Neue Studie beleuchtet psychische Belastung

Eine neue Studie gibt Aufschluss über die psychische Belastung in den Gefängnissen des Kantons Zürich. Je nach Haftform ist diese zwar unterschiedlich ausgeprägt, das Ausmass der geschilderten Belastung zeigt gleichwohl den grossen Bedarf an psychotherapeutischer und psychiatrischer Versorgung inhaftierter Menschen.

Psychische Belastung im Gefängnis deutlich erhöht

Inhaftierte Menschen leiden deutlich häufiger an psychischen Erkrankungen als Frauen und Männer, die in Freiheit leben. Für die erfolgreiche Wiedereingliederung sind Beruf, Familie und Gesellschaft wichtige Stützen. Für inhaftierte Personen mit psychischen Problemen sind jedoch berufliche, familiäre und gesellschaftliche Verpflichtungen oft eine grosse Herausforderung.

Im Kanton Zürich sind die Haftbedingungen direkt nach der Verhaftung in der vorläufigen Festnahme streng. Betroffene können nur eine Stunde ausserhalb ihrer Zellen verbringen und sie haben nur sehr eingeschränkten Kontakt zu Mitinhaftierten, Familie und Freunden. In der darauf folgenden Untersuchungshaft sind die Bedingungen weniger streng. Bis zu acht Stunden können ausserhalb der Zellen verbracht werden und der zwischenmenschliche Kontakt ist weniger eingeschränkt. Nach dem rechtskräftigen Urteil im Vollzug oder in einer Massnahme sind zwischenmenschliche Kontakte grundsätzlich am wenigsten eingeschränkt. Die Anfangsphase der Untersuchungshaft, aber auch die Situation von Personen in der ausländerrechtlichen Administrativhaft können sehr belastend sein, da die Betroffenen mit der Unsicherheit über ihre Zukunft und der Bewältigung zusätzlicher Herausforderungen zurechtkommen müssen.

Das alles lässt vermuten, dass es Unterschiede in der Häufigkeit von psychischer Belastung in den einzelnen Haftformen gibt. Deshalb hat sich Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) für die psychische Belastung unter verschiedenen Haft- und Vollzugsformen besonders interessiert.

Nach einer Studie bei vor kurzem festgenommenen Personen im Gefängnis Zürich West hat das JuWe nun untersucht, wie es um die psychische Belastung der inhaftierten Menschen in den Gefängnissen des Kantons Zürich unter den verschiedenen Haftbedingungen steht. Damit will JuWe besser abschätzen können, wie gross der Bedarf nach psychiatrischer und psychotherapeutischer Grundversorgung ist.

Auf einem Rollwagen werden die Fragebögen von einer Person an die Zellen verteilt.
JuWe hat im letzten Jahr die psychische Belastung von Inhaftierten in den Gefängnissen des Kantons Zürich unter verschiedenen Haftbedingungen untersucht. Eine Mitarbeiterin verteilt die Fragebögen in die Zellen. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Fragen zur psychischen Belastung

Zwischen Juli 2022 und Oktober 2023 wurden insgesamt 1800 Inhaftierte aufgefordert, 53 Fragen zu ihrer psychischen Belastung zu beantworten. Der verwendete Fragenkatalog ist seit den 1970er-Jahren als Standardinstrument etabliert und konnte für die Untersuchung im Vollzug ohne Anpassungen eingesetzt werden. Um möglichst vielen Inhaftierten die Teilnahme zu ermöglichen, wurde er in 13 Sprachen angeboten. 951 Personen in elf Institutionen des JuWe haben den Fragebogen ausgefüllt – diese sind in der vorläufigen Festnahme, in Untersuchungshaft oder verbüssen kürzere oder längere Freiheitsstrafen.

Das entspricht einer sehr guten Rücklaufquote von 51 Prozent. Die Stichprobe ist im Hinblick auf Alter, Geschlecht und Haftform repräsentativ für alle inhaftierten Personen im Kanton. Mithilfe einer fünfteiligen Skala bewerteten die Teilnehmenden ihre psychische Verfassung auf verschiedenen Ebenen. Dabei gaben sie an, in welchem Ausmass sie in den letzten sieben Tagen unter Symptomen wie Nervosität, Ängstlichkeit, Minderwertigkeitsgefühlen, Einsamkeit, Depression, Suizidgedanken oder anderen psychischen Belastungen gelitten hatten.

Die Studie zur psychischen Belastung in Zürcher Gefängnissen greift auf eine Stichprobe mit Personen zurück, die sich in verschiedenen Formen der Haft befanden. Die Ergebnisse zeigen auf, dass die psychische Belastung bei inhaftierten Personen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich erhöht ist. Der Schweregrad der berichteten Symptome unterstreicht die Anfälligkeit für psychische Belastung bei inhaftierten Personen und rückt die Wichtigkeit der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung der Betroffenen ins Zentrum. Zusätzliche Auswertungen sind aktuell noch in Arbeit. Sie lassen allerdings vermuten, dass es Unterschiede zwischen den Haftformen gibt. Diese Ergebnisse werden dabei helfen, die beschränkten personellen Ressourcen in der Grundversorgung richtig einzuteilen. Es laufen noch Auswertungen zu allfälligen Risikofaktoren von psychischer Belastung. 

Das Bild zeigt einen Menschen, der einen Fragebogen ausfüllt.
Insgesamt 1800 Inhaftierte wurden aufgefordert, 53 Fragen zu ihrer psychischen Belastung zu beantworten. Der Fragenkatalog ist seit den 1970er-Jahren als Standardinstrument etabliert. Quelle: JuWe / Daniel Winkler.

Menschen mit psychischer Belastung früh erkennen und betreuen

Menschen in Haft befinden sich in einem sehr verletzlichen psychischen Zustand. Inhaftierte mit psychischen Problemen brauchen mehr Betreuungszeit und zusätzliche Gespräche. Sie stellen besondere Herausforderungen an die Mitarbeitenden in den Untersuchungsgefängnissen und Vollzugseinrichtungen. Deshalb ist es wichtig, dass das Personal in den Gefängnissen im Umgang mit psychisch belasteten Inhaftierten gut geschult ist. Doch in vielen Fällen reicht das nicht aus, weil die betroffenen Inhaftierten eine psychotherapeutische oder psychiatrische Betreuung durch entsprechend ausgebildete Fachpersonen benötigen. Um den grossen Bedarf an psychotherapeutischer und psychiatrischer Versorgung abzudecken, braucht es genügend personelle Ressourcen. Mit standardisierten Screenings könnten psychisch stark belastete Personen bereits bei der Aufnahme in die Untersuchungshaft oder den Vollzug erkannt und die Ressourcen des Personals optimal eingesetzt werden. Genau hier zeigt die Studie einen Handlungsbedarf auf.

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