0420

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2023-2459
Entscheiddatum
25. September 2023
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Stichworte
Electronic Monitoring Gemeinnützige Arbeit Strafvollzug
Verwendete Erlasse
Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB Art. 79a Abs. 6 StGB Art. 79b Abs. 1 lit. a StGB Art. 79b Abs. 2 StGB § 38 Abs. 2 JVV § 57a Abs. 1 lit. b JVV

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Die Rekurrentin ersuchte um Verbüssung ihrer Strafe in der besonderen Vollzugsform des Electronic Monitoring (EM). Nachdem sie vom Rekursgegner aufgefordert worden war, weitere Unterlagen einzureichen, damit geprüft werden könne, ob sie die Voraussetzungen für die Strafverbüssung in Form von EM erfülle, beantragte sie die Verbüssung der Freiheitsstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit, was ihr bewilligt wurde. Der Entscheid über das Gesuch um Strafverbüssung in Form von EM wurde damit hinfällig. Der Rekursgegner brach den Vollzug der gemeinnützigen Arbeit schliesslich aus gesundheitlichen Gründen ab, woraufhin die Rekurrentin erneut um Verbüssung der Strafe in Form von EM ersuchte.

Da der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit abgebrochen wurde, ist die Freiheitsstrafe im Normalvollzug zu vollziehen. Eine Strafverbüssung in Form von EM ist daher nicht mehr möglich. Im Übrigen erfüllt die Rekurrentin die Voraussetzungen für eine Strafverbüssung in Form von EM ohnehin nicht, da aufgrund der von ihr eingereichten ärztlichen Befunden nicht zu erwarten ist, dass sie zeitnah arbeitsfähig wird. Zudem erbringt sie weder den Nachweis einer dauerhaften Unterkunft noch einer Privathaftpflichtversicherung. Folglich wird der Rekurs abgewiesen.
 

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:
Mit Strafbefehl der Staatsanwaltschaft X. vom 23. Mai 2016 wurde A. wegen Vergehens gegen das Ausländergesetz (rechtwidriger Aufenthalt) zu einer Freiheitsstrafe von 60 Tagen verurteilt. Am 7. März 2022 wies Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich, […], (nachfolgend: JuWe), A. darauf hin, dass sie die Strafe in einer besonderen Vollzugsform verbüssen könne, sofern sie die persönlichen Voraussetzungen erfülle. A. ersuchte am 13. April 2022 um Strafverbüssung in Form von Electronic Monitoring (nachfolgend: EM). Nachdem A. mit Schreiben vom JuWe vom 25. April 2022 aufgefordert worden war, weitere Unterlagen einzureichen, damit geprüft werden könne, ob sie die Voraussetzungen für die Strafverbüssung in Form von EM erfülle, teilte ihr Ehemann dem JuWe telefonisch mit, dass sie über keinen Arbeitsvertrag verfüge. In der Folge beantragte A. am 26. Mai 2022 beim JuWe die Verbüssung der Freiheitsstrafe in Form von gemeinnütziger Arbeit. Ein Ersuchen des JuWe um rechtshilfeweisen Vollzug hiess die Vollzugsbehörde des Kantons Y. gut und bewilligte A. am 21. Dezember 2022 die Strafverbüssung in Form von gemeinnütziger Arbeit. Der Entscheid über das Gesuch um Strafverbüssung in Form von EM wurde damit hinfällig. Am 23. Januar 2023 reichte A. der Vollzugsbehörde des Kantons Y. ein ärztliches Zeugnis ein, in welchem ihr wegen […] eine Arbeitsunfähigkeit attestiert wurde. Mit Verfügung vom 11. April 2023 brach das JuWe schliesslich den Vollzug der gemeinnützigen Arbeit aus gesundheitlichen Gründen ab. A. stellte am 20. April 2023 beim JuWe erneut ein Gesuch um Strafverbüssung in Form von EM. Mit Verfügung vom 28. Juni 2023 wies das JuWe das Gesuch von A. vom 20. April 2023 um Strafverbüssung in Form von EM ab. Gegen diese Verfügung erhob A. (Rekurrentin) mit Eingabe vom 31. Juli 2023 (Posteingang) Rekurs bei der Direktion der Justiz und des lnnern. Das JuWe (Rekursgegner) nahm mit Vernehmlassung vom 21. August 2023 und Untervernehmlassung vom 15. August 2023 Stellung zum Rekurs, beantragte dessen Abweisung und reichte die Akten ein. Die Rekurrentin liess sich innert Frist nicht vernehmen. Am 19. September 2023 (Posteingang) reichte sie eine Vollmacht ein, die ihre Ärztin zur Auskunftserteilung über ihren Gesundheitszustand ermächtigt. Die Sachverhaltsermittlungen gelten damit als abgeschlossen.

Erwägungen:

1. [Prozessvoraussetzungen]

2.

