Rückerstattung von rechtmässig bezogenen Leistungen wegen Realisierung von Vermögenswerten

Details

Kapitelnr.
15.2.04.
Publikationsdatum
1. Juli 2012

Rechtsgrundlagen

§ 27 Abs. 1 SHG

Erläuterungen

1.Allgemeines

Nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG kann rechtmässig bezogene wirtschaftliche Hilfe ganz oder teil-weise zurückgefordert werden, wenn die Voraussetzungen zur Rückerstattung nach § 20 SHG erfüllt sind. Es geht hier also um geht Vermögensbestandteile, welche der unterstützten Person im Zeitpunkt der Hilfeleistung bereits zustanden, die aber nicht realisierbar waren (vgl. dazu Kapitel 9.2.02). Fällt die Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Verwertung da-hin, kann die Rückerstattung der ausgerichteten wirtschaftlichen Hilfe verlangt werden. Eine Rückerstattung nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG setzt nicht voraus, dass die unterstützte Person eine Rückerstattungsverpflichtung unterzeichnet hat, denn die Unterzeichnung einer solchen Verpflichtung ist nur «in der Regel» verlangt und erleichtert in erster Linie die Durch-setzung einer in Frage stehenden Rückerstattung. Sie bildet also nicht Gegenstand der Vo-raussetzungen einer Rückerstattung, sondern erleichtert die Durchsetzung. Unerheblich für die Rückerstattungsforderung ist, ob die unterstützte Person im Zeitpunkt der Rückforderung nach wie vor in günstigen Verhältnissen ist oder nicht. Realisiert sie also ih-ren Vermögensanspruch und gibt sie die dadurch erworbenen Mittel sogleich wieder aus (z.B. zur Tilgung von Schulden), so hat dies keinen Einfluss auf die Rückerstattungsforde-rung. Auch in einem solchen Fall kann also eine Rückerstattung verfügt werden. Die tatsäch-lichen Vermögensverhältnisse können aber in einem allfälligen Stundungs- oder Erlassver-fahren (vgl. Kapitel 15.4.02) berücksichtigt werden. Zur Abgrenzung zu einer Rückerstattung nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG (günstige Verhältnisse) vgl. Kapitel 15.2.03, Ziff. 3).

2.Unmündige

Rückerstattungspflichtig ist generell, wer selbst wirtschaftliche Hilfe bezogen hat. § 20 SHG spricht in offener Weise von hilfesuchenden Personen und schliesst damit auch Unmündige ein. § 27 Abs. 3 SHG bestimmt zwar, dass während der Unmündigkeit oder bis zum Ab-schluss einer in dieser Zeit begonnen Ausbildung bezogene wirtschaftliche Hilfe nicht rückerstattet werden muss. Zweck dieser Bestimmung ist es zu verhindern, dass Unmündige oder Personen in Ausbildung später Nachteile erleiden, weil sie in eine für sie unvermeidbare Abhängigkeit geraten waren. § 27 Abs. 3 SHG will also den Eintritt eines späteren Nachteils ausschliessen. Im Falle einer bevorschussenden wirtschaftlichen Hilfe besteht der Nachteil aber bereits von Anfang an, indem schon bei Beginn der Unterstützung feststeht, dass die

wirtschaftliche Hilfe später gegebenenfalls zurückerstattet werden muss. Gestützt auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG kann daher auch von Personen, die als Unmündige bevorschussend unter-stützt wurden, die Rückerstattung verlangt werden (vgl. Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2003, VB.2003.00263).

3.Freibetrag

Personen, die über (noch) nicht realisierbares Vermögen verfügen, sollen gleich behandelt werden wie Personen, deren Vermögenswerte realisierbar sind. Bei einer Rückerstattung nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG ist daher dem Rückerstattungspflichtigen gleich wie dem Berech-tigten bei der Gewährung von wirtschaftlicher Hilfe ein Vermögensfreibetrag gemäss den Empfehlungen der SKOS-Richtlinien, Kapitel E.2.1, zu belassen, also Fr. 4'000.-- für eine Einzelperson, Fr. 8'000.-- für Ehepaare bzw. eingetragene Partner und Partnerinnen und für jedes minderjährige Kind Fr. 2'000.--.

