Bei der Vollzugsfairness beruht vieles auf zwischenmenschlichen Interaktionen, weshalb gute sprachliche Fähigkeiten (möglicherweise) eine wichtige Grundvoraussetzung darstellen. Eine Befragung der Inhaftierten geht den Auswirkungen von Sprachbarrieren nach.
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Studie untersucht Sprachbarrieren
Das effektive Mitspracherecht, die Nachvollziehbarkeit und Konsistenz, Respekt und Vertrauenswürdigkeit sind wichtige Aspekte der Fairness im Vollzug. Das bedeutet auch, dass neben dem Ausgang einer Entscheidung das Zustandekommen dieser ebenso wichtig ist. All dies beruht auf zwischenmenschlicher Interaktion, die einer Verständigung bedarf. Mehr als zwei von drei in der Schweiz inhaftierten Menschen besitzen keine Schweizer Staatsbürgerschaft, womit eine gute Sprachverständigung zwischen Gefängnisaufsicht und Inhaftierten nicht immer gegeben ist. Doch gerade für das Erleben von Fairness ist dies eine wichtige Grundvoraussetzung.
Im Auftrag der Justizvollzugsanstalt (JVA) Pöschwies wurden die Inhaftierten zu Fairness und erlebten Sprachbarrieren befragt. Die in den Befragungen direkt gewonnenen Erkenntnisse sind für JuWe wichtig, weil immer mehr Studien aufzeigen, dass die subjektiv wahrgenommene Fairness mit der Compliance der inhaftierten Personen zusammenhängt: Wer im Strafvollzug fair behandelt wird, hält sich auch eher an die geltenden Regeln. Die Vorteile eines fairen Vollzugs reichen über die Haftzeit hinaus und helfen, sich wieder in ein deliktfreies Leben in Freiheit zu integrieren.
Bedürfnisse ausdrücken
Ob Regeln verstanden werden, Entscheidungen nachvollzogen werden können oder Interaktionen als respektvoll erlebt werden, hängt aber wahrscheinlich stark mit Sprachkenntnissen zusammen. In der Schweiz haben über zwei Drittel der Gefängnisinsassen keine Schweizer Staatsbürgerschaft. Deshalb ist im Justizvollzug mit häufigen Sprachbarrieren zu rechnen. Ein simples Beispiel für eine Sprachbarriere ist, wenn ein Inhaftierter keine der Sprachen spricht, die von den Mitarbeitenden gesprochen werden. Ist das der Fall, kann der Inhaftierte weder seine Perspektive schildern noch seine Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. So kann es passieren, dass eine inhaftierte Person etwas trotz eines zuvorkommenden Mitarbeitenden als nicht nachvollziehbar oder unstimmig beurteilt.
An der Studie haben 241 in der JVA Pöschwies Inhaftierte teilgenommen. Per Fragebogen* wurden die Inhaftierten zu ihrer Wahrnehmung der Fairness im Vollzug und allfälligen Sprachbarrieren befragt. Wird den Insassen vor einer Entscheidung Gehör verschafft? Werden alle Inhaftierten gleich und mit Respekt behandelt? Und wird gegenüber den Inhaftierten Interesse und Verständnis gezeigt?
Mehr als jeder Dritte gab an, in der JVA Pöschwies bereits Sprachbarrieren erlebt zu haben.
Sprachbarrieren unbedingt angehen
Die Studie zeigt, dass die Vollzugsfairness alles in allem weder gut noch schlecht beurteilt wurde und Sprachbarrieren wie erwartet sehr häufig auftreten: Mehr als jeder Dritte gab an, in der JVA Pöschwies bereits Sprachbarrieren erlebt zu haben. Diejenigen, die bereits Sprachbarrieren erlebt haben, bewerteten die Vollzugsfairness als deutlich schlechter.
Eine wichtige Erkenntnis ist deshalb, Sprachbarrieren im Justizvollzug unbedingt anzugehen. Deshalb wurden die Ergebnisse bereits den Mitarbeitenden der JVA Pöschwies präsentiert. Sie wurden insbesondere für Sprachbarrieren sensibilisiert. Die Direktion der JVA Pöschwies diskutiert nun mögliche Optimierungen. Und auch die Information an die Inhaftierten ist in Planung. Eine wissenschaftliche Publikation in einer internationalen Fachzeitschrift ist in Vorbereitung.
* Basierend auf dem Fragebogen von Fitzalan, Howard & Wakeling
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