Vereinfachter Zugang zur Psychotherapie

Den Wechsel vom bisherigen Delegations- zum Anordnungsmodell hat Justizvollzug und Wiedereingliederung Anfang 2023 vollzogen, wozu einige Anpassungen notwendig waren, um den Gegebenheiten im Vollzug gerecht zu werden.

Vom Delegations- zum Anordnungsmodell

Der Wechsel vom Delegations- zum Anordnungsmodell in der Psychotherapie wurde vom Bundesrat im März 2021 im Sinne eines vereinfachten Zugangs zu psychotherapeutischen Leistungen und zur Sicherstellung einer angemessenen Versorgung beschlossen. Mit dem früheren Delegationsmodell arbeiteten die Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten unter ärztlicher Aufsicht. Die Abrechnung mit der Krankenkasse erfolgte über den Arzt oder die Ärztin. Neu erbringen sie ihre Leistungen auf Anordnung einer Ärztin oder eines Arztes und rechnen diese selbstständig zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) ab. Eine ärztliche Anordnung sieht maximal 15 Therapiesitzungen vor. Zusätzliche Sitzungen benötigen eine erneute Anordnung. Nach 30 Sitzungen wird ein Vertrauensarzt oder eine Vertrauensärztin der Krankenkasse beigezogen.

Gesprächssituation zwischen Therapeut und Patientin.
Jährlich erhalten im Kanton Zürich rund 500 inhaftierte Personen eine ambulante rückfallpräventive Psychotherapie, welche in Freiheit oder in einer JuWe-Institution durchgeführt wird. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Was ausserhalb der Gefängnismauern als Vereinfachung für psychologische Psychotherapien gedacht war, stellte Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) vor beträchtliche Herausforderungen, um die psychotherapeutischen Behandlungen weiterhin zulasten der OKP abrechnen zu können. Es ist offensichtlich, dass der Gesetzgeber nicht an die spezifische Situation der rückfallpräventiven Psychotherapien bei der Ausformulierung der gesetzlichen Grundlagen gedacht hat. Dies beinhaltet, dass gerichtlich angeordnete Therapien in einem Zwangskontext stattfinden und aufgrund ihrer deliktpräventiven Zielsetzung länger dauern.

Vollzug mit anderen Voraussetzungen

Werden rückfallpräventive Psychotherapien angeordnet, übernehmen die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) von JuWe die Verantwortung für die Umsetzung der Therapieaufträge. Sie weisen betroffene Personen geeigneten Therapeutinnen und Therapeuten oder Institutionen zu. Jährlich erhalten im Kanton Zürich rund 500 Personen eine ambulante rückfallpräventive Psychotherapie, welche in Freiheit oder in einer JuWe-Institution durchgeführt wird. Die Inhaftierten werden ausschliesslich durch den Psychiatrisch-Psychologischen Dienst (PPD) des JuWe therapeutisch versorgt. Zum Grossteil sind dies Gewalt- und Sexualstraftäter. Die durchschnittliche Behandlungsdauer der rund 200 durch den PPD betreuten Klientinnen und Klienten beträgt rund vier Jahre, bei durchschnittlich ca. 160 Sitzungen. Zum Vergleich: Eine Therapie ausserhalb des strafrechtlichen Rahmens benötigt im Durchschnitt 29 Sitzungen. Klientinnen und Klienten in Freiheit werden meist durch externe Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten betreut.

Kleine Spielfiguren auf einem Tisch als Tools für Psychotherapie.
Verschiedene Therapie- und Coachingtools wie sie auch ausserhalb des Vollzugs eingesetzt werden. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Organisatorische und administrative Anpassungen 

Um den Übergang vom Delegations- zum Anordnungsmodell in den BVD und im PPD gesetzeskonform zu realisieren, wurde unter der Leitung von Forschung & Entwicklung (F&E) ein Organisationsentwicklungsprojekt durchgeführt. Zunächst mussten umfangreiche juristische Abklärungen getätigt werden.

Auf Grundlage dieser Abklärungen hat sich der PPD neu aufgestellt: Die psychologischen Mitarbeitenden organisierten sich als sogenannte Organisation der psychologischen Psychotherapie (OPP), die ärztlichen Mitarbeitenden als sogenannte Poliklinik. Beide sind Teil des PPD. Um gemäss des Anordnungsmodells weiterhin mit den Krankenkassen abrechnen zu können, müssen die Mitarbeitenden neu über eine persönliche Berufsausübungsbewilligung der Gesundheitsdirektion verfügen und drei Jahre klinische Erfahrung ausweisen. Ein Jahr davon muss in einer vom Schweizerischen Institut für Weiter- und Fortbildung (SIWF) anerkannten Weiterbildungsstätte der Kategorien A, B oder C stattfinden. Die Bewilligungen wurden für alle hierzu berechtigten Mitarbeitenden eingeholt. Beim SIWF wurde zudem erfolgreich die Zulassung als Weiterbildungsinstitution der Kategorie C beantragt. Mitarbeitende des PPD können die fachärztliche oder psychotherapeutische Weiterbildung künftig intern absolvieren.

Therapeut hat Foto in der Hand, dass eine spezielle Konstellation zeigt.
Gleiche Arbeit, neue Anforderungen. Um ihre Leistungen weiterhin mit den Krankenkassen abrechnen zu können, müssen die Mitarbeitenden neu über eine persönliche Berufsausübungsbewilligung der Gesundheitsdirektion verfügen und drei Jahre klinische Erfahrung ausweisen. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Der Wechsel vom Delegations- zum Anordnungsmodell und das damit verbundene OKP-Zulassungsverfahren hatte für JuWe auch zur Folge, dass ein Teil der externen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten die Zusammenarbeit beendete. Das sorgte für Zuweisungsprobleme bei den BVD. Um die Versorgung ambulanter rückfallpräventiver Behandlungen in Freiheit auch längerfristig gewährleisten zu können, wurden im PPD die Kapazitäten ausgebaut. Zudem werden Konzepte erarbeitet, um die Zusammenarbeit mit JuWe für die externen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten attraktiver zu gestalten.

Um die Versorgung ambulanter rückfallpräventiver Behandlungen gewährleisten zu können, wurden im
PPD die Kapazitäten ausgebaut.

Auswirkungen noch nicht alle absehbar

Während die notwendigen Prozesse aufwendig und erfolgreich umgesetzt wurden, sind einige Entwicklungen noch nicht absehbar. So haben beispielsweise die Krankenkassen die entsprechenden Tarife für psychologische Psychotherapien noch nicht definitiv fixiert und stellen zudem ihre Leistungspflicht bei Therapeutinnen und Therapeuten in Weiterbildung teilweise infrage. Im ersten Jahr des Anordnungsmodells konnte JuWe noch anhand bestehender Pauschalen aufgrund von Verträgen mit den Krankenkassen abrechnen. Seit dem 1. Januar 2024 muss JuWe seine Dienstleistungen mit den ordentlichen Tarifsystemen abrechnen. Dies erhöht den administrativen Aufwand. 

Tisch mit Fotos, die als Therapietools genutzt werden.
Aufwendige Therapie: Die durchschnittliche Behandlungsdauer der etwa 200 durch den Psychiatrisch-Psychologischen Dienst betreuten Straftäterinnen und Straftäter beträgt rund vier Jahre, bei durchschnittlich ca. 160 Sitzungen. Ausserhalb der Mauern sind es im Durchschnitt 29 Sitzungen. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Weiterführende Informationen

Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.

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