0429

Entscheidinstanz
Bezirksräte
Geschäftsnummer
US.2023.11
Entscheiddatum
9. Oktober 2023
Rechtsgebiet
Schulrecht (Volksschule)
Stichworte
Schulunterricht Sportschule Privatschule Besondere Schule Leistungssport Kostenbeteiligung Kostenübernahme
Verwendete Erlasse
Art. 19 BV Art. 62 BV § 14 VSG § 34 VSG § 36 Abs. 1 VSG § 38 Abs. 1 VSG § 71 Abs. 1 VSG § 2 Abs. 1 VSM § 12 Abs. 1 VSV
Zusammenfassung (verfasst von der Staatskanzlei)
Die Gemeinde Gossau muss die Kosten für den Besuch einer Sechstklässlerin, die nebenher Schwimmen als Spitzensport betreibt, einer privaten Sportschule nicht übernehmen. Es gibt keine derartige Pflicht. Weder der Umstand, dass allenfalls andere Gemeinden sich an den Kosten der besagten Sportschule beteiligen, noch eine allfällige Kostenersparnis der öffentlichen Schule – die für eine einzelne Schülerin ohnedies fraglich erscheint – verschaffen den rekurrierenden Eltern einen Anspruch auf die beantragte Kostenübernahme oder -beteiligung. Nur die Kostenübernahme an einer öffentlichen Sportschule des Kantons Zürich wäre für die Gemeinde obligatorisch.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A (Rekurrentin 2) und B (Rekurrent 1; zusammen nachfolgend auch als Rekurrenten bezeichnet) sind die Eltern von C, welche im Schuljahr 2022/23 die 6. Primarklasse im Schulhaus X, Gossau, besuchte. C betreibt Schwimmen als Spitzensport und schwimmt auf Stufe NSM U14 mit (im Juni 2023) einem Trainingspensum von zehn, sowie ab Sommer 2023 ca. 14 Stunden pro Woche. Mit Schreiben vom 20. April 2023 beantragten die Rekurrenten bei der Gemeinde Gossau (nachfolgend Rekursgegnerin), vertreten durch die Schulpflege Gossau, die Kostenübernahme der Sportschule Y. Dies mit der Begründung, dass ein Besuch der öffentlichen Schule mit den vielen Hausaufgaben es praktisch unmöglich mache, Spitzensport zu betreiben. Zudem würden andere Gemeinden die Kosten der Sportschule Y auf freiwilliger Basis übernehmen. Die Kosten der Sportschule Y belaufen sich auf Fr. 26'000.- pro Schuljahr. Mit der Begründung, dass es sich bei der Sportschule Y nicht um eine der drei im Kanton Zürich anerkannte Schulen für künstlerisch oder sportlich speziell begabte Sekundarschülerinnen und Sekundarschüler handle (zu deren Kostenübernahme die Gemeinden verpflichtet seien), lehnte die Schulpflege Gossau mit Beschluss vom 19. Juni 2023 eine Kostenübernahme der Sportschule Y ab (nachfolgend auch als angefochtener Entscheid bezeichnet). Mit Eingabe vom 16. Juli 2023 gelangten die Rekurrenten gegen den angefochtenen Entscheid an den Bezirksrat und beantragten «eine Kostenbeteiligung in der Höhe der Kosten, welche ein Kind die Gemeinde für ein Oberstufenschuljahr aufwendet (14'000.- bis 15'000.-) für das Schuljahr 2022/2023» (richtig wohl: für das Schuljahr 2023/2024). Mit Präsidialverfügung vom 21. Juli 2023 wurde der Rekursgegnerin Frist zur Vernehmlassung und Einreichung der vollständigen Akten angesetzt, welche mit Datum vom 25. August 2023 und Antrag auf Rekursabweisung am 24. August 2023 hier eingingen. Innert der mit Präsidialverfügung vom 28. August 2023 angesetzten Replikfrist haben die Rekurrenten keine solche erstattet. Das Verfahren ist damit spruchreif.

Erwägungen:

1. [Prozesslegitimation]

