Leistungseinstellung - Verletzung der Subsidiarität

Kapitelnr.
14.3.02.
Publikationsdatum
1. März 2021
Kapitel
14 Auflagen, Leistungskürzung als Sanktion und Leistungseinstellung
Unterkapitel
14.3. Leistungseinstellung und Nichtgewähren von Leistungen
Titel
Leistungseinstellung - Verletzung der Subsidiariatät

Rechtsgrundlagen

Erläuterungen

1.Verzicht auf Erwerbs- oder Ersatzeinkommen

Art. 12 der Bundesverfassung (BV; SR 101) wie auch das Sozialhilfegesetz knüpfen den Anspruch auf finanzielle Unterstützung an eine Notlage. Unerheblich dabei ist es, ob es der zu unterstützenden Person rechtlich verwehrt ist, die nötigen Mittel selbst zu beschaffen oder es ihr faktisch unmöglich ist. Keinen Anspruch auf Sozialhilfe (bzw. Nothilfe gemäss Art. 12 BV) hat eine Person, die objektiv in der Lage wäre, sich mit der Annahme einer ihr zumutbaren Arbeit (also aus eigener Kraft) oder mit der Geltendmachung eines ihr zustehenden Ersatzeinkommens die für das Überleben notwendigen Mittel selbst zu verschaffen. Wer eine ihm angebotene, zumutbare Arbeit ablehnt, oder es versäumt, ein Ersatzeinkommen zu beanspruchen, wäre in der Lage, seine Existenz ganz oder zumindest teilweise zu sichern und sich in diesem Umfang selber zu helfen. Da sie sich aus eigener Kraft die notwendigen Mittel beschaffen könnte, mangelt es an der Voraussetzung für den Bezug von Sozialhilfe oder Nothilfe. Dies entspricht konstanter Praxis des Bundesgerichts (in Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Eigenverantwortung). Es ist in diesem Fall zulässig, das entgangene Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen als hypothetisches Einkommen an die Unterstützungsleistung anzurechnen. Die Leistungen werden in diesem Umfang entzogen (vgl. SKOS-Richtlinien, Kapitel F.3).

2.Voraussetzung für die Leistungseinstellung bzw. die Leistungsverweigerung

Eine teilweise oder gänzliche Einstellung bzw. Verweigerung von Unterstützungsleistungen für die Grundsicherung stellt eine einschneidende Massnahme dar. Sie ist bei einer Verletzung der Subsidiarität (vgl. Kapitel 5.1.03) zulässig, wenn die unterstützte Person sich in Kenntnis der Konsequenzen weigert, eine ihr mögliche, zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit anzunehmen (vgl. dazu SKOS-Richtlinien, Kapitel F.3 Abs. 3 lit. b)). Gleiches gilt, wenn sich die unterstützte Person weigert, einen ihr zustehenden, bezifferbaren und durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Ersatzeinkommen geltend zu machen, wodurch sie in der Lage wäre, ganz oder teilweise für sich selber zu sorgen (vgl. dazu SKOS-Richtlinien, Kapitel F.3 Abs. 3 lit. c)).

Das Subsidiaritätsprinzip findet aber nur direkte Anwendung, wenn an der Bedürftigkeit grundsätzliche und begründete Zweifel bestehen. Personen, welche durch die Sozialbehörde in den zweiten Arbeitsmarkt vermittelt werden, sind in der Regel bedürftig. Eine (teilweise) Einstellung der Leistungen kann nicht direkt gestützt auf den Grundsatz der Subsidiarität erfolgen, sondern hat nach dem Willen des kantonalen Gesetzgebers und der Gesetzessystematik den Vorgaben von § 24a SHG zu genügen. Dies hat das Verwaltungsgericht in Anpassung seiner Rechtsprechung in VB.2017.00487 entschieden. Es müssen in diesen Fällen daher die Verfahrensschritte einer Leistungseinstellung als Sanktion vorgenommen werden (vgl. Kapitel 14.3.01).

3.Umfang des Leistungsentzugs

Die betroffene Person ist im Umfang des erzielbaren (Ersatz-)Einkommens nicht bedürftig. Dies gilt in Anwendung des Subsidiaritätsprinzips (vgl. Kapitel 5.1.03). Würde durch eine abgelehnte Arbeit oder durch ein ausgeschlagenes Ersatzeinkommen lediglich ein Einkommen erzielt, welches unter dem absoluten Existenzminimum liegt, so ist ein teilweiser Leistungsentzug bzw. eine teilweise Leistungseinstellung zu verfügen. Im Umfang der Differenz zwischen dem Bedarf und der teilweisen Leistungseinstellung ist weiterhin Sozialhilfe auszurichten.

