Angehörige von inhaftierten Personen

Innenansicht des Familienzimmers mit Schaukel für Kinder, kleinen Stühlen und ein Tischchen sowie Bilder an der Wand

Wenn ein Familienmitglied ins Gefängnis kommt, betrifft das auch die Angehörigen und kann für sie negative Folgen haben. Sowohl Angehörige wie auch inhaftierte Personen haben Anrecht auf die Pflege des Familienlebens. JuWe arbeitet deshalb daran, die Kontaktbedingungen für Angehörige zu verbessern.

Zwischen Opferschutz und Beziehungspflege

Die Verhaftung eines Familienmitglieds ist ein Einschnitt, der viel Unsicherheit auslöst. Besuche können oft erst stattfinden, wenn die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft fortgeschritten sind. Die Staatsanwaltschaft will damit Absprachen oder Zeugenbeeinflussungen verhindern. Bis ein Kontakt erfolgen kann, vergehen nicht selten Wochen bis Monate. Wenn nach dieser Zeit die erste Begegnung nach der Verhaftung in einem Besuchsraum mit Trennscheibe stattfindet, ist das für die Angehörigen und die inhaftierten Personen oft befremdlich.

Solche Kontakthürden können Beziehungen belasten. Wird die Pflege der Kontakte vereinfacht, erhöhen sich die Chancen, dass die Beziehungen weniger Schaden nehmen und die Wiedereingliederung besser gelingt.

Nicht zuletzt haben die Kinder inhaftierter Eltern gemäss Kinderrechtskonvention und den Empfehlungen des Europarats das Recht, den Kontakt mit inhaftierten Elternteilen aufrecht zu erhalten.

Angehörigenkontakt darf nicht schaden

Nicht für alle Angehörigen ist es gut, den Kontakt mit der inhaftierten Person aufrecht zu erhalten. Denn Familienmitglieder können auch Opfer sein, so etwa in zwei Drittel aller Fälle, in denen die Täter wegen Gewalt und Sexualdelikten inhaftiert sind. Deshalb muss sichergestellt sein, dass die Angehörigen nicht zum Kontakt gezwungen werden und ihnen die Kontakte nicht schaden.

2021 hat sich JuWe zu Mindeststandards für die Angehörigenarbeit bekannt. Diese Massnahmen sollen die Institutionen von JuWe dabei unterstützen, verbesserte Kontaktmöglichkeiten zu schaffen, während gleichzeitig der Schutz der Angehörigen gewährleistet wird. Die Institutionen haben beispielsweise ihre Besuchszeiten und Besuchsräume familienfreundlicher gestaltet oder führen Eltern-Kind-Nachmittage durch. Im Pilotprojekt zur ressourcenorientierten Betreuung und Sozialarbeit in der Untersuchungshaft wird der Angehörigenarbeit ein besonderer Stellenwert beigemessen. 

Mindeststandards für Angehörigenarbeit

Die Mindeststandards für die Angehörigenarbeit in Untersuchungsgefängnissen und Vollzugseinrichtungen sind als Zielsetzungen zu verstehen, die schrittweise umgesetzt werden. Am Ende dieser Seite informieren wir über den jeweiligen aktuellen Stand der Realisierung.

Blick in das Familienzimmer mit einem Tisch und Stühlen für Erwachsene sowie auch für Kinder
Familienzimmer im Gefängnis Pfäffikon Quelle: Dominic Büttner/JuWe

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JuWe schafft Rahmenbedingungen, die den Kontakt zwischen inhaftierten Personen und Angehörigen ermöglichen und erleichtern.

JuWe unterstützt die Kontakte von Kindern und Jugendlichen zu ihren inhaftierten Eltern grundsätzlich. Konstruktive Beziehungen sollen unter fachlicher Begleitung aufgebaut und erhalten werden können. Wenn es darum geht, Besuche in Haftanstalten zu planen un durchzuführen, berücksichtigt JuWe die Interessen und Rechte der Kinder und Jugendlichen.

Da JuWe als kantonale Organisation auch eine Fürsorgepflicht hat, werden auch die Risikoaspekte berücksichtigt, die sich für Angehörige im Kontakt mit inhaftierten Personen ergeben können. Dazu zählt insbesondere der Schutz von Kindern und Jugendlichen.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von JuWe, die Kontakt zu inhaftierten Personen haben, sind sensibilisiert für das Rechte auf Familienleben von Angehörigen und inhaftierten Personen. Diese Rechte richten sich nach den Bangkok-Regeln, der UN-Kinderrechtskonvention sowie nach den Empfehlungen des Europarats von 2018.