2. Vorbringen der Parteien und auf der Rechtslage basierende Würdigung des Bezirksrats

2.1 Argumente der Rekurrenten

Die Rekurrenten bringen zur Begründung ihres Rekurses vor, die Rekursgegnerin beziehe sich auf das öffentliche Angebot an Sportschulen, wie die K+S Zürich oder die KUSs, bei denen die Kosten von Fr. 19'700.- übernommen würden. Je nach Sportart sei es jedoch nicht möglich, den für die Aufnahme an diese Schulen geforderten Leistungsausweis im Alter von C zu erbringen. Sichtbare Leistungen seien im Zeitpunkt der Bewerbung für die KUSs aufgrund eines Trainingsausfalls (Bruch des Armgelenks) noch zu wenig vorweisbar gewesen. Aus diesem Grund hätten sie sich für die Sportschule Y entschieden. C werde sich für die 2. Sekundarstufe bei der KUSs Uster bewerben. Auch wenn die Sportschule Y eine Privatschule sei, würden die meisten Gemeinden einen Beitrag daran leisten, zumindest in der Höhe, die ein Kind die Gemeinde beim Besuch der Oberstufe kosten würde. Der Oberstufenbesuch (inkl. Hausaufgaben) an der öffentlichen Schule sei mit dem Trainingsaufwand von 14 Stunden in der Woche und Wettkämpfen am Wochenende – regelmässig am Samstag und Sonntag, jeweils vom 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr – nicht zu bewältigen, zumal Absenzen für gewisse Trainingseinheiten von der Schule Gossau nur sehr ungern bis gar nicht bewilligt würden. Diese Erfahrung hätten sie bereits hinsichtlich dem Morgentraining gemacht. Für die Oberstufe würde C zwecks Trainingsbesuch und Erhalt der Mitgliedschaft in der NSM U15 Gruppe acht Absenzstunden beziehen müssen.

2.2 Argumente der Rekursgegnerin

Die Rekursgegnerin begründet ihren Antrag auf Rekursabweisung in ihrer Vernehmlassung im Wesentlichen damit, dass es sich bei der Sportschule Y um eine Privatschule handle, zu deren Kostenübernahme die Gemeinden nicht verpflichtet seien. Eine solche komme nach der zürcherischen Volksschulgesetzgebung unter gegebenen Voraussetzungen von Vorneherein lediglich im Bereich der Sonderschulung in Frage. Bei C liege kein Bedarf nach sonderpädagogischen Massnahmen vor, sondern mit dem Besuch der Sportschule Y gehe es um die Förderung ihrer sportlichen Karriere durch besondere Ausgestaltung der Unterrichtszeiten. Auch seien Privatschulen wie die Sportschule Y als «besondere Schulen» im Sinne von § 14 des Volksschulgesetzes vom 7. Februar 2005 (VSG; LS 412.100) ausgeschlossen. Die Rekurrenten hätten daher einerseits die Option, für C ein Aufnahmegesuch an einer öffentlichen Sportschule des Kantons zu stellen (zu deren Kostenübernahme die Gemeinde verpflichtet sei), andererseits ermögliche auch das Instrument der Dispensation, den Schulunterricht an der Regelschule mit einem hohen sportlichen Engagement vereinbar zu machen. 

Aus dem von den Rekurrenten eingereichten Trainingsplan von C sei überdies ersichtlich, dass die von Montag bis Freitag anfallenden 9.5 Stunden Trainingszeit am späten Nachmittag stattfänden. Aus Sicht der Schule würde mit diesen Trainingszeiten eine Dispensation möglich sein, wie dies auch bei anderen Schülerinnen und Schülern an der Sekundarschule seit Jahren umgesetzt werde. Auch wenn andere Gemeinden unterschiedliche Praxen bezüglich Kostenbeteiligung an privaten Sportschulen haben, übernehme die Gemeinde Gossau aus Gleichbehandlungsgründen nur die Kosten an öffentlich anerkannten Sportschulen. Die Rekurrenten irrten, wenn sie meinen, dass der Nichtbesuch der gemeindeeigenen öffentlichen Schule durch eine einzelne Schülerin gleich zu einer entsprechenden Einsparung führe. Dies würde erst der Fall sein, wenn der Nichtbesuch der öffentlichen Schule zu einer Reduktion der Klassen oder Lektionenzahl der Lehrpersonen führen würde. 

