Electronic Monitoring (EM) ist eine alternative Vollzugsform im Erwachsenen- wie auch im Jugendstrafrecht. Seit dem 1. Januar 2022 setzen Behörden die elektronische Überwachung nun auch in zivilrechtlichen Verfahren ein.
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Chancen & Grenzen des Electronic Monitoring (EM)
Im Zusammenhang mit dem Einsatz von Electronic Monitoring herrschen in der Öffentlichkeit teilweise falsche Annahmen vor, die grosse Erwartungen wecken. Im Folgenden finden Sie eine Beschreibung der Chancen und Grenzen dieser Technologie.
Was Electronic Monitoring kann
Electronic Monitoring (EM) – auf Deutsch «Elektronische Überwachung» – ist ein allgemeiner Begriff. Er bezieht sich auf Technologien, die den Aufenthaltsort, die Bewegungen und ein bestimmtes Verhalten von Personen mit technischen Hilfsmitteln überwachen. Das EM dient immer dazu, behördliche Auflagen zu kontrollieren.
Die derzeitigen Formen der elektronischen Überwachung basieren auf Radiowellen (Kurzstreckenfunk), sowie biometrischer oder satellitengestützter (GPS) Technologie. Sie umfassen normalerweise ein an die Person angeschlossenes Gerät (elektronischer Fusssender) und werden fernüberwacht (Mobilfunknetz).
Das EM bietet viele Vorteile:
- Es verringert die desozialisierende Wirkung, die ein Aufenthalt in einer Vollzugseinrichtung mitbringen kann (Verlust der Arbeitsstelle, der Wohnung, des sozialen Umfelds, der Tagesstruktur etc.).
- Es gibt einen Einblick in die effektiven Lebensumstände, Problemfelder, Suchtproblematik und die soziale Einbindung.
- Die elektronische Überwachung hat einen psychologischen Effekt. Es fördert die Selbstkontrolle. Namentlich kann sich EM positiv auf das Verhalten der überwachten Person auswirken. EM kann Straftaten zwar nicht verhindern (siehe unten). Doch kann das Wissen um eine engmaschige Kontrolle und die Möglichkeit einer (polizeilichen) Intervention die Überwachten dazu bringen, ihre Auflagen einzuhalten.
- Die betreuenden Behörden können Risikofaktoren für kriminelles Verhalten gemeinsam mit den mit EM überwachten Personen in den realen Lebensbereichen bearbeiten. Dazu gehören beispielsweise Sozialberatung, Lernprogramme aber auch eine Therapie.
Was Electronic Monitoring nicht kann
EM kann keine Flucht oder neue Straftaten verhindern. Durch die schnellere Reaktionszeit und die bessere Beweisführung wird die überwachte Person aber darin bestärkt, sich an die Auflagen zu halten und weder zu fliehen, noch eine Straftat zu begehen.
Die überwachte Person kann sich zudem der Überwachung entziehen. Wenn sie ihren elektronischen Fusssender auszieht oder manipuliert, oder wenn das Signal ausbleibt, löst dies eine Meldung im EM-System aus. Die Behörden können dann intervenieren. Dabei lässt sich bei einer GPS-Überwachung aber nur der letzte Aufenthaltsort des elektronischen Fusssenders (vor einem allfälligen Signalverlust) bestimmen. Dieser stimmt nicht zwingend mit dem aktuellen Aufenthaltsort der Person überein.
Einsatzgebiete
Electronic Monitoring (EM) kommt in verschiedenen Einsatzgebieten im Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung. Zudem setzen es die kantonalen Behörden ein in der Resozialisierung, im Bereich des Jugendstrafrechts und seit dem 1. Januar 2022 auch in zivilrechtlichen Verfahren.
Das EM dient immer dazu, behördliche Auflagen zu kontrollieren. Für die verschiedenen Einsatzgebiete gelten folgende Voraussetzungen.
Erwachsenenstrafrecht
Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.
Während einer laufenden Strafuntersuchung oder eines laufenden Strafverfahrens kann das zuständige (Zwangsmassnahmen-)Gericht anstelle von Untersuchungs- oder Sicherheitshaft Ersatzmassnahmen anordnen. Diese Ersatzmassnahmen können zum Beispiel das Verbot enthalten, sich in einem oder mehreren Bereichen (Orten) aufzuhalten (Rayonverbot), oder die Anweisung, einen bestimmten Bereich nicht zu verlassen (Rayonarrest oder Hausarrest).