Rechtsprechung

Bundesgericht:

Bundesgerichtsurteil 8C_536/2015 vom 22. Dezember 2015: E.2.2, 2. Absatz: (…) Genügen die angebotenen Tätigkeiten dem Begriff der «zumutbaren Arbeit» im Sinne der Gesetzgebung über die Arbeitslosenversicherung, verstossen sie nicht gegen das Verbot der Zwangs- oder Pflichtarbeit. Dabei ist nicht erforderlich, dass das erzielte Einkommen den Betrag der Unterstützungsleistung übertrifft, da im Bereich der Sozialhilfe auch die Ergänzung eines nicht existenzsichernden Einkommens durch Unterstützungsleistungen sinnvoll erscheint (BGE 130 I 71 E. 5.3 und 5.4 S. 77 f.). Die Verpflichtung zur Teilnahme an Beschäftigungsprogrammen verstösst daher grundsätzlich nicht gegen das Verbot des Arbeitszwangs (GUIDO WIZENT, Die sozialhilferechtliche Bedürftigkeit, 2014, S. 88 f.).

BGE 139 I 218: Die Ausrichtung materieller Hilfe darf mit der Auflage verbunden werden, einen zeitlich befristeten Arbeitseinsatz an einem sog. Testarbeitsplatz zu leisten (E. 4.2). Diese Massnahme ist weder unverhältnismässig noch stellt sie eine Verletzung der persönlichen Freiheit dar (E. 4.3). Der Einsatz am Testarbeitsplatz ist als zumutbare Arbeit zu betrachten (E. 4.4). Hat die betroffene Person die Möglichkeit, die Stelle jederzeit anzutreten und ermöglicht ihr die Teilnahme ein existenzsicherndes Erwerbseinkommen, können die finanziellen Unterstützungsleistungen für die vorgesehene Dauer des Einsatzes vollständig eingestellt werden (E. 5). Es verstösst nicht gegen Bundesrecht, wenn die Ausrichtung materieller Hilfe mit der Auflage verbunden wird, einen zeitlich befristeten Arbeitseinsatz an einem Testarbeitsplatz zu leisten. Dabei darf auch in Kauf genommen werden, die betreffende Person durch diese Tätigkeit zeitweise zu unterfordern.

Verwaltungsgericht:

VB.2019.00570: Das Subsidiaritätsprinzip findet nur direkte Anwendung, wenn an der Bedürftigkeit der betroffenen Person grundsätzliche und begründete Zweifel bestehen. Dies ist bei Personen, die einem Arbeitsprogramm im zweiten Arbeitsmarkt zugewiesen werden, nicht der Fall. Da die Beschwerdeführerin einem Arbeitsprogramm im zweiten Arbeitsmarkt zugewiesen wurde, kann die Leistungseinstellung nicht auf eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips gestützt werden (E. 5.1.5 und 5.3). Darüber hinaus ergibt sich aus den bei den Akten liegenden Arztzeugnissen ohnehin nicht zweifelsfrei, ob die Beschwerdeführerin im entsprechenden Zeitraum tatsächlich arbeitsfähig und ihr die Aufnahme der Arbeit zumutbar gewesen war (E. 5.4).

VB.2019.00273: Leistungseinstellung wegen Verletzung des Subsidiaritätsprinzips: Der Beschwerdegegner 1 kann als Rentner nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verpflichtet werden. Er hat zweimal ein Gesuch um Zusatzleistungen zur AHV-Rente gestellt und ist damit seiner Pflicht zur Geltendmachung eines Ersatzeinkommens hinreichend nachgekommen (E. 4.1). Der Lohn der Beschwerdegegnerin 2 entspricht nicht den Empfehlungen der Branche und ist nicht existenzsichernd. Die Beschwerdegegnerin 2 wurde deshalb beim RAV angemeldet mit dem Hinweis, sie arbeite als Tagesmutter und suche eine normal bezahlte Arbeitsstelle. Wenig später meldete sie das RAV wieder ab, weil die Beschwerdegegnerin 2 bereits eine Anstellung habe und deshalb nicht vermittlungsfähig sei. Damit kann der Beschwerdegegnerin 2 nicht vorgeworfen werden, sie habe ein Ersatzeinkommen - das Arbeitslosentaggeld - nicht geltend gemacht. Auch dass sie eine ihr konkret zur Verfügung stehende Arbeitsstelle ausgeschlagen habe, ist aus den Akten nicht ersichtlich (E. 4.2). Die Beschwerdegegnerschaft hat sich bemüht, ein mögliches Ersatzeinkommen (Arbeitslosentaggeld, Zusatzleistungen zur AHV-Rente) geltend zu machen. Dass dies nicht erfolgreich war, kann ihr nicht vorgehalten werden (E. 4.3). Mangels vorgängiger, rechtskräftiger Kürzung lässt sich die Leistungseinstellung auch nicht auf § 24a Abs. 1 SHG stützen (E. 5.1). Auch eine Kürzung kommt nicht infrage, da die Beschwerdegegnerschaft die verfügten Auflagen nicht verletzt hat (E. 5.2).

VB.2018.00145: Wirtschaftliche Hilfe bei Einstelltagen der Arbeitslosenkasse.
Die Sozialhilfebehörde trat aufgrund einer von der Arbeitslosenkasse verfügten Einstellung auf das erneute Unterstützungsgesuch des Beschwerdegegners, welcher bereits ca. ein halbes Jahr zuvor Sozialhilfe bezog, nicht ein, da er die Einstelltage selbst verschuldet habe. Die Vorinstanz hob den Nichteintretensentscheid als unrechtmässig auf und wies die Beschwerdeführerin an, auf das Gesuch einzutreten und es ordentlich zu prüfen.
Die Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdegegner auf die Geltendmachung eines Ersatzeinkommens - verschuldet oder unverschuldet - verzichtet haben soll und somit eine Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes vorliege, ist keine Eintretensvoraussetzung. Vielmehr ist die Bedürftigkeit im Rahmen der Sachverhaltsabklärung zu ermitteln und das Gesuch gegebenenfalls mangels Bedürftigkeit abzuweisen. Der Anspruch auf Sozialhilfe ist selbst dann zu prüfen, wenn Leistungen, die der Sozialhilfe aufgrund des Subsidiaritätsprinzips grundsätzlich vorgehen würden, wegen eines Verschuldens des Gesuchstellers verweigert wurden. Mit dem Nichteintretensentscheid hat die Beschwerdeführerin bereits die Prüfung des Gesuchs verweigert (E. 4.2).

VB.2018.00230: Anrechnung eines hypothetischen Einkommens (teilweise Leistungseinstellung):
Die Leistungseinstellung als Sanktion setzt zunächst voraus, dass die betroffene Person mit einem Auflagenbeschluss aufgefordert wurde, eine zumutbare Arbeit anzunehmen bzw. ein ihr zustehendes Ersatzeinkommen geltend zu machen. Auflagen und Weisungen, die auf eine Verbesserung der Lage des Hilfeempfängers abzielen, müssen als anfechtbare Anordnungen in Verfügungsform und somit schriftlich und unter Androhung der Leistungskürzung erlassen werden (E. 3.1). Die Auflage, am Taglohnprogramm teilzunehmen, erfolgte lediglich mündlich. Dies genügt den formellen Voraussetzungen für den Erlass einer Auflage nicht. Die weiteren Ermahnungen, am Taglohnprogramm teilzunehmen, erfolgten zwar schriftlich, jedoch waren die Schreiben weder als Verfügung bezeichnet noch enthielten sie eine Rechtsmittelbelehrung. Von der nicht rechtskundigen und nicht anwaltlich vertretenen Beschwerdeführerin konnte nicht erwartet werden, dass sie den Verfügungscharakter dieser Schreiben erkenne. Damit wurde die Auflage formell nicht korrekt angeordnet (E. 3.2). Die teilweise Leistungseinstellung erweist sich insofern als nicht rechtmässig, müssen doch die Voraussetzungen von § 24a Abs. 1 SHG für eine (teilweise) Leistungseinstellung kumulativ erfüllt sein (E. 3.3).

VB.2017.00509: E.2.7: Die Beschwerdeführerin hatte wegen ihrer Arbeitsverweigerung im Projekt C im 2014/2015 bereits eine Leistungskürzung gemäss § 24 Abs. 1 lit. a SHG hinzunehmen (§ 24a Abs. 1 lit. a und b SHG). Mit Beschluss vom 11. März 2016 war ihr wegen der anhaltenden Weigerung die Teileinstellung der Leistungen im Umfang ihres Grundbedarfs von Fr. 755.- angedroht worden (§ 24a Abs. 1 lit. c SHG). Die Beschwerdeführerin nahm in der Folge nicht teil und der Grundbedarf wurde ihr nicht mehr ausbezahlt. Mit Beschluss vom 15. April 2016 erfolgte die Androhung der Einstellung der Leistungen im Umfang des Grundbedarfs und des Mietanteils von insgesamt Fr. 1'355.- monatlich (§ 24a Abs. 1 lit. c SHG). Am 5. Juli 2016 wurde ihr detailliert vorgerechnet, wie die Leistungen ab August 2016 voraussichtlich aussehen werden, wenn sie sich weiterhin weigern würde, im Projekt C zu arbeiten. Am 14. Juli 2016 verfügte die Beschwerdegegnerin die Einstellung der Leistungen im Umfang von Fr. 1'355.- monatlich. Die Beschwerdegegnerin hat damit das gesetzlich vorgegebene Verfahren zur Einstellung von Sozialhilfeleistungen eingehalten. Da die Leistungseinstellung bis zur Höhe des Einkommens (vorliegend Fr. 1'600.-), das die Beschwerdeführerin wegen ihres Verhaltens nicht erzielt, erfolgen darf, war es zulässig, gestützt auf Art. 24a Abs. 1 SHG und wegen der Verletzung der Subsidiarität sowohl den Grundbedarf als auch den Mietanteil zu kürzen bzw. nicht mehr auszuzahlen.

VB.2017.00487: Aufgrund des Grundsatzes der Subsidiarität haben Personen, welchen anderweitige Vermögenswerte zur Verfügung stehen oder die ein konkret bestehendes Stellenangebot ausschlagen, von vornherein keinen Anspruch auf wirtschaftliche Hilfe. Personen, welche durch die Sozialbehörde in den zweiten Arbeitsmarkt vermittelt werden, sind in der Regel bedürftig. Eine (teilweise) Einstellung der Leistungen kann nicht direkt gestützt auf den Grundsatz der Subsidiarität erfolgen, sondern hat nach dem Willen des kantonalen Gesetzgebers und der Gesetzessystematik den Vorgaben von § 24a SHG zu genügen (E. 4.3, Präzisierung der Rechtsprechung). Demnach ist die Weisung zur Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm vorgängig zu erlassen und eine Kürzung bei Verletzung der Weisung anzudrohen (§ 24 SHG). Erst nach erfolgter Kürzung gemäss § 24 SHG kann eine (teilweise) Einstellung der wirtschaftlichen Hilfe nach § 24a SHG erfolgen (E. 4.4 f.). Vorliegend war mangels Erfüllung dieser Voraussetzung weder eine Teileinstellung noch eine Kürzung der wirtschaftlichen Hilfe zulässig (E. 4.5.3).

VB.2017.00282: Bestehen Zweifel an der Bedürftigkeit einer Person, kann bei laufender Unterstützung eine sofortige Leistungseinstellung oder Teileinstellung gerechtfertigt sein. Diese Folge stützt sich nicht auf § 24a Abs. 1 SHG, sondern auf den Grundsatz der Subsidiarität in der Sozialhilfe. In diesem Fall rechtfertigt sich der Schluss, es liege keine Notlage gemäss § 14 SHG, jedenfalls nicht im Sinn von Art. 12 BV vor. Wem es faktisch und rechtlich möglich ist, die Mittel für ein menschenwürdiges Dasein selbst zu beschaffen, ist nicht bedürftig und damit nicht auf Unterstützung angewiesen (E. 2.3). Die ihm zugewiesene Arbeit ist nicht ursächlich für die Fussbeschwerden des Beschwerdeführers (E. 4.2). Die zugewiesene Arbeit erweist sich als zumutbar. Schlägt der Beschwerdeführer diese ihm konkret zur Verfügung stehende entlöhnte Erwerbstätigkeit aus, besteht in diesem Umfang keine Bedürftigkeit und ist die Teileinstellung der Sozialhilfeleistungen zulässig (E. 4.3).

VB.2016.00428: E.4.1 Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die ihm zumutbare und konkret zur Verfügung stehende Arbeit in der Sozialfirma C nicht aufgenommen zu haben. Da sich auch aus den Akten sich nichts anderes ergibt, ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Tätigkeit in der Sozialfirma C sowohl auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers als auch auf seine persönliche Situation und Fähigkeiten Rücksicht nimmt und es sich somit um eine zumutbare Arbeit handelt. Sodann stand ihm diese Tätigkeit konkret zur Verfügung, hätte doch sofort ein Arbeitsvertrag abgeschlossen werden können, wäre beim Beschwerdeführer wenigstens ein «kleiner Funke Motivation» spürbar gewesen.

Zutreffend hat die Vorinstanz daraus im Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung die Schlussfolgerung gezogen, dass in diesem Rahmen (Fr. 900.-/Monat) keine Bedürftigkeit bestehe und eine Teileinstellung der Sozialhilfeleistungen zulässig sei. Die Auffassung, bei Ablehnung zumutbarer Arbeit fehlten nicht die Anspruchsvoraussetzungen, sondern seien – gestützt auf eine gesetzliche Grundlage sowie nach Massgabe des Verhältnismässigkeitsprinzips – lediglich Sanktionen, beispielsweise in Form (befristeter) Leistungskürzungen, zulässig, ohne dass der absolut geschützte, unerlässliche Existenzbedarf im Sinn von Art. 12 BV angetastet werde dürfe, wurde in BGE 130 I 71 E. 4.3 mit dem Hinweis auf den auch im Bereich des Sozialhilferechts geltenden Grundsatz der Subsidiarität bzw. des Vorrangs der Selbsthilfe ausdrücklich verworfen (BGE 139 I 218 E. 3.4). Daraus folgt, dass es sich bei der Auflage des Gemeinwesens, eine zumutbare Arbeit aufzunehmen, nicht um eine reine Pflicht, sondern um eine Anspruchsvoraussetzung für die vom Staat erbrachte Leistung handelt (BGE 139 I 218 E. 3.3 und 3.5; BGE 133 V 353 E. 4.2; VGr, 23. April 2015 VB.2015.00022, E. 3.2, mit weiteren Hinweisen; Claudia Hänzi, Die Richtlinien der schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe, Basel 2011, S. 85 f.). Der Beschwerdeführer, der die Annahme einer ihm zumutbaren und konkret zur Verfügung stehenden Arbeit ausschlug, hat folglich zumindest in Umfang des ausgeschlagenen Lohns keinen Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Nothilfe im Sinn von Art. 12 BV.

Dass der Beschwerdeführer in derselben Zeitperiode mit anderen entlöhnten Tätigkeiten mehr Einnahmen generiert hat, als er in der Sozialfirma C erhalten hätte, bestätigt gerade, dass er sehr wohl in der Lage ist, sich – durch Annahme einer zumutbaren Arbeit – aus eigener Kraft die für seinen Lebensunterhalt erforderlichen Mittel zumindest teilweise selber zu verschaffen. Indem er anderweitig Einnahmen generierte, kam er seiner Pflicht zur Minderung der eigenen Bedürftigkeit nach (vgl. auch § 3 Abs. 2, § 3b Abs. 1 SHG). Diese lässt sich vor allem aus dem Grundsatz der Subsidiarität und letztlich aus der Eigenverantwortung ableiten. Sozialhilfe ist ausdrücklich subsidiär gegenüber der Nutzung und Verwertung der eigenen Arbeitskraft.

VB.2015.00634: Verpflichtung an einem Integrationsprogramm teilzunehmen. Die fallführende Gemeinde teilte die Grundbedarfsleistungen in die Anzahl Arbeitstage auf und bestimmte, dass deren Auszahlung nur bei morgendlichem Erscheinen zur Arbeit erfolgen werde. Erscheine die unterstützte Person nicht oder unpünktlich, verzichte sie auf Einkommen, und es erfolge keine Nachzahlung. Komme es zu unentschuldigten Absenzen oder Teilnahmeverweigerung, würden die Leistungen eingestellt. Die Vorinstanz hielt zu Recht fest, dass die Aufteilung des Grundbedarfs auf die Anzahl der monatlichen Arbeitstage eine (teilweise) Einstellung der Sozialhilfeleistungen in Bezug auf die vom Beschwerdegegner unentschuldigt nicht geleisteten Einsätze darstelle. Entgegen ihrer Ansicht war eine solche jedoch zulässig: Dem Beschwerdegegner wäre zwar kein eigentliches «Erwerbseinkommen», sondern via Arbeitgeber Gelder der Sozialhilfe ausbezahlt worden. Dies ändert jedoch nichts daran, dass mit der Teilnahme am Integrationsprogramm für den Beschwerdegegner tatsächlich die Möglichkeit bestanden hätte, Einnahmen zu erzielen und in diesem Umfang die Möglichkeit für sich selber zu sorgen, während er bei (unentschuldigtem) Nichterscheinen bzw. unpünktlichem Erscheinen in Verletzung des Subsidiaritätsprinzips jedenfalls faktisch auf die Realisierung eines Einkommens verzichtete. Zudem waren die formellen Voraussetzungen von Art. 24a Abs. 1 SHG erfüllt (E. 4.2).

