0411

Entscheidinstanz
Direktion der Justiz und des Innern
Geschäftsnummer
JI-2023-0282
Entscheiddatum
19. April 2023
Rechtsgebiet
Straf- und Massnahmenvollzug
Stichworte
Rechtliches Gehör Halbgefangenschaft Strafvollzug
Verwendete Erlasse
Art. 29 Abs. 2 BV Art. 77b Abs. 1 StGB § 38 Abs. 2 JVV § 48 Abs. 1 JVV § 7 Abs. 2 VRG

Zusammenfassung (verfasst von der Direktion der Justiz und des Innern):

Der Rekursgegner hat dem Rekurrenten die Gelegenheit eingeräumt, zum beabsichtigten ablehnenden Entscheid vorab schriftlich Stellung zu nehmen. Dem Anspruch des Rekurrenten auf rechtliches Gehör wurde hinreichend nachgekommen. Es liegt keine Gehörsverletzung vor.

Die zeitlichen Voraussetzungen für eine Strafverbüssung in Form von Halbgefangenschaft sind gegeben. Der Rekurrent erfüllt aber die persönlichen Voraussetzungen für diese besondere Strafvollzugsform nicht. So fehlt es bei ihm an einer erforderlichen Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit, wenn er angesetzte Fristen ungenutzt verstreichen, über mehrere Monate trotz mehrmaliger Nachfrage nichts von sich hören und sich per Post nicht erreichen lässt.

Anonymisierter Entscheidtext (Auszug):

Sachverhalt:

A. wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 2. Mai 2019 wegen mehrfachen, teilweise versuchten Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfacher Gehilfenschaft zu Verbrechen gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfachen Diebstahls, mehrfacher Sachbeschädigung, vorsätzlichen Fahrens in fahrunfähigem Zustand sowie mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten, 10 Monate aufgeschoben, sowie einer Busse von Fr. 300.– verurteilt. Die Freiheitsstrafe von sechs Monaten, abzüglich 88 durch Haft erstandene Tage, ist vollstreckbar. In den Jahren 2018 und 2019 wurde A. im Kanton C. mit mehreren Strafbefehlen zu Bussen und Geldstrafen verurteilt, deren Vollzug dem Kanton Zürich abgetreten wurde. Nach einer Zahlung in Höhe von Fr. 4'500.00 vom 23. Januar 2023 ist noch eine Ersatzfreiheitsstrafe von 49 Tagen vollstreckbar.

Am 6. August 2019 stellte A. das erste Gesuch um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft. Mit Verfügung vom 27. August 2019 wies das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungs- und Vollzugsdienste, Strafvollzug, (heute: Justizvollzug und Wiedereingliederung Kanton Zürich; nachfolgend: JuWe) das Gesuch ab und lud A. zur Strafverbüssung im Normalvollzug am 21. Januar 2020 vor. A. trat seine Strafe am 21. Januar 2020 nicht an, worauf er zur Verhaftung ausgeschrieben wurde. Am Nachmittag desselben Tages teilte A. dem JuWe mit, dass er inzwischen eine Arbeitsstelle gefunden habe und bat darum, die Freiheitsstrafe in Halbgefangenschaft zu verbüssen. Per 7. Februar 2020 bezahlte A. die ausstehenden Bussen und Geldstrafen, um die Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden und formell wieder berechtigt zu sein, Halbgefangenschaft zu leisten. Daraufhin wurde der Verhaftsbefehl durch das JuWe revoziert.

Am 11. März 2020 reichte A. das zweite Gesuch um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft ein. Mit Verfügung vom 23. Oktober 2020 wies das JuWe das Gesuch ab und lud A. zur Strafverbüssung im Normalvollzug am 5. Januar 2021 vor. Den dagegen erhobenen Rekurs hiess die Direktion der Justiz und des Innern mit Verfügung vom 24. März 2021 teilweise gut, hob die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur neuen Entscheidung an das JuWe zurück. Sie begründete die Rückweisung im Wesentlichen damit, dass zur Beurteilung der Rückfallgefahr aufgrund der behaupteten veränderten Verhältnisse nicht ohne Weiteres auf die Risikoabklärung vom Oktober 2019 abgestellt werden könne, sondern der Sachverhalt weiter abzuklären sei.
Mit Verfügung vom 5. Dezember 2022 wies das JuWe das Gesuch von A. um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft erneut ab. Gegen diese Verfügung erhob A. mit Eingabe vom 18. Januar 2023, vertreten durch Rechtsanwalt B., Rekurs bei der Direktion der Justiz und des Innern. Er beantragte, die angefochtene Verfügung sei aufzuheben und ihm sei die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft zu gewähren, eventualiter sei die Verfügung aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen. Mit Vernehmlassung vom 16. Februar 2023 und Untervernehmlassung vom 15. Februar 2023 beantragte das JuWe die Abweisung des Rekurses und reichte die Vollzugsakten ein. Mit Eingabe vom 20. Februar 2023 liess A. zur Rekursvernehmlassung des JuWe Stellung nehmen und an seinen Anträgen festhalten. Das JuWe reichte innert angesetzter Frist keine weitere Stellungnahme ein, womit die Sachverhaltsermittlungen als abgeschlossen gelten.

