Der «Normalvollzug+» stellt die Wiedereingliederung der Inhaftierten noch mehr ins Zentrum. Personelle und bauliche Massnahmen ermöglichen die Umsetzung, machen den Vollzug sicherer und fördern bei der Betreuung den interdisziplinären Austausch unter den Mitarbeitenden. Dadurch erhalten die Inhaftierten eine intensivere und individuellere Betreuung.
Individuelle Betreuung im NV+
Die Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies in Regensdorf ist das grösste Gefängnis der Schweiz. Und der Normalvollzug ist mit 192 Plätzen die grösste Abteilung dort. Er bildet das Standardangebot des geschlossenen Vollzugs, wo die inhaftierten Männer in acht Wohngruppen üblicherweise die Hauptphase ihres Gefängnisaufenthalts verbringen. Innerhalb einer Gruppe sind sie fähig, sich angemessen und konfliktfrei zu bewegen. Sie können sich an Regeln halten und sind arbeitsfähig und -willig. Erfüllen die Inhaftierten diese Voraussetzungen, steht ihnen im Normalvollzug ein vielfältiges Angebot an Arbeits- und Ausbildungsplätzen, Freizeit- und Sportmöglichkeiten sowie Bildungsangeboten zur Verfügung.
Der Normalvollzug wurde seit Eröffnung der JVA Pöschwies 1995 kaum angepasst. Um den veränderten Bedürfnissen und Anforderungen der Inhaftierten, aber auch der Sicherheit der Mitarbeitenden gerecht zu werden, hat die JVA Pöschwies im letzten Jahr das Projekt Normalvollzug+ (NV+) gestartet. Die Weiterentwicklung erhöht nicht nur die Sicherheit im Normalvollzug. Zusätzliche Freiräume fördern auch die persönliche Entwicklung der Inhaftierten. Ausserdem bietet NV+ eine bessere und individuellere Betreuung, was die Wiedereingliederung der Inhaftierten unterstützt. Damit wird auch einer unerwünschten Bildung von Subkulturen unter den Gefangenen angemessen begegnet. Denn die vielfältige Zusammensetzung der Inhaftiertengruppen in Verbindung mit einem tiefen Betreuungsschlüssel und den eher unübersichtlichen baulichen Strukturen begünstigte diese und führten zu überdurchschnittlich vielen Fällen von Disziplinarverstössen. Die Weiterentwicklung des Normalvollzugs soll die vorhandenen Fähigkeiten der Gefangenen verstärkt nutzen, ihre Alltagskompetenzen ausbauen und ihr soziales Verhalten fördern.
Personelle und bauliche Massnahmen
Nachdem im Jahr 2022 konzeptuell bereits intensiv an der Weiterentwicklung gearbeitet wurde, werden seit März 2023 die verschiedenen personellen und baulichen Massnahmen schrittweise umgesetzt. So ist aktuell der zeitgemässe Umbau der bestehenden Infrastruktur mit Büros, Garderoben und Toiletten in Planung. Auch ein abgeschlossener Aussenbereich für jede Wohngruppe wird geplant. Alle baulichen Massnahmen werden 2025 realisiert und verbessern die Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden und bieten den Inhaftierten mehr Freiräume mit neuen Möglichkeiten zur Eigeninitiative, um ihre Freizeit z. B. mit einer abendlichen Gesprächsrunde oder einem Tischtennisturnier zu gestalten.
Die Führungsstruktur im Normalvollzug wurde neu organisiert. Die Gesamtverantwortung haben der Abteilungsleiter und sein Stellvertreter, von ihnen kann das Tagesgeschäft effizient bewältigt werden. Vier Gruppenleitende sind in der Lage, ausserhalb des Dienstplans Führungsarbeit zu leisten. Sie können so die Mitarbeitenden in ihrer anspruchsvollen Arbeit schneller und besser unterstützen und sich um komplexere Fragestellungen der Inhaftierten kümmern. Die bisher gesammelten Erfahrungen sind durchwegs positiv: Sowohl die Mitarbeitenden als auch die Inhaftierten profitieren von dieser Anpassung.
Verbesserte Arbeitsbedingungen
Die damit verbundene Erhöhung des Personalbestandes hat viele Vorteile und verbessert die Arbeitsbedingungen insgesamt. Damit erhöht sich nicht nur die Sicherheit der Mitarbeitenden, auch der Betreuung der Gefangenen kann mehr Aufmerksamkeit eingeräumt werden. Seit letztem Jahr können im Normalvollzug auch Frauen und Mitarbeiter mit reduziertem Pensum arbeiten. Das macht nicht nur den Arbeitsplatz attraktiver, gemischte Teams arbeiten nachweislich besser zusammen und der Umgang von Frauen mit Gefangenen ist – wissenschaftlich belegt – noch menschlicher und respektvoller.
Das Geschehen im Alltag der Wohngruppe wird ins Zentrum gerückt und als Arbeitsinstrument verwendet. Das zusätzliche Personal ermöglicht nicht nur eine bessere Betreuung, im Oktober 2023 wurde in den Wohngruppen ein dritter Spätdienst eingeführt. Weitere Dienste werden im weiteren Verlauf des Projekts, bis zur Fertigstellung der Umbauten, dazukommen. Pro Doppelgruppe sollen schliesslich drei Mitarbeitende im Frühdienst, vier im Spätdienst und drei bis vier im Wochenenddienst arbeiten.
Für ein gutes Gefängnisklima
Zusätzliche Mitarbeitende braucht es im Spätdienst vor allem für Abendaktivitäten, die in den Wohngruppen angeboten werden. Dies fördert mitunter die Sozialkompetenz der Inhaftierten. Monatlich werden in allen vier Wohngruppen sogenannte interdisziplinäre Fallintervisionen durchgeführt. Mitarbeitende des Psychiatrisch-Psychologischen Dienstes (PPD), der Werkbetriebe und des Sozialwesens treten mit den Betreuungspersonen vor Ort in einen Dialog. Das stärkt die Zusammenarbeit, führt zu einem besseren Verständnis in der täglichen Betreuung der Gefangenen und macht den Informationsfluss verbindlicher. Die positiven Auswirkungen auf die Beziehung und die Zusammenarbeit zwischen den Gefangenen und der Betreuung sind bereits erkennbar. So ist die Dialogbereitschaft gestiegen, wodurch schon zahlreiche Konfliktsituationen in einem Gespräch geklärt werden konnten.
Die positiven Auswirkungen auf die Beziehung und die Zusammenarbeit zwischen den Gefangenen und der Betreuung sind bereits erkennbar.
Die mit dem NV+ getroffenen Massnahmen verbessern die materiellen, sozialen und emotionalen Bedingungen im Normalvollzug der JVA Pöschwies. Sie sorgen so für ein positives Gefängnisklima. Wichtige Faktoren dafür sind ein respektvoller und strukturierter Umgang, Verständnis für das Gegenüber, der Aufbau eines Sicherheitsgefühls und gute materielle Vollzugsbedingungen. Denn ein positives Gefängnisklima ist ein gutes Vorzeichen für die erfolgreiche Wiedereingliederung.
Weiterführende Informationen
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