Das Gericht kann auch mehrere der genannten Ersatzmassnahmen anordnen und mit EM überwachen lassen. Verstösse gegen die Anordnungen lösen eine Meldung aus und können dazu führen, dass das Gericht Untersuchungshaft anordnet.
Die Behörden überwachen die Ersatzmassnahmen aktiv oder passiv.
Die Gerichte können in einem Strafverfahren nicht nur Strafen aussprechen, sondern auch sogenannte andere Massnahmen. Dazu gehört das gerichtlich angeordnete Rayonverbot: Das Gericht verbietet der verurteilten Person für eine bestimmte Dauer, sich in einem oder mehreren Bereichen (Orten) aufzuhalten. Dies kann beispielsweise der Wohn- und Arbeitsort der geschädigten Person sein.
Die Vollzugsbehörde kann anordnen, dass die Einhaltung des Rayonverbots mit EM kontrolliert wird. Wenn die verurteilte Person das vom Gericht definierte Rayon betritt, löst dies eine Meldung aus. Die Verletzung von gerichtlich angeordneten Rayonverboten ist eine Straftat.
Die Behörden können gerichtlich angeordnete Rayonverbote aktiv oder passiv kontrollieren.
Verurteilte Personen können unter bestimmten Umständen Freiheitsstrafen von 20 Tagen bis 12 Monate im elektronisch überwachten Hausarrest statt im Gefängnis verbüssen.
Damit das möglich ist, müssen verschiedene gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein. Die wichtigsten sind, dass die verurteilte Person über eine Unterkunft und eine geregelte Arbeit von mindestens 20 Stunden pro Woche verfügt. Und natürlich darf nicht die Gefahr bestehen, dass sie flieht oder eine Straftat begehen könnte.
Die Überwachung wird passiv durchgeführt.
Das Bundesgericht hat im März und April 2024 zwei Leiturteile gefällt, welche Electronic Monitoring auch bei Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren erlauben. Bislang war eine elektronische Überwachung nur zulässig, wenn die gesamte Freiheitsstrafe (bedingt und unbedingt) maximal ein Jahr betrug.
Neu ist diese Form des Justizvollzugs auch bei Freiheitsstrafen bis zu 3 Jahren möglich, solange der unbedingte Teil nicht mehr als 12 Monate beträgt.
Elektronisch Monitoring kommt auch zum Einsatz, wenn eine verurteilte Person als letzte Phase in der Verbüssung einer Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten in einen überwachten Hausarrest übertritt.
Es gelten die gleichen Voraussetzungen wie bei Electronic Monitoring als Ersatz für eine Freiheitsstrafe von 20 Tagen bis 12 Monaten. Zusätzlich müssen die Voraussetzungen für einen Übertritt ins Arbeitsexternat erfüllt sein.
Wenn während des Vollzugs eine dieser Voraussetzungen nicht mehr erfüllt ist, muss die Person für den Rest der Strafe wieder zurück ins Gefängnis, aus dem sie in das Electronic Monitoring übergetreten ist.
Die Überwachung wird passiv durchgeführt.
Jugendstrafrecht
Das Jugendstrafrecht sieht den Einsatz von Electronic Monitoring in folgenden Bereichen vor:
- Während der Strafuntersuchung kann die Jugendanwaltschaft EM zur Überwachung von Ersatzmassnahmen an Stelle von Untersuchungshaft anordnen.
- Die Jugendanwaltschaft setzt EM auch ein, um Kontakt- und/oder Rayonverbote zu überwachen. In diesem Fall handelt es sich um eine jugendstrafrechtliche Schutzmassnahme. Die Jugendanwaltschaft kann ein Kontakt- und/oder Rayonverbot sowohl vorsorglich als auch nach Abschluss der Strafuntersuchung, das heisst im Vollzug, anordnen.
Zivilrechtliche Verfahren
Seit 1. Januar 2022 haben auch Zivilgerichte in der Schweiz die Möglichkeit, zum Schutz von gewaltbetroffenen Personen auf Antrag hin Electronic Monitoring anzuordnen.
Das Gericht verbietet beispielsweise der gefährdenden Person, sich in einem oder mehreren Bereichen (Orten) aufzuhalten. Dies kann beispielsweise der Wohn- und Arbeitsort der antragsstellenden Person sein. Zur Überwachung der Einhaltung des Verbots kann das Gericht Electronic Monitoring anordnen. Wenn die verurteilte Person das vom Gericht definierte Rayon betritt, löst dies eine Meldung aus.