Erwägungen:

1. [Prozessvoraussetzungen]

2.

2.1 Der Rekurrent rügt zunächst in formeller Hinsicht eine Verletzung seines rechtlichen Gehörsanspruchs. Der Rekursgegner habe die angefochtene Verfügung erlassen, ohne ihn vorher korrekt anzuhören. Deshalb sei die Verfügung aufzuheben und die Sache an den Rekursgegner zurückzuweisen.

2.2 Der Anspruch auf rechtliches Gehör gemäss Art. 29 Abs. 2 BV ist formeller Natur. Dessen Verletzung führt ungeachtet der materiellen Begründetheit des Rechtsmittels, zur Gutheissung des Rechtsmittels und zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Klärung des Sachverhaltes, anderseits stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheides dar, welcher in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs kann ausnahmsweise als geheilt gelten, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Unter dieser Voraussetzung ist darüber hinaus – im Sinne einer Heilung des Mangels – selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör von einer Rückweisung der Sache an die Vorinstanz abzusehen, wenn und soweit die Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht zu vereinbaren wären (BGE 137 I 195 E. 2.3.2 und BGE 135 I 187 E. 2.2 mit weiteren Hinweisen).

2.3 Der Rekurrent begründet die geltend gemachte Gehörsverletzung wie folgt: Aufgrund des verpassten Besprechungstermins am 28. September 2022 habe der Rekursgegner seinem Rechtsvertreter am 3. November 2022 ein Schreiben vom 31. Oktober 2022 zustellen lassen, in welchem ihm (dem Rekurrenten) eine 10-tägige Frist zur Stellungnahme gesetzt worden sei. Daraufhin habe sein Rechtsvertreter innert Frist um eine Erstreckung der Frist zur Stellungnahme ersucht. Weder er (der Rekurrent) noch sein Rechtsvertreter hätten eine Antwort auf das Fristerstreckungsgesuch vom 11. November 2022 erhalten. Beim telefonischen Kontakt am 16. November 2022 sei er weder darüber informiert worden, ob er weiterhin eine Möglichkeit zur Stellungnahme habe, noch sei ihm eine neue Frist zur Einreichung seiner Stellungnahme angesetzt worden. Am 29. November 2022 habe er (der Rekurrent) vergeblich versucht, den Rekursgegner telefonisch zu erreichen. Seine Äusserungen am Telefon und per E-Mail könnten nicht als Stellungnahme gedeutet werden. In der Folge habe der Rekursgegner die angefochtene Verfügung erlassen, ohne ihn vorher korrekt angehört zu haben.

2.4 Aus den Akten ergibt sich Folgendes: Mit Schreiben vom 31. Oktober 2022 teilte der Rekursgegner dem Rekurrenten mit, dass er den Besprechungs- bzw. Anhörungstermin vom 28. September 2022 unentschuldigt bzw. unangekündigt nicht wahrgenommen habe. Er (der Rekursgegner) beabsichtige daher, das Gesuch um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft erneut mangels der erforderlichen Vertrags- und Absprachefähigkeit abzuweisen. Der Rekursgegner lud den Rekurrenten ein, innert 10 Tagen nach Erhalt des Schreibens dazu Stellung zu nehmen. Das Schreiben wurde am 3. November 2022 dem Rechtsvertreter des Rekurrenten zugestellt.
Am 11. November 2022 ersuchte der Rechtsvertreter per E-Mail um Erstreckung der Frist zur Stellungnahme um 10 Tage und wies darauf hin, dass das Mandatsverhältnis hiermit beendet sei. Daraufhin meldete sich der Rekurrent am 16. November per E-Mail beim Rekursgegner. Dabei gab er an, dass er Letzteren mehrmals angerufen oder per E-Mail angeschrieben habe, ohne eine Rückmeldung zu erhalten. Unter seiner Mobiltelefonnummer sei er jederzeit erreichbar. An seiner Situation habe sich nichts geändert, er arbeite immer noch am selben Ort und alles sei beim Alten. Zudem ersuchte der Rekurrent um einen neuen Termin. Gleichentags kontaktierte der Rekurrent den Rekursgegner noch telefonisch. Gemäss entsprechender Aktennotiz verwies der Rekurrent auf den Inhalt seiner E-Mail vom 16. November 2022. Nach einer Zustelladresse gefragt teilte der Rekurrent mit, dass er an der bisher benutzten Adresse D. wohnen würde. Der Briefkasten sei aber nicht angeschrieben und er plane auch nicht, dies zu ändern. Er wohne nur wegen der Arbeit dort. Postalisch erreichbar sei er bei seiner Partnerin in E. Dort sei er aber nur einmal in zwei Wochen. Er werde die Post also wohl nur verzögert entgegennehmen können.

