Grundbedarf für den Lebensunterhalt - Zusammensetzung und Zweck

Kapitelnr.
7.1.01.
Publikationsdatum
13. Dezember 2019
Kapitel
7 Materielle Grundsicherung (WSH)
Unterkapitel
7.1. Grundbedarf GBL

Rechtsgrundlagen

§ 17 SHV SKOS-Richtlinien, Kapitel B.2 SKOS-Richtlinien, Kapitel B.2.1

Erläuterungen

1.Ziel und Zweck des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt

Der Grundbedarf für den Lebensunterhalt (GBL) ist eine Pauschale für die Finanzierung der alltäglichen Verbrauchsaufwendungen, welche allen Bedürftigen, die in einem Privathaushalt leben, zusteht. 1.1. Äquivalenzskala Der GBL wird nach der Anzahl Personen in einem gemeinsam geführten Haushalt festge-setzt. Dazu wurde die SKOS-Äquivalenzskala entwickelt. Ausgehend vom Haushalt mit einer Person wird der analoge Gleichwert (= das Äquivalent) für den Mehrpersonenhaushalt er-rechnet. Die SKOS-Äquivalenzskala ist seit Jahren erprobt und entspricht den Ergebnissen der nationalen Verbrauchsstatistik. Sie hält auch internationalen Vergleichen stand. Die un-terschiedliche Verbraucherstruktur von Kindern und Erwachsenen ist im Rahmen der Ge-samtpauschale unerheblich. 1.2. Ziel der Pauschalbeiträge Die Pauschalbeträge ermöglichen es unterstützten Personen, ihr verfügbares Einkommen selbst einzuteilen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Ist eine unterstützte Person dazu nicht im Stand, trifft die zuständige Stelle geeignete Massnahmen (z.B. Budgetbera-tung, wöchentliche Auszahlung etc.).

2.SKOS-Warenkorb

Beim SKOS-Warenkorb handelt es sich um die Zusammensetzung der im GBL enthaltenen Ausgabenpositionen. Diese sowie die Höhe des GBL entsprechen dem Konsumverhalten des untersten Einkommensdezils, d.h. der einkommensschwächsten zehn Prozent der Schweizer Haushaltungen. Auf diese Weise wird statistisch abgesichert, dass die Lebensun-terhaltskosten von Unterstützten einem Vergleich mit den Ausgaben nicht unterstützter Haushaltungen, die in sehr bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen leben, standhalten. Der GBL stellt somit das Mindestmass einer auf Dauer angelegten menschenwürdigen Exis-

tenz dar. Er darf grundsätzlich nur in begründeten Ausnahmefällen und zeitlich befristet um einen bestimmten Prozentsatz unterschritten werden (vgl. Kapitel 14.2.01). Im Grundbedarf für den Lebensunterhalt sind die Kosten für die folgenden Auslagen (mit der im SKOS-Warenkorb vorgesehenen Gewichtung in Prozenten) enthalten:

Warengruppe Gewichtung in %

Nahrungsmittel, Getränke, Tabakwaren (Nahrungsmittel zu Hau-se, zu Hause und auswärts eingenommene alkoholfreie und al-koholische Getränke, Tabakwaren) 41.3 Bekleidung, Schuhe (Alltags-, Sport- und Arbeitskleider, Schuhe 9.8 Energieverbrauch ohne Wohnnebenkosten (Elektrizität, Gas und andere Brennstoffe), 4.7 Allgemeine Haushaltsführung (Reparaturen, Unterhalt der Woh-nung, Haushaltswäsche und Heimtextilien, Haushalts- und Kü-chengeräte ) 4.2 Persönliche Pflege (persönliche Ausstattung, pharmazeutische Produkte resp. selber bezahlte Medikamente, Apparate und Arti-kel für die Körperpflege, Sanitätsmaterial, Coiffeur) 9.6 Verkehrsauslagen (Billette Bahn, Tram, Bus, Halbtax, Velo-Ersatzteile) 6.1 Nachrichtenübermittlung, Internet, Radio/TV (Nachrichtenüber-mittlung, Radio- & Fernsehkonzession, audiovisuelle Ausrüstung, Foto- und EDV-Ausrüstung und Zubehör wie Drucker etc.) 8.8 Bildung, Freizeit, Sport, Unterhaltung (Bücher, Presserzeugnisse, Papeteriewaren, Dienstleistungen für Sport, Erholung und Kultur (inkl. Vereinsbeiträge), Spielzeug, Gesellschaftsspiele und Frei-zeitgestaltung, Haustiere & Produkte für deren Haltung) 13.3 Übriges (Finanzielle Dienstleistungen wie Gebühren für die Kon-toführung, Geschenke und Einladungen 2.2

Total = Grundbedarf für den Lebensunterhalt 100.00

Rechtsprechung

VB.2019.00023: E.2.2: Der kantonale Gesetzgeber hat implizit, indem er die SKOS-Richtlinien für anwendbar erklärte (§ 17 SHV), Pauschalisierungen von finanziellen Hilfeleis-tungen zugelassen. Denn die SKOS-Richtlinien sehen eine Pauschale zur Deckung des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt (sowie dessen pauschale Kürzung bei Zweck-Wohngemeinschaften) vor. Grundsätzlich laufen solche Pauschalen einer individualisierten

Leistungsbemessung zuwider (Iris Schaller Schenk, Das Individualisierungsprinzip, Zürich 2016, S. 94). In Anbetracht der Vielzahl von Sozialhilfefällen kann aber nicht in jedem Einzel-fall von Grund auf der individuelle Basis-Lebensbedarf neu bestimmt werden. Die Grundbe-darfspauschale dient dem praktikablen und ökonomischen Verwaltungsvollzug, aber auch der Rechtssicherheit und der sozialverträglichen Verteilung staatlicher Gelder sowie der Selbstbestimmung der bedürftigen Personen. Es bestehen demnach legitime öffentliche wie individuelle Interessen für die Pauschale. Die pauschalisierte Hilfe ist bedürftigen Personen grundsätzlich auch zumutbar, da die Pauschale die überwiegende Mehrzahl der Fälle ab-deckt, denn sie beruht auf sorgfältigen, gestützt auf statistisch erhobenen Daten vorgenom-menen Berechnungen. Es bleibt aber zu prüfen, ob die Pauschale im Einzelfall nicht mehr zumutbar ist (Schaller, S. 369). Eine Typisierung ist tendenziell individuell zumutbar, wenn daraus lediglich eine geringfügige (finanzielle) Schlechterstellung resultiert (Schaller, S. 358). VB.2011.00820: Notwendige zahnärztliche Behandlungen gehören zu dem durch § 15 SHG und § 17 SHV garantierten sozialen Existenzminimum. Solche Behandlungen sollen so ein-fach wie möglich, wirtschaftlich und zweckmässig sein (E. 2.2). Die Beschwerdeführerin hat keinen Anspruch auf den Einbau einer Brücke anstelle einer günstigeren Teilprothese. Vor-liegend besteht kein Grund, die Beurteilung der Vertrauenszahnärztin infrage zu stellen, wel-che zwar keine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin vornahm, sich jedoch auf die Unterlagen des behandelnden Zahnarztes stützen konnte (E. 4.1). Mit der pauschalierten Form des Grundbedarfs und der hieraus folgenden Dispositionsfreiheit des Sozialhilfeemp-fängers wäre es nicht vereinbar, wenn es der Beschwerdeführerin vorliegend verwehrt blie-be, den Differenzbetrag zwischen den beiden Behandlungsplänen aus ihrem Grundbedarf selbst zu übernehmen. Dass die Beschwerdeführerin hierzu in der Lage sein dürfte, ergibt sich überdies aus dem Umstand, dass es ihr vor ihrem Umzug offenbar auch möglich gewe-sen war, monatlich Fr. 354.- aus dem Grundbedarf an den damaligen (überhöhten) Mietzins zu bezahlen, welche Belastung nun weggefallen ist (E. 4.2). Es ist an der Beschwerdeführe-rin, die Zahlungsmodalitäten für den Restbetrag mit dem behandelnden Zahnarzt zu regeln. Um ihr die Behandlung zu ermöglichen, ist die Frist der Kostengutsprache antragsgemäss zu verlängern (E. 4.3) VB.2009.00563: Dispositionsfreiheit über den GBL im Zusammenhang mit der Weisung, Schilder eines Autos zu hinterlegen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, welche Unkosten ein privates Motorfahrzeug einem Sozialhilfe-empfänger tatsächlich verursacht und ob er diese Unkosten ohne zusätzliche Verschuldung aus der Grundbedarfspauschale tragen kann. Würde ein Sozialhilfeempfänger generell zum Verzicht auf die Benutzung eines Autos gezwungen, so stünde ihm dadurch zwar ein gewis-ser Mehrbetrag für andere Ausgabepositionen des Grundbedarfs zur Verfügung. Jedoch würde damit auch unnötig in seine Dispositionsfreiheit eingegriffen (E. 2.4). Unter den vorlie-genden Umständen erweist sich die Weisung als unverhältnismässig (E. 2.5). VB.2009.00178: Dispositionsfreiheit über den GBL im Zusammenhang mit der Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe, da die Beschwerdeführerin aus den ihr ausgerichteten Sozialhilfe-leistungen einen Betrag von gut Fr. 15'000.- angespart hat. Die Sozialhilfe wird, soweit es sich nicht um die Deckung der Wohn- und Gesundheitskosten sowie um Gewährung situationsbedingter Leistungen, geht, in pauschalierter Form als so

genannter Grundbedarf ausgerichtet. Es bleibt dem Empfänger überlassen, wie er die erhal-tene Pauschale für die einzelnen als inbegriffen geltenden Positionen verwendet. Die daraus folgende Dispositionsfreiheit bedeutet, dass es dem Hilfeempfänger frei stehen muss, durch Verzicht auf laufenden Konsum einen grösseren Betrag anzusparen, um damit auf mittlere oder längere Sicht besondere Ausgaben zu tätigen(…) (E.5). Die angefochtene Einstellung der Sozialhilfe ist nicht mit §§ 14 und 15 Abs. 1 SHG vereinbar (E.6). VB.2008.00513: Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Schultasche. Der Rechtsstreit beschränkt sich auf die Frage, ob die Kosten für eine Schultasche aus dem Grundbedarf für den Lebensunterhalt zu decken sind oder ob sie separat übernommen wer-den müssen. Die vorinstanzliche Auffassung, wonach die Schultasche aus dem Grundbedarf zu bezahlen ist, ist nicht zu beanstanden. Bei einer Schultasche handelt es sich nicht um ei-nen Gegenstand, der einzig und allein mit der Absolvierung einer Schulausbildung verbun-den ist. Sie ist zu den "kleinen Haushaltsgegenständen" zu zählen, deren Anschaffung nach den SKOS-Richtlinien aus dem Grundbedarf zu bezahlen ist. VB.2008.00079: Antrag auf Übernahme einer Rechnung für Elektrizität. Rechtsgrundlagen für die Berechnung der Sozialhilfeleistungen: Die Kosten des Energiever-brauchs werden grundsätzlich bereits durch den Grundbedarf abgedeckt. Gründe für einen abweichenden Vollzug - etwa die Übernahme der Kosten als situationsbedingte Leistungen - liegen nicht vor. VB.2007.00011: Geltendmachung, dass in Folge einer fehlenden gesetzlichen Grundlage die SKOS-Richtlinien nicht anzuwenden seien und die Sozialhilfe nach freiem Ermessen festge-legt werden müsse; Antrag auf Erhöhung des Unterstützungsanspruchs von Fr. 2'137.80 auf Fr. 3'000.-- sowie Zusprechung einer minimalen Integrationszulage von Fr. 300.--. Aus Art. 12 BV lässt sich nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung keinen über eine Minimalhilfe hinausgehenden Anspruch ableiten. Aus Art. 7 BV lassen sich dabei keine wei-tergehenden Rechte ableiten. Die Beschwerdeführerin kann demnach gestützt auf die Bun-desverfassung keinen höheren Grundbedarf geltend machen bzw. nicht dessen Kürzung be-anstanden. Dasselbe gilt für Art. 111 KV, der das Recht auf Hilfe in Notlage konkretisiert. Es besteht kein Anlass von den in VB.2005.00148 gemachten Ausführungen abzuweichen, wo-nach die SKOS-Richtlinien mit dem Legalitätsprinzip vereinbar sind. Dies entspricht auch der bundesgerichtlichen Rechtsprechung. VB.2003.00362: Lebensmittel (und anderes). Der von der Vorinstanz in reduziertem Mass anerkannte Betrag für Spezialnahrung, worauf die Beschwerdeführerin aus gesundheitlichen Gründen angewiesen ist, ist nicht zu bean-standen. Die Spezialnahrungsmittel verringern nämlich den Bedarf an "normalen" Nah-rungsmitteln, der bereits durch den Grundbedarf I abgedeckt ist (E. 3.4). VB.2003.00249: Dispositionsfreiheit über den GBL - Abweichung von den SKOS-Richtlinien. Der Grundbedarf (I) entspricht dem Minimum, das zu einer auf die Dauer angelegten men-schenwürdigen Existenz in der Schweiz nötig ist und darf deshalb nur in begründeten Aus-nahmefällen und zeitlich befristet unterschritten werden (SKOS-Richtlinien, Kapitel B.2.2). Es ist zwar richtig, dass beim Bewohnen eines möblierten Zimmers gewisse Kosten, die im

Grundbedarf (I) enthalten sind, nicht anfallen; andererseits erhöhen sich die Auslagen, weil dann auswärts gegessen und die Wäsche auswärts gewaschen werden muss. Es ist daher nicht gerechtfertigt, in solchen Fällen den Grundbedarf (I) zu kürzen. Im Rahmen des Grund-bedarfs (I) ist es den Betroffenen überlassen, wie sie ihr Geld einteilen und wie viel sie z.B. in die Reinigung ihrer Kleider investieren. Solange die unterstützte Person in der Lage ist, diese Geldeinteilung selber vorzunehmen, soll daran nichts geändert werden (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel A.7 und B.2.2).

Praxishilfen

Praxishilfe der SKOS zum SKOS-Warenkorb

Kontakt

Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe

E-Mail

sozialhilfe@sa.zh.ch

Für Fragen zur Interinstitutionellen Zusammenarbeit: iiz@sa.zh.ch


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