Die Überwachung mittels Electronic Monitoring im Rahmen von zivilrechtlichen Verfahren erfolgt passiv.
Überwachungsarten
Beim Electronic Monitoring (EM) trägt die zu überwachende Person einen elektronischen Sender am Fussgelenk. Zusätzlich erhält sie örtliche und/oder zeitliche Auflagen. So darf er oder sie sich beispielsweise in der Nacht nicht mehr an gewissen Orten aufhalten. Ein Verstoss gegen diese Auflagen oder eine Manipulation lösen eine Meldung aus. Die anordnende Behörde erhält die Meldung und kann anschliessend intervenieren.
Man unterscheidet dabei zwei Formen der Überwachung: Die aktive Überwachung kommt in der Regel bei Ersatzmassnahmen für Untersuchungshaft zum Einsatz. Die passive bei allen anderen Einsatzgebieten.
Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.
Bei der passiven Überwachung kontrollieren die Behörden zu Bürozeiten (Mo-Fr), ob sich eine verurteilte Person an die Auflage/n hält. Allfällige Meldungen leitet die EM-Vollzugsstelle zeitverzögert, spätestens aber am nächsten Arbeitstag, an die zuständige Behörde weiter. Eine unmittelbare Reaktion auf Verstösse ist bei der passiven Überwachung nicht möglich.
Bei der aktiven Form kontrolliert eine Überwachungszentrale während 24 Stunden und 7 Tagen pro Woche (24/7), ob die verurteilte Person die Auflage/n einhält. Die Zentrale verarbeitet die Meldungen und leitet diese unmittelbar an die zuständige Behörde weiter. Eine zeitnahe Reaktion auf Verstösse ist bei der aktiven Überwachung möglich (z.B. Kontaktaufnahme mit überwachter Person, Polizeieinsatz).
Technik & Varianten
Das Electronic Monitoring-System besteht aus dem EM-Server, der EM-Applikation, der Datenübertragung, den Arbeitsstationen und den Feldgeräten.
Der EM-Server wird redundant betrieben und befindet sich zurzeit im Kanton Zürich. Redundant heisst, dass alle Daten an zwei physisch voneinander getrennten Orten gespeichert werden. Die beiden Server arbeiten synchron. Fällt ein Server aus, so arbeitet der Zweite weiter. Das Funktionieren des EM-Systems ist so jederzeit sichergestellt.
Der Kanton Zürich setzt das sogenannte RF-EM (Radio-Frequenz-Electronic Monitoring) und GPS-EM (Global Positioning System-Electronic Monitoring) zur elektronischen Überwachung ein.
Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.
Die elektronische Überwachung erfolgt über einen Sender, welcher am Fussgelenk der beschuldigten Person angebracht wird. Das in der Unterkunft/Wohnung installierte Empfangsgerät (Hausarrestgerät) empfängt die Signale des Senders über Kurzstreckenfunk/Radio-Frequenz (RF), sofern sich die überwachte Person im Empfangsbereich befindet. Das Empfangsgerät überträgt die erhaltenen elektronischen Signale über das Mobilfunknetz an den EM-Server und ermöglicht es so, zu kontrollieren, ob die überwachte Person anwesend ist. Dann findet ein Abgleich mit dem vordefinierten Zeitplan statt und das System registriert z.B. eine zu späte Rückkehr in den Hausarrest.
Diese Technik entspricht dem klassischen (elektronisch überwachten) Hausarrest und ermöglicht eine Anwesenheitskontrolle.
Die elektronische Überwachung erfolgt über einen Sender, welcher am Fussgelenk der überwachten Person angebracht wird. Der Sender überträgt die erhaltenen elektronischen GPS-Signale (GPS: Global Positioning System) über das Mobilfunknetz an den EM-Server und ermöglicht die Kontrolle des Aufenthalts (Ortung) der überwachten Person. Das System gleicht den Standort jeweils mit den vordefinierten Zeit- und Zonenplänen ab (Verbots- oder Arrestzonen) und registriert z.B. das Betreten eines verbotenen Rayons. Bei fehlenden GPS-Signalen kommt eine Ortung über das Mobilfunknetz zur Anwendung. Die Aufenthaltsüberwachung kann mit der Anwesenheitsüberwachung kombiniert werden.
Diese Technik ermöglicht eine Aufenthaltskontrolle (Ortung).
Weiterführende Informationen
Verwenden Sie die Akkordeon-Bedienelemente, um die Sichtbarkeit der jeweiligen Panels (unterhalb der Bedienelemente) umzuschalten.