VB.2015.00022: Einstellung der wirtschaftlichen Leistungen nach Nichtbefolgen einer Weisung zu einer 50%-Tätigkeit in einem Beschäftigungsprogramm.
Dem seit mehreren Jahren von der Fürsorge abhängigen Beschwerdeführer wurde die Weisung erteilt, zu 50 % in einem Beschäftigungsprogramm an einem auf seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen angepassten Schonarbeitsplatz zu arbeiten. Die Beschwerdegegnerin stützte sich dafür auf einen Bericht des Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD), von welchem sie die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers hatte abklären lassen.
Der Beschwerdeführer machte geltend, er sei nicht bzw. höchstens zu 20 % arbeitsfähig. Es sei ein unabhängiges externes Gutachten über seine Arbeitsfähigkeit einzuholen, da der RAD befangen sei, weil dieser bereits eine Untersuchung im Rahmen seines (abgewiesenen) IV-Gesuchs vorgenommen hatte. Es liegen jedoch keine Anhaltspunkte für eine Befangenheit vor (E. 5). Die Beschwerdegegnerin durfte sich - zumindest für eine Beschäftigung im Umfang von 50 % - auf den RAD-Bericht abstützen, da die vom Beschwerdeführer beigebrachten ärztlichen Berichte keine Zweifel am RAD-Bericht entstehen liessen (E. 6). Ein weiteres Gutachten ist nach der Beweiswürdigung des RAD-Berichts in Berücksichtigung der Gesamtumstände nicht nötig. Die Weisung, zu 50 % zu arbeiten, sowie die Einstellung der Leistungen nach Missachtung dieser Weisung waren somit rechtmässig (E. 6.10).

VB.2013.00150: Die Leistungseinstellung wegen Verweigerung einer zumutbaren Arbeit oder Geltendmachung eines Ersatzeinkommens kann nur im Umfang des Einkommens, das der Hilfesuchende wegen seines Verhaltens nicht erzielt, erfolgen (VGr, 20. Mai 2010, VB.2010.00078, E. 6.1 (nicht publiziert). Die gänzliche Einstellung von Unterstützungsleistungen soll zudem gerade nicht als Sanktion dienen, sondern ist nur bei Verletzung der Subsidiarität zulässig, was sich aus Kap. A.8‑6 der Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe ergibt (4. Ausgabe April 2005, Nachtrag 12/12) (E.3.3). Der Austritt des Beschwerdegegners 1 aus dem Arbeitseinsatzprogramm war mit der Kürzung des Grundbedarfs «abgeurteilt». Die spätere Leistungseinstellung konnte nicht nochmals damit begründet werden (E. 5.2). Geht es um einen konkreten Arbeitseinsatz, bemisst sich die Leistungseinstellung nach dem aufgrund des Fehlverhaltens nicht erzielten Einkommen (E.5.3).

VB.2013.00120: Dem Beschwerdeführer wurde die wirtschaftliche Hilfe eingestellt, nachdem ihm zum zweiten Mal eine Stelle in einem Arbeitsprogramm aufgrund Unpünktlichkeit bzw. unentschuldigter Absenzen fristlos gekündigt worden war (E. 3).Die Weisung, an einem Arbeitsintegrationsprogramm teilzunehmen, ist vorliegend als zulässig zu erachten, da es sich um eine zumutbare, wenn auch nicht genügend herausfordernde Arbeit handelt und der Beschwerdeführer dafür entschädigt wird und sich seine Lage durch die Teilnahme verbessern kann (E. 4). Der Beschwerdeführer ist der Weisung nicht genügend nachgekommen, weshalb sich der Schluss rechtfertigt, es liege keine Notlage im Sinn von Art. 12 BV vor. Denn zur Annahme einer solchen Notlage ist auch vorausgesetzt, dass die betroffene Person nicht in der Lage ist, für sich zu sorgen (E. 5.1-3). Durch die Teilnahme an dem Arbeitsprogramm könnte der Beschwerdeführer mindestens teilweise ein Erwerbseinkommen erzielen und damit die Notlage zumindest mildern (E. 5.4). Die Sozialbehörde ist allerdings nur berechtigt, Leistungen im Umfang jenes Einkommens einzustellen, das der Beschwerdeführer wegen seines Verhaltens und der daraus resultierenden Kündigung nicht erzielte. Die gänzliche Einstellung von Unterstützungsleistungen soll gerade nicht als Sanktion dienen, sondern ist nur bei Verletzung der Subsidiarität zulässig (E. 5.5).

