Das JuWe will die Kontaktmöglichkeiten zu den Angehörigen für inhaftierte Personen verbessern und die Angehörigen stärker in die Wiedereingliederung miteinbeziehen. Der Fokus auf die Angehörigenarbeit hat einiges ins Rollen gebracht.
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Die Angehörigenarbeit nimmt Fahrt auf
Soziale Bindungen leisten einen wichtigen Beitrag bei der Wiedereingliederung einer inhaftierten Person. Allerdings ist jeder Fall einzigartig und muss vor Ort beurteilt werden. Bei jungen inhaftierten Personen heisst Kontakt zu Angehörigen etwas anderes als bei inhaftierten Personen mit Kindern. Nochmals anders ist ein solcher Kontakt zu bewerten bei Personen, die sich wegen Verdachts auf häusliche Gewalt in Untersuchungshaft befinden. Die einzelnen Institutionen des JuWe erarbeiten deshalb individuell passende Angebote und Lösungen.
Besuche kinderfreundlich gestalten
Alle Untersuchungsgefängnisse in Zürich haben ihre Besuchszeiten erweitert, um Angehörigen den Besuch zu vereinfachen – am Wochenende oder am Mittwochnachmittag etwa. Zudem haben gleich mehrere Institutionen ihre Besuchszimmer neu gestaltet, damit sich Kinder beim Besuch wohler fühlen. In Pfäffikon wurde 2022 ein komplett neues Kinderzimmer eingerichtet mit Spielzeug, bunter Tapete und Schaukel. Das Gefängnis Affoltern a. A. hat das Besuchszimmer in Zusammenarbeit mit dem Kinderhilfswerk Save the Children kinderfreundlich gestaltet. Darüber hinaus haben das Gefängnis Affoltern a. A. und das Gefängnis Horgen zusammen mit Save the Children Schulungen entwickelt, um die Mitarbeitenden gut auf Besuche von Kindern vorzubereiten.
Junge Männer in ihrer Rolle als Vaterstärken
Im Massnahmenzentrum Uitikon (MZU) befinden sich junge inhaftierte Personen im Alter von 16 bis 30 Jahren, wovon einige bereits Väter sind. Ende 2021 wurde im MZU deshalb eine Vätergruppe lanciert, in welcher sich die jungen Männer mit ihrer Rolle als Vater auseinandergesetzt haben. Vor allem der Austausch der Teilnehmenden untereinander hatte einen Einfluss auf ihre Wertehaltung und ihr Selbstverständnis als Väter. Darüber hinaus wurden sie mit der Unterstützung der Gruppe für ihre Rechte und Pflichten sensibilisiert. So konnte ein Vater dank der Vätergruppe seinen sechsjährigen Sohn kennenlernen. In einem gemeinsamen Projekt und in eigener Arbeit haben die Väter auch den Besucherraum des MZU kinderfreundlich gestaltet – aus einem nüchternen Zimmer ist ein freundlicher Ort geworden. Eine weitere Gruppe für inhaftierte Väter gibt es in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies (Väter im Vollzug).
Angehörige bringen viel Dynamik in den Gefängnisalltag
Die Vätergruppen haben nicht nur den Kontakt zwischen den inhaftierten Personen und ihren Kindern verbessert, sondern auch die Therapie und Betreuung der inhaftierten Personen durch neue Aspekte und Themen bereichert. Die Therapeutinnen und Therapeuten haben schnell festgestellt, dass die Auseinandersetzung mit der eigenen Familie und Biografie Fortschritte in der Therapie bewirken, aber auch Krisen auslösen kann. So haben die jungen inhaftierten Personen durch die Vätergruppe zu neuen Perspektiven gefunden, haben aber dadurch kurzfristig auch emotional schwierige Phasen erlebt. Das mussten die Therapeutinnen und Therapeuten im Rahmen der Einzeltherapie aufnehmen und mit ihnen bearbeiten.
Auch die Mitarbeitenden des Untersuchungsgefängnisses Pfäffikon betonen, dass jeder Besuch viel Vorbereitung erfordert. Dazu gehören Abklärungen mit der Staatsanwaltschaft und den Angehörigen sowie Gespräche mit den inhaftierten Personen. In Pfäffikon können inhaftierte Väter vorab ein T-Shirt gestalten, das ihr Kind als Geschenk mit nach Hause nehmen kann. Zudem wird jeder Besuch durch eine Betreuungsperson begleitet. Oft haben Väter nach dem Besuch Gesprächsbedarf. Momentan kommen in Pfäffikon drei Familien wöchentlich zu Besuch.
Der Aufwand lohnt sich. Gerade Kinderbesuche sollen regelmässig stattfinden können. Die Kinder haben ein Recht auf eine Beziehung zu ihrem Vater. In einem Fall hat ein Kind bei seinem ersten Besuch nicht mit dem Vater geredet. Nach dem vierten oder fünften Besuch war die Bindung soweit wiederhergestellt, dass Vater und Kind zusammen gespielt haben.
Nicht nur die Untersuchungsgefängnisse, die Vollzugseinrichtungen, die JVA Pöschwies und das MZU treiben die Angehörigenarbeit voran, auch der Psychiatrisch-Psychologische Dienst (PPD) des JuWe legt den Fokus auf die Arbeit mit Angehörigen. Zu diesem Zweck hat der PPD vor zwei Jahren eine Arbeitsgruppe gegründet, welche sich um die Sensibilisierung und Weiterbildung der Mitarbeitenden kümmert. Die Haltung des JuWe ist klar: Die Angehörigenarbeit soll mehr Beachtung erhalten. Ziel ist es, dass Angehörige in Zukunft im Therapie- und Vollzugsprogramm automatisch mitgedacht werden. Einerseits, um sie durch die Inhaftierung eines Familienmitglieds nicht mitzubestrafen, sondern sie in ihren Bedürfnissen und Anliegen ernst zu nehmen. Andererseits, um sie, wenn möglich und sinnvoll, verstärkt in den Prozess der Wiedereingliederung einzubinden.
Weiterführende Informationen
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