das Geschäftsjahr (§ 83 Abs. 2 StG). Auch bei natürlichen Personen bemisst sich das steuerbare Einkommen nach den Einkünften in der Steuerperiode (§ 50 Abs. 1 StG). Für die Ermittlung des Einkommens aus selbständiger Erwerbstätigkeit ist das Ergebnis der in die Steuerperiode fallenden Geschäftsabschlüsse massgebend (§ 50 Abs. 2 StG). Diese Bestimmungen sind Ausfluss des Periodizitätsprinzips. Dieses verlangt, dass Aufwand und Ertrag periodengerecht zugewiesen werden. Demgegenüber wird aus dem Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 der Bundesverfassung) und dem Erfordernis der vollständigen und richtigen Besteuerung (§ 132 StG) das Totalgewinnprinzip abgeleitet. Nach diesem soll die Summe aller Periodenergebnisse eines Unternehmens dessen Totalgewinn und damit dessen gesamter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit entsprechen. Periodizitäts- und Totalgewinnprinzip sind gegeneinander abzuwägen; keines dieser Prinzipien kann systematisch über das andere gestellt werden (vgl. VGr, 23.3.2005, StE 2005 B 21.2 Nr. 21; RB 2003 Nr. 89; zurückhaltender BGE 137 II 353; BGr, 9.8.2011, 2C_429/2010, E. 2; BGE 137 II 353, E. 6.4.4). Diese Abwägung führt zur nachfolgenden Praxisfestlegung:
Wurde die Bildung einer Rückstellung oder die Vornahme einer Abschreibung offenkundig handelsrechtswidrig unterlassen, so kann sie in einer späteren Periode steuerwirksam nachgeholt werden. Dies gilt, sofern die Rückstellung bzw. Abschreibung in der Handelsrechnung der späteren Periode verbucht wird, der Grund für die Rückstellung bzw. Abschreibung noch besteht, die Unterlassung nicht missbräuchlich erfolgt ist und die Nachholung innert der Verlustverrechnungsperiode von § 70 Abs. 1 StG bzw. § 29 Abs. 1 StG erfolgt. Unter demselben Vorbehalt sind Kosten, für die in einem früheren Geschäftsjahr eine Rückstellung hätte gebildet werden müssen, im Jahr, in dem sie tatsächlich angefallen sind, als Aufwand zuzulassen.
Im Speziellen gilt für Steuerrückstellungen juristischer Personen Folgendes: Bei den periodischen Steuern wird die Steuerschuld mit der rechtskräftigen Einschätzung verbindlich festgesetzt. Weil dies im System der Postnumerandobesteuerung mit Gegenwartsbemessung erst nach Ablauf der Steuerperiode geschieht, ist im entsprechenden Geschäftsjahr im handelsrechtlichen Abschluss für die wahrscheinliche Steuerschuld eine Rückstellung zu bilden. Die Bildung von Steuerrückstellungen ist nur dann abzugsfähig, wenn die Rückstellungen verbucht und offen ausgewiesen werden. Angesichts der provisorischen Natur von Rückstellungen stellt aber eine Steuerschuld, welche die dafür gebildete Rückstellung übersteigt, im nicht gedeckten Betrag auch später noch geschäftsmässig begründeten und daher steuerlich abzugsfähigen Aufwand dar. Spiegelbildlich folgt daraus, dass periodenfremde Steuerrückvergütungen, für die in den Vorperioden Steuerrückstellungen gebildet wurden, in der Periode des Zuflusses steuerwirksam als Ertrag zu erfassen sind. Zudem besteht generell die Pflicht zur erfolgswirksamen Auflösung einer Rückstellung, wenn sich diese im Nachhinein als ungerechtfertigt bzw. als zu hoch herausstellt. Zur steuerbilanzmässigen Berücksichtigung von Steuerrückstellungen im Zusammenhang mit Gewinnaufrechnungen siehe Randziffern 15a-15c des Merkblattes des kantonalen Steueramtes zur Berechnung der Rücklagen für Forschungs- und Entwicklungsaufträge und der Rückstellung für Steuern (ZStB Nr. 27.1).
Aufgehobener Praxishinweis: