Orientierung über die Opferhilfe
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Rechtsgrundlagen
Erläuterungen
Dieses Kapitel wurde in Zusammenarbeit mit der Kantonalen Opferhilfestelle erstellt.
1.Grundsätzliches
Aufgrund des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten (OHG) erhält jede Person Hilfe, die durch eine Straftat im Sinne des Opferhilfegesetzes (= Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die sexuelle Integrität sowie gegen die Freiheit) in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist (Opfer).
Die Opferhilfe basiert auf folgenden drei Pfeilern:
- Unentgeltliche Beratung durch fachlich selbständige öffentliche oder private Beratungsstellen, bei Bedarf Vermittlung von medizinischer, psychologischer, sozialer, materieller und juristischer Hilfe,
- Schutz und Wahrung der Rechte im gegen den Täter laufenden Strafverfahren (Persönlichkeitsschutz, besondere Verfahrensrechte),
- Finanzielle Leistungen: Soforthilfe, Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter, Entschädigung und Genugtuung (Anspruch gegenüber dem Staat unter bestimmten (teilweise auch finanziellen) Voraussetzungen; Entschädigung von Fr. 500.-- bis Fr. 120'000.--, Genugtuung max. Fr. 70'000.--).
Auch der Ehegatte des Opfers, dessen Kinder und Eltern sowie andere Personen, die ihm in ähnlicher Weise nahestehen, haben Anspruch auf bestimmte Hilfeleistungen (z.B. Beratung).
Im Kanton Zürich ist die Kantonale Opferhilfestelle, eine Fachstelle der Direktion der Justiz und des Innern, für den Vollzug des OHG zuständig. Bei ihr ist auch eine entsprechende Informationsbroschüre erhältlich bzw. diese ist auf deren Homepage abrufbar (www.opferhilfe.zh.ch). Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach OHG kann man sich nach einer Straftat an eine Beratungsstelle oder für finanzielle Hilfe auch direkt an die Kantonale Opferhilfestelle wenden. Die Beratungsstellen unterstützen die Betroffenen bei der Einreichung eines Gesuchs an die Kantonale Opferhilfestelle.
Die Sozialhilfeorgane vermitteln die Hilfe der für die Opferhilfe zuständigen Stellen und arbeiten mit den Opferhilfestellen zusammen (§ 7 Abs. 3 SHG und § 12 Abs. 3 SHG).
2.Beratung der Opfer von Straftaten
Das kantonale Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz (EG OHG) sieht in den §§ 1-7 vor, dass die Beratung im Sinne des OHG (inkl. Vermittlung von weiterer Hilfe) den vom Regierungsrat anerkannten Beratungsstellen obliegt. Diese werden im Wesentlichen vom Kanton Zürich finanziert und unterstehen der Aufsicht der Direktion der Justiz und des Innern. Die vom Opfer einer Straftat angesprochene Beratungsstelle ist zur Beratung und Hilfeleistung verpflichtet und sie bleibt dafür auch verantwortlich, wenn sie mit anderen Stellen zusammenarbeitet (§ 5 EG OHG). Zudem können die Beratungsstellen infolge der Straftat entstandene Kosten bis zu Fr. 1000.-- pro Person übernehmen (Soforthilfe; § 9 Abs. 2 Kantonale Opferhilfeverordnung).
Zurzeit sind folgende Beratungsstellen anerkannt:
Allgemeine Beratungsstelle:
- Opferberatung Zürich (Gewaltopfer allgemein, männliche Opfer von Sexualdelikten und häuslicher Gewalt, weibliche Opfer von häuslicher Gewalt durch Geschwister, Eltern, Kinder, Verwandte, Strassenverkehrsopfer),
Beratungsstellen für weibliche Opfer häuslicher Gewalt und von Sexualdelikten:
- BIF Beratungsstelle für Opfer von häuslicher Gewalt (Frauen, nur Partnergewalt)
- Frauenberatung sexuelle Gewalt (Sexualdelikte, häusliche Gewalt)
- Beratungsstelle Frauen-Nottelefon, Winterthur (Sexualdelikte, häusliche Gewalt)
- Castagna: Beratungsstelle für Frauen und Kinder (sexuelle Ausbeutung in der Kindheit)
Beratungsstellen für Kinder und Jugendliche:
- Fachstelle OKey & KidsPunkt, Winterthur (direkt oder indirekt von sexueller, körperlicher, psychischer Gewalt betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene)
- Beratungsstelle kokon (direkt oder indirekt von sexueller, körperlicher, psychischer Gewalt betroffene Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene)
- Beratungsstelle des Kinderspitals Zürich (Kindsmisshandlung, inkl. sexuelle Übergriffe)
- Castagna: Beratungsstelle für Frauen und Kinder (sexuelle Ausbeutung in der Kindheit)
Für die Beratung von Opfern von Menschenhandel ist FIZ Makasi zuständig. FIZ Makasi ist keine kantonal anerkannte Opferberatungsstelle, wird vom Kanton Zürich jedoch im Rahmen der Hilfe durch Dritte mitfinanziert.
(Alle Adressen unter www.opferhilfe.zh.ch/Beratungshilfe)
3.Entschädigung und Genugtuung sowie Kostenbeiträge für längerfristige Hilfe Dritter
Zur Festsetzung und Ausrichtung einer Entschädigung oder Genugtuung sowie für die Kostenübernahme (ab Fr. 1'000.--) ist die Kantonale Opferhilfestelle zuständig (§§ 8-15 EG OHG). Die Opferberatungsstellen unterstützen das Opfer bei der Einreichung eines Gesuchs. Das Gesuchsformular ist bei der Kantonalen Opferhilfestelle, Postfach, 8090 Zürich, zu beziehen oder kann von deren Homepage (www.opferhilfe.zh.ch) heruntergeladen werden. Es ist zusammen mit den Belegen der Kantonalen Opferhilfestelle einzureichen, wobei der Anspruch auf Entschädigung und Genugtuung innert fünf Jahren seit der Straftat oder nach Kenntnis der Straftat geltend zu machen ist (Art. 25 OHG). Diese Frist kann nicht erstreckt werden. Gegen Entscheide der Kantonalen Opferhilfestelle kann innert 30 Tagen beim Sozialversicherungsgericht Beschwerde erhoben werden (§ 16 EG OHG).
4.Verhältnis zur öffentlichen Sozialhilfe
Wie die Sozialhilfe ist auch die Opferhilfe subsidiärer Natur. Es kann nicht abstrakt bestimmt werden, welche Hilfe der anderen vorgeht. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss diese Frage im Einzelfall aufgrund der konkreten Umstände entschieden werden. Grundsätzlich ist es jedoch Sache des Täters oder der Täterin, für den von ihm bzw. ihr verursachten Schaden aufzukommen. Die Opferhilfe mildert allenfalls ungenügende Leistungen der primär Leistungspflichtigen und will verhindern, dass das Opfer alleine wegen der Straftat Sozialhilfe in Anspruch nehmen muss (Botschaft Totalrevision OHG, BBl 2005 7205). Das Opfer und seine Angehörigen haben Anspruch auf eine Entschädigung für den erlittenen Schaden infolge Beeinträchtigung oder Tod des Opfers (Art. 19 Abs. 1 OHG). Der Schaden wird nach den Artikeln 45 und 46 des Obligationenrechts (OR; SR 220) festgelegt, wobei gewisse Ausnahmen gelten (Art. 19 Abs. 2 bis 4 OHG). Für allgemeine Lebenshaltungskosten kommt die Opferhilfe nicht auf. Daher geht beispielsweise eine gestützt auf das OHG ausgerichtete Entschädigung für Erwerbsausfall in jedem Fall den Sozialhilfeleistungen vor. Eine durch die Straftat verursachte vorübergehende Arbeitsunfähigkeit bei einem Opfer, das im Zeitpunkt der Straftat nicht arbeitete und somit auch keinen Erwerbsschaden erleidet, führt jedoch nicht dazu, dass die Leistungen der Sozialhilfe abgelöst werden. Bei Sozialhilfe beantragenden Opfern von Straftaten im Sinne des OHG ist deshalb abklären zu lassen, ob sie einen Anspruch auf Entschädigung oder auf Genugtuung haben. Solche Leistungen wären von der Sozialbehörde unter bestimmten Umständen zu berücksichtigen und würden der Sozialhilfe vorgehen (§ 2 Abs. 2 SHG, vgl. Kapitel 9.2.01; SKOS-Richtlinien, Kapitel E.2.1). Bei der Genugtuung sind die Vermögensfreigrenzen zu beachten.
Die Frage der Abgrenzung und Schnittstellen zwischen Sozialhilfe und Opferhilfe stellt sich nebst der Entschädigung und der Genugtuung in der Praxis namentlich bei der Überbrückungshilfe, der Finanzierung von Frauenhausaufenthalten und bei der Finanzierung von Kindesschutzmassnahmen, weshalb nachfolgend auf diese Punkte speziell eingegangen wird.
4.1Überbrückungshilfe
Gemäss Art. 13 Abs. 1 OHG leisten die Opferberatungsstellen dem Opfer und seinen Angehörigen sofort Hilfe für die dringendsten Bedürfnisse, die als Folge der Straftat entstehen (Soforthilfe). Die Hilfsbedürftigkeit muss in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit der Straftat stehen, aus der sich die Opfereigenschaft ergibt. Anders als in der Sozialhilfe können von der Opferhilfe grundsätzlich nicht generelle Leistungen für den allgemeinen Lebensunterhalt erbracht werden. Opferhilferechtliche Leistungen setzen immer voraus, dass eine finanzielle Notlage in direktem Zusammenhang mit der Straftat steht. Eine Überbrückungshilfe durch die Opferhilfe zur Bestreitung des allgemeinen Lebensunterhaltes fällt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn im Kontext einer gestützt auf das Gewaltschutzgesetz (GSG; LS 351)) erfolgten Wegweisung der gefährdenden Person einem Opfer von häuslicher Gewalt der Zugriff auf ein Konto verwehrt ist und es daher kurzfristig nicht über die Mittel verfügt, um die notwendigsten Bedürfnisse (insbesondere Verpflegung) zu decken, bis Sozialhilfeleistungen erhältlich gemacht werden können, oder wenn durch die Leistung der Opferhilfe verhindert werden kann, dass sich das Opfer an die Sozialhilfe wenden muss. Bestanden allerdings bereits vor der GSG-Massnahme prekäre finanzielle Verhältnisse und steht die finanzielle Notlage des Opfers nicht im Zusammenhang mit der häuslichen Gewalt, sondern wäre auch sonst bei der Trennung vom Ehegatten / von der Ehegattin bzw. vom Partner / von der Partnerin aufgetreten, leistet die Opferhilfe keine Überbrückungshilfe.
Angesichts des eingeschränkten Anwendungsbereichs der Überbrückungshilfe nach Opferhilfegesetz, ist in aller Regel die Sozialhilfe zuständig für die Ausrichtung von Überbrückungshilfe. In dringenden Fällen ist die Sozialbehörde bereits vor der vollständigen Sachverhaltsklärung verpflichtet, Überbrückungshilfe zu leisten (vgl. dazu Kapitel 5.1.07). Gerade bei Fällen von Häuslicher Gewalt kommt es oft vor, dass Opfer von der Gesellschaft komplett isoliert werden. Sämtliche geschäftlichen Belange werden von der gefährdenden Person wahrgenommen. Einblick in finanzielle oder versicherungstechnische Unterlagen erhält die gewaltbetroffene Person häufig nicht. Selbst nach der Trennung ist für sie der Zugang zu solchen Unterlagen ohne die Mitwirkung der gefährdenden Person äusserst schwierig. Diesen Umständen soll bei der Anspruchsprüfung (vgl. dazu Kapitel 6.2) Rechnung getragen werden.
Mehr dazu in Kapitel 16.3.01.
4.2.Finanzierung von Frauenhausaufenthalten
Das Opferhilfegesetz sieht vor, dass die Beratungsstellen dem Opfer bei Bedarf eine Notunterkunft besorgen (Art. 14 Abs. 1 OHG). Für die ersten 35 Tage des Aufenthalts in einem Frauenhaus kommt die Opferhilfe im Rahmen der Soforthilfe auf, sofern glaubhaft gemacht wird, dass die betroffene Frau Opfer einer Straftat im Sinne des OHG geworden ist und dass sie als unmittelbare Folge der Straftat dringend den Schutz eines Frauenhauses benötigt.
Nach 35 Tagen kommt die Opferhilfe nur noch dann für den Aufenthalt in einem Frauenhaus auf, wenn die Frau weiterhin den besonderen Schutz eines Frauenhauses benötigt. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn die Gefährdung durch den Täter weiterhin besteht. Das Opfer muss gegenüber der Opferhilfebehörde sowohl die Straftat als auch das Bestehen einer weiterdauernden und konkreten Bedrohungslage rechtsgenügend nachweisen können. Geprüft wird der Anspruch auf Übernahme der weiteren Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus unter dem Titel der längerfristigen Hilfe Dritter, weshalb das Beweismass der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gilt. Zudem muss es sich auf Grund der besonderen Umstände des Einzelfalles im Vergleich zu anderen Massnahmen um eine angemessene und verhältnismässige Hilfe handeln. Gelingt es dem Opfer nicht, eine über die ersten 35 Tage hinausgehende konkrete Bedrohungslage auszuweisen, werden die Kosten für den weiteren Aufenthalt nicht von der Opferhilfe übernommen. Häufig sind es denn auch soziale Gründe, die den Verbleib in einem Frauenhaus über 35 Tage hinaus notwendig erscheinen lassen (Wohnungsnot, mangelnde Integration etc.). Liegen solche Gründe vor und ist keine andere kostengünstigere Lösung vorhanden bzw. zumutbar, so ist der weitere Aufenthalt im Frauenhaus als situationsbedingte Leistung über die Sozialhilfe zu finanzieren.
Bei Frauenhausaufenthalten ist zwar eine subsidiäre Kostengutsprache in Bezug auf Leistungen der Opferhilfe angezeigt. Soweit aber eine über die Leistungsdauer der Opferhilfe hinausgehende Kostengutsprache im Raum steht, sind die Kosten gegenüber dem Frauenhaus grundsätzlich mittels direkter Kostengutsprache zu sichern. Eine lediglich subsidiäre Kostengutsprache ist nur dann angezeigt, wenn aufgrund der gesamten Umstände bereits hinreichend klar ist, dass die betroffene Person aus eigenen Mitteln in der Lage ist, vollumfänglich für den Frauenhausaufenthalt aufzukommen.
Zum Vorgehen bei der Erteilung einer direkten Kostengutsprache vgl. Kapitel 10.1.01
Zur Abgrenzung von direkter und subsidiärer Kostengutsprache vgl. Kapitel 10.2.01 Ziffer 2.3 und 2.4
4.3.Finanzierung von Kindesschutzmassnahmen
Sind Kinder Opfer einer Straftat, kann es sich als notwendig erweisen, Kindesschutzmassnahmen nach Art. 307 ff. ZGB zu ergreifen. Ordnet die dafür zuständige KESB nach Eingang einer Gefährdungsmeldung eine Massnahme an, stellt sich die Frage, wer für die Kosten dieser Massnahme aufzukommen hat. Kindesschutzmassnahmen gehören zum Kindesunterhalt. Nach Abzug von Drittleistungen (z.B. Kantonsbeiträge für Heimplatzierungen, Versicherungsleistungen) gehen damit die Kosten für die Kindesschutzmassnahme zu Lasten der unterhaltspflichtigen Eltern. Sind sie dazu nicht oder nicht vollständig in der Lage oder sind sie nicht leistungswillig, sichert die zuständige Sozialbehörde die Kosten mittels Kostengutsprache (vgl. dazu auch Kapitel 8.1.10 und Kapitel 12.2). Der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber seinen Eltern geht im Umfang der geleisteten Kostenübernahme auf die Sozialbehörde über (vgl. Art. 289 ZGB).
Da auch opferhilferechtliche Ansprüche im Raum stehen, ist zu prüfen, ob die Massnahme einem vorwiegend opferhilferechtlichen Zweck dient. Das ist dann der Fall, wenn sie für die Aufarbeitung und/oder Beseitigung der Folgen der Straftat notwendig ist (z.B. medizinische Notfallbehandlung, Anordnung einer Psychotherapie). Leistungen gestützt auf das OHG können nur vom Opfer selbst beantragt werden und haben stets die Verarbeitung des Geschehenen zum Ziel. Dabei ist zu beachten, dass einmalige Tätlichkeiten (z.B. Ohrfeige) oder verbale Beschimpfungen im Verlaufe eines eskalierenden innerfamiliären Streits ohnehin keine Opferstellung im Sinne des Opferhilfegesetzes begründen.
Stehen jedoch der Schutz und die Sicherung der künftigen längerfristigen ungehinderten Entwicklung des Kindes im Vordergrund und kann die Straftat für die zu ergreifende Kindesschutzmassnahme nur als eine Ursache von vielen gewertet werden, fällt eine Kostenübernahme durch die Opferhilfe ausser Betracht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn den Eltern ein meist bereits langjährig bestehendes Erziehungsversagen vorgeworfen wird. Dies ist dann der Fall, wenn sie ihre Kinder übermässig kontrollieren und/oder sie in ihren altersentsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten und Freiheiten übermässig einschränken.
Beispiel Notunterkunft:
Die Voraussetzungen für eine zeitlich beschränkte Finanzierung einer Notunterkunft durch die Opferhilfe im Rahmen der Soforthilfe sind gegeben, wenn das Opfer im Gesuch glaubhaft macht, dass es durch eine Straftat in seiner körperlichen, psychischen oder sexuellen Integrität unmittelbar beeinträchtigt worden ist und die Massnahme als unmittelbare Folge der Straftat dringend notwendig ist. Letzteres ist beispielsweise nicht erfüllt, wenn zwischen dem Ereignis und dem Eintritt in eine Notunterkunft bereits einige Zeit vergangen ist; hier fehlt es in der Regel am Erfordernis der Dringlichkeit. Das besondere Schutzbedürfnis des betroffenen Kindes bei anhaltender Bedrohungslage und die Hilfestellung für die Verarbeitung der vorangegangenen Straftat(en) müssen zudem im Vordergrund stehen. Durch Opferhilfeleistungen sollen Notlagen verhindert werden, es soll gewährleistet werden, dass dem Opfer die benötigte Hilfe gewährt wird. Ist bereits die zuständige KESB involviert, liegt die Verfahrensleitung bei ihr und sie beschliesst die aus kindesschutzrechtlicher Sicht notwendigen Massnahmen ohne Einbezug der Opferhilfestellen und ohne die für opferhilferechtliche Leistungen erforderlichen Voraussetzungen zu prüfen. Bei dieser Ausganglage übernimmt die Opferhilfe die Kosten in der Regel nicht.
Das Vorgehen bei Notfällen und insbesondere bei dringlicher ausserfamiliärer Platzierung ist im Grundlagendokument zur Zusammenarbeit Mandatszentren AJB und KESB geregelt (Juni 2017, Version 1.8 (revidiert, Dezember 2017); nicht auf die KESB der Stadt Zürich anwendbar).
Rechtsprechung
Entscheide des Bundesgerichts:
BGE 125 II 230: Aufgrund der für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts bildeten die Folgen der Straftat nur eine Teilursache für die Heimeinweisung. Mitursächlich waren auch das familiäre Umfeld und die Unfähigkeit der Eltern der Beschwerdeführerinnen, die Erziehungsaufgaben wahrzunehmen. Es ist somit davon auszugehen, dass die Folgen der Straftat für die Anordnung und Beibehaltung der Massnahme nicht allein entscheidend waren, obwohl die Heimbetreuung den Beschwerdeführerinnen auch ermöglichen sollte, die unmittelbaren Folgen der Straftat zu bewältigen. Vor diesem Hintergrund weist die Massnahme in sachlicher Hinsicht sowohl eine kindes- als auch eine opferschutzrechtliche Komponente auf; insofern überschneidet sich die Zielsetzung des Kindesschutzes mit derjenigen des Opferschutzes. Im Rahmen einer Gesamtbeurteilung kommt den Folgen der Straftat kein derartiges ursächliches Gewicht zu, dass man sagen könnte, der kindesschutzrechtliche Charakter der Massnahme werde in den Hintergrund gedrängt. Dies schliesst es aus, den allfälligen Vorrang der Opferhilfe mit dem Zweck der Massnahme zu begründen. Soweit wirksame Hilfe durch andere Institutionen geleistet wird, kann es nicht dem Zweck des Opferhilfegesetzes entsprechen, diese Leistungen zurückzudrängen. Bewirken die angeordneten Massnahmendes familienrechtlichen Kindesschutzes einen hinreichenden Schutz im Sinn des Opferhilfegesetzes, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit für eine nachträgliche Betreuungshilfe seitens der Beratungsstelle (E. 3).
Entscheide des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich:
OH.2013.00006: [Kein Anspruch auf Leistungen der finanziellen Soforthilfe und insbesondere auf Übernahme der Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus, da sich die Beschwerdeführerin unmittelbar nach der Straftat in einer psychiatrischen Klinik aufhielt, und da bei Eintritt in das Frauenhaus keine aktuelle Bedrohung bestand.] Der Umstand, dass die Frau während den ersten 24 unmittelbar auf die Straftat folgenden Tagen in einer psychiatrischen Klinik untergebracht war, spricht gegen das Vorliegen eines dringenden Handlungsbedarfs und gegen eine als Folge des letzten Vorfalls dringende Notwendigkeit einer Unterbringung der Beschwerdeführerin im Frauenhaus.
OH.2013.00004: [Kein Anspruch auf eine weitere Übernahme der Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus im Rahmen der längerfristigen Hilfe nach der vorgängigen Übernahme der Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus im Umfang von 21 Tagen im Rahmen der Soforthilfe] Gemäss den Empfehlungen der Schweizerischen Verbindungsstellenkonferenz Opferhilfegesetz (SVK-OHG) und den Richtlinien der Regionalkonferenz 4 der Opferhilfestellen der Kantone Glarus, Schaffhausen, Thurgau, St. Gallen, Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Graubünden und Zürich zur Übernahme von Kosten für Frauenhausaufenthalte (Fassung April 2002) sind die Kosten eines Aufenthaltes in einem Frauenhaus über einer Dauer von 3 Wochen hinaus nur dann zu übernehmen, wenn die Bedrohungssituation fortbesteht. Der Fortbestand der Bedrohung ist darzutun und soweit möglich zu belegen. Von der Opferhilfebehörde wird geprüft, ob die weitere Unterbringung notwendig und durch die Straftat(en) bedingt ist, oder ob es sich dabei vor allem um Probleme im Zusammenhang mit der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft, oder um andere Probleme handelt. Auch wenn sich Verwaltungsweisungen an die Verwaltung richten und für das Gericht nicht verbindlich sind, so soll dieses sie bei seiner Entscheidung aber berücksichtigen, sofern sie eine dem Einzelfall angepasste und gerecht werdende Auslegung der anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen zulassen. Das Gericht weicht also nicht ohne triftigen Grund von Verwaltungsweisungen ab, wenn diese eine überzeugende Konkretisierung der rechtlichen Vorgaben darstellen. Insofern wird dem Bestreben der Verwaltung, durch interne Weisungen eine rechtsgleiche Gesetzesanwendung zu gewährleisten, Rechnung getragen (BGE 133 V 587 E. 6.1, 133 V 257 E. 3.2). Vorliegend stellen Ziff. 3.3.2 und 3.3.3 der SVK-OHG und lit. D Ziff. 1 der Richtlinie Frauenhaus eine überzeugende Konkretisierung von Art. 13 und Art. 14 OHG dar. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdegegner die Übernahme der ersten 21 Tage des Aufenthalts der Beschwerdeführerin im Frauenhaus unter dem Titel der Soforthilfe prüfte und ab dem 22. Tag unter demjenigen der längerfristigen Hilfe. Sodann ist nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdegegner eine Übernahme der Kosten des Frauenhauses unter dem Titel der längerfristigen Hilfe vom Bestehen einer weiterdauernden und konkreten Bedrohungslage abhängig machte. Der Beschwerdeführerin ist nicht zu folgen, wenn sie vorbringt, dass ein Anspruch auf Übernahme der Kosten eines Aufenthalts im Frauenhaus selbst dann zu bejahen sei, wenn zwar eine Bedrohungssituation fehle, der Frauenhausaufenthalt jedoch der Stabilisierung des gesundheitlichen Zustandes diene. Denn gemäss Art. 14 Abs. 1 OHG besteht ein Anspruch lediglich auf infolge der Straftat notwendige, angemessene und verhältnismässige Massnahmen. Die gestützt auf das OHG erfolgende Finanzierung eines Frauenhausaufenthaltes lässt sich im Rahmen der längerfristigen Hilfe daher nicht alleine mit einer Stabilisierung des psychischen Gesundheitszustandes rechtfertigen. In Würdigung der gesamten Akten ist für die Zeit nach 21 Tagen eine konkrete Bedrohungssituation, welche einen Aufenthalt der Beschwerdeführerin in einem Frauenhaus rechtfertigen würde, nicht mit dem massgebenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ausgewiesen.
OH.2010.00004: [Kostengutsprache für eine stationäre medizinische Notfallbehandlung] Das Opfer einer Straftat besitzt grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen gegenüber dem Staat. Dieser muss seine Leistungen jedoch nur dann erbringen, wenn keine Vorleistungspflicht eines ersatzpflichtigen Dritten besteht oder dieser nur ungenügende Leistungen erbringt (Peter Gomm, OHG-Kommentar, 3. Aufl., Bern 2009, Art. 4 N 1). Wie die Opferhilfe ist auch die Sozialhilfe subsidiärer Natur. Bei dieser Rechtslage fällt es nicht leicht, abstrakt zu bestimmen, welche Hilfe der anderen vorgeht. Es ist daher in erster Linie auf die konkreten Umstände abzustellen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5; Urteil des Bundesgerichts in Sachen F. T. vom 26. Januar 2001, 1A.249/2000, publiziert in Praxis 2001 Nr. 112 S. 653 ff., Erw. 4c). Das Bundesgericht stellte in BGE 125 II 230 zum Verhältnis familienrechtlicher Kindesschutzmassnahmen zur Opferhilfe fest, dass, soweit wirksame Hilfe durch andere Institutionen