Schulungen für die Sensibilisierung im Bereich Angehörigenarbeit erfolgen unter anderem im Rahmen des Basiskurses für Fachpersonen Justizvollzug.

JuWe schafft eine Grundlage zur Erhebung der Informationen über den Wohnort Angehöriger und über das Vorhanden- oder Nichtvorhandenseins eines Kontaktwunsches der einzelnen Angehörigen (z.B. Kinder). Diese Informationen werden mittels eines standardisierten Verfahrens beim Eintritt in eine Institution erfasst.

Die inhaftierten Personen geben über diese Daten freiwillig Auskunft. Sie beziehen sich ausschliesslich auf minderjährige Kinder. Erfasst werden deren Alter, Geschlecht, Aufenthaltsort und das Sorgerecht. Ebenfalls erfragen die Institutionen, ob die inhaftierte Person in einer Partnerschaft lebt.

JuWe verfolgt das Ziel, die Rahmenbedingungen für Kontakte zwischen inhaftierten Personen und ihren Angehörigen in allen Haftformen möglichst nah an der Normalität zu gestalten. Die wichtigste Voraussetzung dafür ist, dass die inhaftierte Person die Angehörigen nicht durch beispielsweise Manipulation, Drohung oder Aggression belasten oder (re-)traumatisieren könnte. Die Risikoabwägung erfolgt in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Personen oder Behörden sowie den involvierten Fachpersonen.

Was bedeutet «normalisieren»?

  • Die Institutionen von JuWe bieten mindestens zweimal wöchentlich reguläre Besuchszeiten ausserhalb der Schul- und Bürozeiten an.
  • Es sollen familiengerechte Besuchsräume zur Verfügung gestellt werden.
  • Besuche innerhalb der Institutionen sollen, wenn immer möglich, ohne Trennscheibe stattfinden. Dies gilt auch für Besuche in Untersuchungshaft. Entsprechende Standards für diesen Fall erarbeitet derzeit die Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und –direktoren (KKJPD).
  • In den Besuchsräumen sind künftig Spielsachen für verschiedene Altersgruppen in gepflegtem Zustand vorhanden.
  • Mindestens ein Besuchsraum in jeder Institution von JuWe wird für die Pflege familiärer Kontakte eingerichtet und ermöglicht, dass die Familie gemeinsam Zeit in einem angemessenen privaten Rahmen verbringen kann. Neben Spielsachen sollen dort auch Verpflegungsmöglichkeiten (mindestens Getränke und Snacks) vorhanden sein.
  • Alle Institutionen von JuWe sollen die technischen Voraussetzungen für Videotelefonie schaffen, damit inhaftierte Personen so auch zwischen oder anstelle von Besuchen Kontakt zu Angehörigen pflegen können.

JuWe fördert die Zusammenarbeit mit Dritten / freien Trägern, die sich mit den Familien von inhaftierten Personen befassen.

JuWe fördert die Zusammenarbeit mit externen staatlichen, kirchlichen und privaten Sozialdiensten und Beratungsstellen, die Angehörige von inhaftierten Personen beraten.

JuWe fördert die Zusammenarbeit mit Dienstleisterinnen und Dienstleistern, die Aktivitäten anbieten, die dazu dienen, die Beziehungen zwischen inhaftierten Personen und ihren Familien zu pflegen (zum Beispiel Besuchsbegleitungen für Kinder).

Die Angebote und Programme werden sowohl fachlich als auch wissenschaftlich begleitet. So stellt JuWe sicher, dass die Angebote den Angehörigen sowie den inhaftierten Personen nützen und nicht schaden.

Umsetzung der Mindeststandards

An der Umsetzung der oben genannten Mindeststandards für die Angehörigenarbeit beteiligen sich alle Hauptabteilungen von JuWe. Unterstützung erhält JuWe dabei auch von externen Organisationen. Dazu gehören die Angehörigen-Anlaufstellen ExtraMural und die Infostelle für Angehörige von team72 sowie das Kinderhilfswerk Save the Children.

Umgesetzt werden konnten bisher unter Anderem:

  • Erweiterte Öffnungszeiten und Besuchszeiten in allen Untersuchungsgefängnissen
  • Besuchszimmer für Familien in verschiedenen Gefängnissen
  • Väter-Coaching im MZU und in der JVA Pöschwies
  • Vater-Kind-Nachmittage in der JVA Pöschwies
  • Videotelefonie in verschiedenen Gefängnissen

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