2.1 Die Rekurrentin macht unter Beilage neuer Arztberichte geltend, dass sich ihr Gesundheitszustand seit dem Entscheid des Rekursgegners nochmals verschlechtert habe («Grave détérioration de mon état de santé»), weshalb ihr der Vollzug mittels EM zu gewähren sei.

2.2 Demgegenüber führt der Rekursgegner im Wesentlichen aus, mit der Bewilligung der gemeinnützigen Arbeit sei der Entscheid über das Gesuch um Strafverbüssung in Form von EM hinfällig geworden. Da der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit abgebrochen worden sei, sei die Freiheitsstrafe im Normalvollzug zu vollziehen. Eine Strafverbüssung in Form von EM sei daher nicht mehr möglich. Im Übrigen würde die Rekurrentin die Voraussetzungen für eine Strafverbüssung in Form von EM ohnehin nicht erfüllen, da aufgrund der von ihr eingereichten ärztlichen Befunden nicht zu erwarten sei, dass sie zeitnah arbeitsfähig werde. Zudem habe sie weder den Nachweis einer dauerhaften Unterkunft noch einer Privathaftpflichtversicherung erbracht.

3.

3.1 Nach Art. 79b Abs. 1 lit. a des Strafgesetzbuchs (StGB) ist der Vollzug von Freiheitsstrafen in der Form der Elektronischen Überwachung (Electronic Monitoring) für den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von 20 Tagen bis zu 12 Monaten möglich.

3.2 Die elektronische Überwachung kann nur angeordnet werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 79b Abs. 2 StGB erfüllt sind (keine Flucht- und Rückfallgefahr, dauerhafte Unterkunft, geregelte Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche, Zustimmung der mit der verurteilten Person in derselben Wohnung lebenden erwachsenen Personen und Zustimmung der verurteilten Person zu dem für sie ausgearbeiteten Vollzugsplan). Haus-, Erziehungsarbeit oder Arbeitsloseneinsatzprogramme sind gleichgestellt (§ 38 Abs. 2 der Justizvollzugsverordnung [JVV] in Verbindung mit Ziff. 1.3.B der Richtlinien der Ostschweizer Strafvollzugskommission für die besonderen Vollzugsformen vom 31. März 2017 [nachfolgend: Richtlinien]).
Ziff. 1.3.B lit. g der Richtlinien fordert die Gewähr, dass die Vollzugsbedingungen eingehalten werden. Diese Gewähr wird in der Fussnote 6 weiter präzisiert: die verurteilte Person muss beispielsweise gesundheitlich der Belastung in der jeweiligen Vollzugsform gewachsen und insbesondere in der Lage sein, Arbeitseinsätze zu leisten bzw. einer Arbeit oder Ausbildung nachzugehen. Sie muss erreichbar sein und sich als zuverlässig erweisen.
Ausserdem muss die verurteilte Person den Nachweis einer Privathaftpflichtversicherung erbringen (§ 38 Abs. 2 JVV in Verbindung mit Ziff. 1.3.B lit. l der Richtlinien).

4.
Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet die Verfügung des Rekursgegners vom 11. April 2023, womit dieser den Vollzug der gemeinnützigen Arbeit aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen hat. Wird der Vollzug der gemeinnützigen Arbeit abgebrochen, wird die Freiheitsstrafe im Normalvollzug oder in Form der Halbgefangenschaft vollzogen (vgl. § 57a Abs. 1 lit. b JVV und Art. 79a Abs. 6 StGB). Eine Strafverbüssung in Form von EM ist daher nicht mehr möglich. Im Übrigen wären die Voraussetzungen für die Strafverbüssung in Form von EM ohnehin nicht erfüllt. So hat die Rekurrentin es unterlassen, den Nachweis einer dauerhaften Unterkunft und einer Privathaftpflichtversicherung zu erbringen. Zudem ist gestützt auf die eingereichten ärztlichen Befunde vom 19. Januar 2023 (medikamentöse Behandlung […] aufgrund […]) bzw. 16. Juni 2023 (langjährige gesundheitliche Beschwerden: […]) nicht davon auszugehen, dass ihre Arbeitsfähigkeit zeitnah wiederhergestellt sein wird. Vor diesem Hintergrund kommt auch eine Halbgefangenschaft, die ebenfalls eine geregelte Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche voraussetzt (Art. 77b Abs. 1 lit. b StGB), nicht in Frage. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Rekursgegner die Verbüssung der Freiheitsstrafe im offenen oder geschlossenen Normalvollzug verfügt hat, ohne der Rekurrentin vorgängig die Gelegenheit zu gewähren, ein Gesuch um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft zu stellen.

5.
Nach dem Gesagten ist die angefochtene Verfügung nicht zu beanstanden und der Rekurs abzuweisen.

6.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Rekurrentin kostenpflichtig (§ 13 Abs. 2
des Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]).

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