geleistet werde, es nicht dem Zweck des Opferhilfegesetzes entspreche, diese Leistungen zurückzudrängen (BGE 125 II 230 Erw. 3 d S. 236). Nach Gomm gehen Leistungen der Opferhilfe Sozialhilfeleistungen dagegen im Grundsatz vor, weil Erstere gerade dazu dienen sollen, dem Opfer den Gang auf das Sozialamt zu ersparen. Sozialhilfeleistungen liegen ausserhalb der Entschädigungs- und Hilfssysteme, die bezogen auf die Straftat einen Schadenausgleich bewirken sollen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5). Die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichts betrifft den Fall, dass durch das zuständige Gemeinwesen nach den Bestimmungen der Sozialhilfe bereits Kostengutsprache erteilt und Leistungen ausgerichtet wurden. In diesem Fall besteht gemäss Bundesgericht keine Notwendigkeit für eine nachträgliche Unterstützung des Opfers durch Anordnungen der Opferhilfe. Demgegenüber sind vorliegend die angefallenen Kosten der notfallmässigen Behandlung des Beschwerdeführers im Y.___ vorliegend nach wie vor offen. Nach Lehre und Rechtsprechung stehen Sozialhilfeleistungen ausserhalb der Entschädigungs- und Hilfssysteme, die bezogen auf eine Straftat einen Schadenausgleich bewirken sollen (Gomm, OHG-Kommentar, Art. 4 N 5, BGE 131 II 217 Erw. 2.5 S. 223). Die angefallenen Behandlungskosten sind daher, da im Übrigen sämtliche Voraussetzungen nach OHG erfüllt sind, als notwendige medizinische Soforthilfe nach Art. 13 Abs. 1 und 3 OHG vom Beschwerdegegner zu übernehmen (E. 3).
Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich:
VB.2008.00067: Gesetzliche Grundlagen der Opferhilfe (E. 2.1) und der subsidiären Kostengutsprache (E. 2.2). Das Gesuch um subsidiäre Kostengutsprache wurde rechtzeitig gestellt (E. 4.1). Es war in erster Linie Aufgabe der Opferhilfe abzuklären, welcher Hilfe die betroffene Frau bedurfte und allfällige Kosten zu übernehmen. Dies kann die Sozialbehörde jedoch nicht als Argument gegen ihre eigene Zuständigkeit zur subsidiären Kostengutsprache anführen. Ein umfassendes Mitspracherecht der Sozialbehörde bezüglich Aufenthaltsort und -dauer sowie Kostenlimite besteht nur bei Kostengutsprachen betreffend planbare Ausgaben (E. 4.2). Die Notwendigkeit eines länger dauernden Aufenthalts im Frauenhaus zeichnete sich bereits im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Entscheids ab. Die von der Sozialbehörde angebotenen Ersatzmassnahmen (Notwohnung und Betreuung durch Sozialarbeiter) hätten nicht genügt (E. 4.3). Der Einwand, der Frauenhausaufenthalt falle nicht unter die Nothilfe im Sinn von Art. 12 BV, geht fehl (E. 4.4). Es fragt sich, in welchem Zeitpunkt und wie detailliert die Mittellosigkeit der betroffenen Frau im Zeitpunkt der Gewährung der subsidiären Kostengutsprache für eine bereits begonnene Behandlung bzw. Unterbringung abzuklären ist, da über solche Gesuche in der Regel sehr rasch entschieden werden muss (E. 4.5).
Praxishilfen
Informationen nach OHG und Leitfaden Kindswohlgefährdung
- Opferhilfe
- Hilfeleistungen
- Opferberatung
- Opferberatungsstellen im Kanton Zürich für Kinder und Jugendliche
- Beistandschaft zur Vertretung von Kindern in Straf- und Opferhilfeverfahren | AJB
- Leitfaden Kindeswohlgefährdung für Fachpersonen | Kindesschutzkommission, AJB, 2019
- SKOS Grundlagenpapier - Opferhilfe und Sozialhilfe | SKOS & SODK, 2018
Kontakt
Kantonales Sozialamt - Abteilung Öffentliche Sozialhilfe