Rechtsprechung

VB.2011.00461: Fliessen einem Sozialhilfebezüger erhebliche Vermögenswerte zu, so kommt als Anspruchsgrundlage für eine Rückforderung bezogener Hilfeleistungen einerseits § 27 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 SHG infrage, andererseits § 27 Abs. 1 lit. b SHG. Nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG richtet sich die Rückforderung dann, wenn bereits vor dem Vermögensanfall ein – noch nicht realisierbarer – Anspruch auf den betreffenden Ver-mögenswert bestand (Beispiel: Anspruch auf die Erbschaft eines verstorbenen Erblassers). Auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG stützt sich der Rückforderungsanspruch hingegen dann, wenn bis zum Zeitpunkt des Vermögenszuflusses kein Anspruch auf die betreffenden Vermögenswer-te bestand (Beispiel: Anwartschaft auf Erbschaft eines noch nicht verstorbenen Erblassers). Die Unterscheidung der Anspruchsgrundlage ist insofern von Bedeutung, als der zu gewäh-rende Vermögensfreibetrag im Zusammenhang mit Rückforderungen nach § 27 Abs. 1 lit. c SHG Fr. 4'000.-- beträgt, bei Ansprüchen nach § 27 Abs. 1 lit. b SHG hingegen der Vermö-gensfreibetrag gemäss Ergänzungsleistungsrecht, derzeit Fr. 25'000.-- (E. 5.2). Im vorlie-genden Fall hatte die Beschwerdeführerin bis zur Einreichung des Scheidungsbegehrens le-diglich eine Anwartschaft auf die güterrechtliche Vorschlagsbeteiligung. Die Rückerstattungs-forderung der im April 2008 realisierten Vermögenswerte stützt sich für diesen Zeitraum demnach nicht auf § 27 Abs. 1 lit. c SHG, sondern auf § 27 Abs. 1 lit. b SHG, sodass ein Vermögensfreibetrag von Fr. 25'000.-- zu gewähren ist (E. 5.4). Für den Zeitraum nach Ein-reichung des Scheidungsbegehrens hingegen stützt sich der Rückerstattungsanspruch auf § 27 Abs. 1 lit. c SHG (E. 5.5.). VB.2011.00335: Die Beschwerdeführerin verfügte zu Beginn ihrer Sozialhilfeabhängigkeit überVermögenswerte in erheblichem Umfang in Form einer unverteilten Erbschaft, deren Realisierung ihr zunächst nicht möglich war und zu deren Rückerstattung sie nach der Reali-sierung (Erbteilung) verpflichtet war. Sie wurde von 1994 bis 2000 wirtschaftlich unterstützt. Nachdem sie 2010 mehr als Fr. 200'000.-- geerbt hatte, wurde sie zu Recht zur Rückzahlung von Fürsorgeleistungen in der Höhe von rund Fr. 116'000.-- verpflichtet. Nicht massgebend ist, in welchem Umfang sie das geerbte Geld bereits wieder ausgegeben hat (E. 4.1) und ob

die Erbschaft insgesamt zu einer nachhaltigen Verbesserung ihrer finanziellen Verhältnisse geführt hat (E. 4.2). Die Rückerstattungsforderung betrifft teilweise Sozialhilfeleistungen, die vor mehr als 15 Jahren ausgerichtet wurden; sie ist aber noch nicht verjährt, da die Be-schwerdeführerin 1994 eine Rückerstattungsverpflichtung unterzeichnet hatte (E. 4.3). VB.2003.00263: Die Beschwerdeführerin verfügte während der wirtschaftlichen Unterstüt-zung über einen nicht realisierbaren erheblichen Vermögenswert in Form einer unverteilten Erbschaft (E. 5a). Im vorliegenden Fall war die unmündige Beschwerdeführerin Bezügerin der wirtschaftlichen Hilfe (E. 5b/aa). Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Fürsorgebehör-de die wirtschaftliche Hilfe unter Verzicht auf ein Rückforderungsrecht erbracht hat (E. 5b/bb). Zu Recht beanstandet die Beschwerdeführerin, dass die Fürsorgebehörde vor der Rückerstattungsverfügung nicht die Zustimmung der Vormundschaftsbehörde zur Anzehrung des Kindesvermögens eingeholt hat (E. 5b/cc und 5c). Im vorliegenden Fall ist die Be-schwerdeführerin mit dem Einwand, sie hätte sich in guten Treuen darauf verlassen dürfen, dass die wirtschaftliche Hilfe à fonds perdu bezahlt wurde, zuzulassen (E. 6a). Die Fürsorge-behörde erweckte anfangs tatsächlich den Eindruck, dass sie die wirtschaftliche Hilfe à fonds perdu leistete (E. 6b). Eine solche Vertrauensgrundlage besteht aber nicht für den gesamten Unterstützungszeitraum (E. 6c und 6d). Eine Rückforderung scheidet ausserdem in dem Um-fang aus, in welchem die Eltern zur Finanzierung hätten herangezogen werden können (E. 7). VB.2002.00431: Keine formelle Voraussetzung der Rückerstattung nach § 27 Abs. 1 zweiter Satzteil aSHG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 SHG bildet nach Wortlaut und Sinn dieser Be-stimmung das Vorliegen einer unterzeichneten Rückerstattungsverpflichtung. Denn das Un-terzeichnen einer solchen Verpflichtung ist nur "in der Regel" verlangt und erleichtert in ers-ter Linie die Durchsetzung einer in Frage stehenden Rückerstattung. Sie bildet insoweit nicht Gegenstand der Voraussetzungen einer Rückerstattung, sondern gehört zu den Durchfüh-rungsmodalitäten (RB 1999 Nr. 82). Namentlich wird damit der Einwand des Pflichtigen aus-geschlossen, er habe mit einer Rückerstattung nicht rechnen müssen und sich in guten Treuen darauf verlassen dürfen, dass die wirtschaftliche Hilfe à fonds perdu bezahlt werde (E. 1a; vgl. auch VB.2000.00267, E. 3d).

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