2.3 Rechtslage und Würdigung des Bezirksrats

2.3.1 Rechtslage

Art. 19 Bundesverfassung (BV) gewährleistet als Grundrecht einen Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht. Zuständig für das Schulwesen sind die Kantone (vgl. Art. 62 Abs. 1 BV). Sie gewähren nach Art. 62 Abs. 2 BV einen ausreichenden Grundschulunterricht, der allen Kindern offensteht und an öffentlichen Schulen unentgeltlich ist. Wie andere soziale Grundrechte gewährleistet auch der Anspruch auf ausreichenden und unentgeltlichen Grundschulunterricht nach bundesgerichtlicher Praxis nur einen Mindeststandard. Der sich aus Art. 19 BV ergebende Anspruch (über welchen Art. 14 der Verfassung des Kantons Zürich vom 27. Februar 2005 nicht hinausgeht) umfasst daher nur ein angemessenes, erfahrungsgemäss ausreichendes Bildungsangebot an öffentlichen Schulen. Ein Mehr an individueller Betreuung, das theoretisch möglich wäre, kann mit Rücksicht auf das staatliche Leistungsvermögen gestützt auf die Verfassung nicht gefordert werden. Die aufgrund von Art. 19 BV garantierte Grundschulung muss aber auf jeden Fall für den Einzelnen angemessen und geeignet sein bzw. genügen, um ihn angemessen auf ein selbstverantwortliches Leben im modernen Alltag vorzubereiten. In diesem Rahmen ergibt sich aus Art. 19 BV ein Anspruch auf eine den individuellen Fähigkeiten des Kindes und seiner Persönlichkeitsentwicklung entsprechende unentgeltliche Grundschulausbildung an einer öffentlichen Schule (Entscheide des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich [VGr,], VB.2010.00317 vom 24. November 2010 E. 2.1 sowie VB.2021.00768 vom 17. März 2022 E. 3, je mit Hinweisen). Die Volksschulgesetzgebung sieht verschiedene Instrumentarien in klar geregelten Verfahren vor, wenn ein Kind in der Regelklasse schulisch nicht angemessen gefördert werden kann (vgl. § 2 Abs. 1 Verordnung über sonderpädagogische Massnahmen vom 11. Juli 2007 [VSM; LS 412.103]). Im Fall der Begabtenförderung geht es darum, dass das in der besonderen oder der Hochbegabung liegende Potential in adäquate schulische Leistung umgesetzt werden kann. «Angemessene Förderung», welche sonderpädagogische Massnahmen erforderlich macht, heisst in diesem Zusammenhang, diese Umsetzung zu ermöglichen. Mithin bezieht sich der Förderungsbedarf auf den schulischen Bereich und nicht auf ausserschulische Aspekte. Das ergibt sich im Übrigen auch aus den Bestimmungen zum Verfahren: Kann unter den Eltern, der Lehrperson und Schulleitung keine Einigung über die sonderpädagogische Massnahme erzielt werden, so wird eine schulpsychologische Abklärung durchgeführt (vgl. § 38 Abs. 1 VSG). Eine solche Abklärung kann aber nur dann weiterhelfen, wenn pädagogische oder psychologische Fragen zu klären sind. Aus dem Umstand, dass bei Uneinigkeit eine schulpsychologische Abklärung erforderlich ist, ergibt sich, dass die in Frage stehende Massnahme, nämlich eine solche nach § 34 VSG, aus pädagogischen Gründen erforderlich sein muss.

Gemäss § 14 VSG kann der Regierungsrat für besonders begabte Schülerinnen und Schüler Schulen mit Bildungsschwerpunkten oder Rahmenbedingungen bewilligen, die von der Gesetzgebung abweichen. Diese Schulen werden von den Gemeinden geführt (§ 12 Abs. 1 der Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006 [VSV; LS 412.101]). Bei den vom Regierungsrat in Anwendung dieser Bestimmungen bewilligten Kunst- und Sport-Schulen (im Zeitpunkt des Verwaltungsgerichtsentscheides VB.2010.00317 der Städte Zürich und Uster) handelt es sich nicht um eine sonderpädagogische Massnahme nach § 34 VSG, welche die schulischen Leistungen entsprechend der Begabung ermöglicht, sondern es geht darum, Schulen zu schaffen, welche den speziellen Bedürfnissen sportlich oder künstlerisch besonders begabter Kinder nach flexiblen und angepassten schulischen Rahmenbedingungen Rechnung trägt, um diese ausserschulischen Leistungen zu erbringen und die sportlichen oder künstlerischen Karrieren zu fördern.

Aus den Bestimmungen über die «Besonderen Schulen» kann von vornherein nicht abgeleitet werden, die Schulgemeinde habe die Kosten einer Privatschule zu übernehmen, da solche Schulen von den Gemeinden geführt werden (§ 12 Abs. 1 VSV), womit Privatschulen als «Besondere Schulen» (anders als bei den Sonderschulen [§ 36 Abs. 1 VSG]) ausgeschlossen sind (VGr, VB.2010.00317 vom 24. November 2010 E. 5). Entschliessen sich die Eltern, ihr Kind an einer Privatschule unterrichten zu lassen, verzichten sie auf den an der öffentlichen Schule angebotenen unentgeltlichen Unterricht, allerdings nicht zwingend auch auf die weiteren im Zusammenhang mit der Schule erbrachten Leistungen des Staates wie Besuch der Musikschule, Nutzung der Angebote des freiwilligen Schulsportes etc. (Rüssli, Rechtsstellung und Bedeutung der Privatschulen im Kanton Zürich in: Das neue Zürcher Volksschulrecht [Hrsg. Gächter/Jaag], Zürich/St. Gallen 2007, S. 35 ff., S. 47; § 71 Abs. 1 VSG). 

2.3.2 Sportschule Y

Dass es sich bei der Sportschule Y um eine Privatschule und nicht eine vom Regierungsrat im Sinne von § 14 VSG bewilligte Besondere Schule handelt, ist unbestritten. Damit entfällt nach dem vorstehend in Erw. 2.3.1 Ausgeführten ein Anspruch auf Kostenbeteiligung oder –übernahme durch die Gemeinde Gossau. Weder der Umstand, dass allenfalls andere Gemeinden sich an den Kosten der Sportschule Y beteiligen, noch eine allfällige Kostenersparnis der öffentlichen Schule (welche für eine einzelne Schülerin fraglich erscheint), verschaffen den Rekurrenten einen Anspruch auf die beantragte Kostenübernahme oder -beteiligung. 

2.4 Fazit

Der Rekurs erweist sich als unbegründet, weshalb er abzuweisen ist.

3. [Kostenfolgen]

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