VB.2007.00176 (Gegenleistung Arbeitsbemühungen, Kürzung und Einstellung): Bei Missachtung einer Weisung ist gegebenenfalls anstelle einer Leistungskürzung eine Leistungseinstellung zulässig, so etwa dann, wenn der Hilfeempfänger sich beharrlich weigert, eine ihm zumutbare Arbeitsstelle zu suchen (E.2.2). Bereits seit März 2000 wurde der Hilfeempfänger aufgefordert, sich um eine Arbeitsstelle zu bemühen (E.3.3.1). Ungeordnete und unvollständig ausgefüllte Belege von angeblichen Arbeitsbemühungen genügen nicht (E.3.3.2). Eine konkrete Würdigung der Arbeitsbemühungen ergab, dass sich der Hilfeempfänger mehrheitlich für Stellen, deren Anforderungsprofil er nicht erfüllte, bewarb (E.3.3.3). Angesichts der klaren Missachtung der Weisung durften daher androhungsgemäss die Leistungen eingestellt werden.

VB.2005.00354 (Gegenleistung, Einstellung der Leistungen): Im zu beurteilenden Fall verweigerte ein Sozialhilfebeziehender zweimal zu Unrecht eine zumutbare Arbeit. Da er damit eine Anordnung, die geeignet ist, seine Lage zu verbessern, beharrlich missachtete, erwies sich eine Einstellung der Leistungen als zulässig.

Zu den Gegenleistungen führt das Verwaltungsgericht unter E.2.3 Folgendes aus: Die neuen SKOS-Richtlinien «halten unter anderem als Grundsatz fest, die immaterielle und materielle Hilfe sei so auszugestalten, dass die Teilnahme und Teilhabe der Betroffenen am Sozial- und Arbeitsleben und damit die Eigenverantwortung und die Hilfe zur Selbsthilfe gefördert würden (Kap. A.2-1, neu mit Schwergewicht auf der beruflichen und sozialen Integration Kap. D.1). Ähnlich ist § 3 Abs. 2 SHG zu verstehen, wonach die Hilfesuchenden aktiv handelnd in die Hilfstätigkeit einbezogen werden sollen und deren Möglichkeiten zur Selbsthilfe zu fördern sind (…). Gemäss den SKOS-Richtlinien stellt die Sozialhilfe kompensierende Angebote zum sich verengenden Arbeitsmarkt bereit, um wirtschaftlichen und sozialen Ausschlussprozessen zu begegnen. Dazu entwickle sie Integrationsprogramme, die auf dem Prinzip von Leistung und Gegenleistung basierten, und fördere Anreize, um aus der Sozialhilfeabhängigkeit herauszukommen. Der Hilfsbedürftige habe insbesondere kein Wahlrecht zwischen vorrangigen Hilfsquellen, wozu namentlich der Einsatz der eigenen Arbeitskraft gehöre, und der Sozialhilfe (A.4-1). Zugleich seien die Programme Ausdruck der dem Hilfsbedürftigen obliegenden Verpflichtung zur Minderung seiner Unterstützungsbedürftigkeit, wonach er alles in seiner Kraft stehende unternehmen müsse, um seine Notlage zu lindern oder zu beheben (Kap. A.5.3). Als Massnahmen zur sozialen und beruflichen Integration gälten neben beruflichen Qualifizierungsmassnahmen namentlich auch Beschäftigungsprogramme und Freiwilligenarbeit (Kap. D.3-1).? Das Verwaltungsgericht führt weiter aus, dass wer aus eigener Kraft faktisch und rechtlich in der Lage sei, sich die für seine Existenz erfor-derlichen Mittel aktuell zu verschaffen, nicht in jener Notsituation stehe, auf die das Grund-recht der Existenzsicherung zugeschnitten sei.

VB.2004.00534: Voraussetzung für die Ausrichtung von Sozialhilfeleistungen bildet, dass zunächst alle privat- oder öffentlichrechtlichen Ansprüche des Gesuchstellers ausgeschöpft werden. Infrage kommen dabei insbesondere auch Leistungen der Sozialversicherungen (Felix Wolffers, Grundriss des Sozialhilferechts, 2. A., Bern etc. 1999, S. 72; SKOS-Richt­linien, Kap. A.4-2). Der Grundsatz der Subsidiarität ist jedoch immer dann zu durchbrechen, wenn zwar ein Anspruch auf Leistungen Dritter besteht, die Leistungspflicht jedoch nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt wird, sodass eine Notlage eintritt. Beansprucht beispielsweise eine Rentenabklärung einige Zeit, so hat die Sozialhilfe den dadurch entstehenden Engpass zu überbrücken (Wolffers, S. 71). Es steht der Beschwerdeführerin nicht frei, auf eine erneute Anmeldung zum Bezug von Ergänzungsleistungen zu verzichten. Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin jedoch offenbar nicht dazu aufgefordert, ihre finanzielle Situation darzulegen. Ebenso wenig wurde die Beschwerdeführerin formell aufgefordert, ein neues Gesuch um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen zu stellen. Es geht daher nicht an, der Beschwerdeführerin eine Verletzung der Mitwirkungspflicht im vorliegenden Verfahren vorzuwerfen. Die Vorinstanz ging wie die Beschwerdegegnerin davon aus, dass die Beschwerdeführerin ihre Vermögenslage nicht offen gelegt und kein erneutes Gesuch um Ausrichtung von Ergänzungsleistungen gestellt habe. Darin liegt eine im Beschwerdeverfahren nicht zu heilende Verletzung des rechtlichen Gehörs, was zur Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides führt, soweit sich dieser auf die Erstattung der verlangten Umzugskosten bezieht (E. 3.2 - 3.3).

VB.2004.00333 (Weisung zur Teilnahme an einem Beschäftigungsprogramm - Einstellung): Das Sozialhilferecht will die Eigenverantwortung der Hilfe suchenden Person fördern. Diese hat zur Minderung der Unterstützungsbedürftigkeit beizutragen, namentlich durch den Ein-satz der eigenen Arbeitskraft (E.4.2 am Anfang). Eine Weisung, sich an einem Beschäftigungsprogramm zu beteiligen, ist zulässig, insbesondere dann, wenn die damit verbundene Arbeit als zumutbar erscheint (E. 4.2.1-3). Als zulässige Sanktion gegen die Missachtung einer Weisung kommt neben einer Kürzung in besonderen Fällen einer beharrlichen Weigerung eine Leistungseinstellung in Frage. Im zu beurteilenden Fall handelte es sich um die Verweigerung der Teilnahme an einem Arbeitsintegrationsprogramm, das darin besteht, ausgesteuerte und fürsorgeabhängige Personen durch soziale, gesellschaftliche und berufliche Integration in die finanzielle Selbständigkeit zurückzuführen. Die vermittelten Arbeiten bestehen in Einzel- oder Gruppeneinsätzen in gemeinnützigen Institutionen, Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und bei privaten Arbeitgebern. Es handelt sich unter anderem um stunden- und tageweise Einsätze, einzeln oder in Gruppen, im und um das Haus, im Betrieb oder im Büro sowie um Temporäreinsätze zum Abbau von Überstunden, Ferienablösungen, Ablösungen im Krankheitsfall und bei Kapazitätsengpässen, wobei die Leitung des Arbeitsintegrationsprojekts mit den örtlichen Betrieben zusammenarbeitet. Berufliche Kenntnisse werden nicht vorausgesetzt, hingegen der Wille zur Arbeit, Deutschkenntnisse, Interesse an sozialer und beruflicher Integration und Offenheit für persönliche Veränderungen. Der Beratung kommt dabei grosser Raum zu. Der Sozialhilfebezüger weigerte sich kategorisch, am Beschäftigungsprogramm teilzunehmen, ohne überhaupt in Erfahrung zu bringen, welche Arbeit ihm angeboten würde. Diese besonderen Umstände liessen eine Leistungseinstellung als gerechtfertigt erscheinen (E.4.3.1-2, 4.4.3-4).

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