2.5 Bei dieser Aktenlage erschliesst sich nicht, ob das Fristerstreckungsgesuch vom 11. November 2022 anlässlich des Telefonats vom 16. November 2022 besprochen wurde oder nicht. Eine schriftliche Antwort auf das per E-Mail gestellte Fristerstreckungsgesuch oder auf die mündliche Bitte um einen neuen Termin ist jedenfalls nicht ersichtlich. Somit bleibt unklar, ob der Rekursgegner dem Rekurrenten mehr Zeit zur Stellungnahme einräumte oder nicht. Insoweit ist dem Rekurrenten zu folgen.
Allerdings entband diese Unklarheit den Rekurrenten nicht von seiner Mitwirkungspflicht. So traf den Rekurrenten – wie jede Person, die ein Gesuch um Strafverbüssung in einer besonderen Vollzugsform wie die Halbgefangenschaft stellt – generell eine weitreichende Mitwirkungspflicht. Der Rekurrent wusste um den bevorstehenden Entscheid sowie um die Möglichkeit zur Stellungnahme. Es ist davon auszugehen, dass der Rechtsvertreter den Rekurrenten vor Beendigung des Mandatsverhältnisses entsprechend der anwaltlichen Sorgfalts- und Fürsorgepflicht instruierte, die Stellungnahme so bald wie möglich einzureichen, unabhängig davon, ob dem Fristerstreckungsgesuch stattgegeben würde oder nicht. Zwischen dem Kontakt am 16. November 2022 und dem Erlass der Verfügung am 5. Dezember 2022 verstrich genügend Zeit, in welcher der Rekurrent eine Stellungnahme hätte einreichen können. Der Rekurrent legt nicht dar und es ist auch sonst nicht ersichtlich, weshalb ihm nicht möglich resp. nicht zumutbar war, sich innert zehn Tagen ab Einreichung des Fristerstreckungsgesuchs schriftlich zum Schreiben des Rekursgegners vom 31. Oktober 2022 zu äussern. Mit der eingeräumten Gelegenheit, zum beabsichtigten ablehnenden Entscheid vorab schriftlich Stellung zu nehmen, ist der Rekursgegner dem Anspruch des Rekurrenten auf rechtliches Gehör hinreichend nachgekommen. Eine Gehörsverletzung ist damit nicht auszumachen.
Selbst wenn die fehlende schriftliche Antwort auf das Fristerstreckungsgesuch als Gehörsverletzung einzustufen wäre, weil – wie der Rekurrent geltend macht – unklar war, ob er sich zum Schreiben vom 31. Oktober 2022 noch äussern durfte, würde diese nicht schwer wiegen. Die schriftlichen und mündlichen Angaben des Rekurrenten vom 16. November 2022 können – entgegen der Auffassung des Rekurrenten – durchaus als Stellungnahme verstanden werden, zumal der Rekurrent darin seine Arbeits- und Wohnsituation sowie seine Erreichbarkeit erklärte. Kommt hinzu, dass sich der anwaltlich vertretene Rekurrent im Rekursverfahren zur Abweisung des Gesuchs um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft ausführlich äussern konnte. Eine anzunehmende Gehörsverletzung wäre damit im Rekursverfahren als geheilt zu betrachten; sie würde nicht zur Rückweisung der Sache an den Rekursgegner führen.

3.

3.1 Gemäss Art. 77b Abs. 1 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB; SR 311.0) kann eine verurteilte Person auf Gesuch hin eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als 12 Monaten oder eine nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Reststrafe von nicht mehr als sechs Monaten in der Form der Halbgefangenschaft verbüssen, wenn nicht zu erwarten ist, dass die verurteilte Person flieht oder weitere Straftaten begeht (lit. a), und sie einer geregelten Arbeit, Ausbildung oder Beschäftigung von mindestens 20 Stunden pro Woche nachgeht (lit. b).

3.2 Gemäss § 38 Abs. 2 der Justizvollzugsverordnung (JVV) gelten für Zulassung, Voraussetzungen, Vollzugsmodalitäten, Abbruch und Beendigung der Halbgefangenschaft die Richtlinien betreffend die besonderen Vollzugsformen (Gemeinnützige Arbeit, elektronische Überwachung [electronic Monitoring, EM], Halbgefangenschaft) der Ostschweizer Strafvollzugskommission vom 31. März 2017 (nachfolgend: Richtlinien). Nach Ziff. 1.3.C. lit. g derselben setzt die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft in persönlicher Hinsicht unter anderem die Gewähr voraus, dass die Rahmenbedingungen der Halbgefangenschaft und die Hausordnung der Vollzugseinrichtung eingehalten werden. So muss die verurteilte Person erreichbar sein und sich als zuverlässig erweisen sowie in der Lage sein, die betrieblichen Rahmenbedingungen der Vollzugseinrichtung wie Ein- und Ausrückzeiten einzuhalten.
Die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft kann davon abhängig gemacht werden, dass die verurteilte Person kooperiert und Art und Umfang ihrer Arbeitstätigkeit sowie ihre Arbeitszeiten so gut wie möglich darlegt (Urteil des Bundesgerichts 6B_813/2016 vom 25. Januar 2017, E. 2.2.2).

3.3 Die Vollzugsbehörde bietet die verurteilte Person, welche die Voraussetzungen für den Vollzug in einer besonderen Vollzugsform nicht erfüllt oder von dieser Vollzugsform keinen Gebrauch macht, zum offenen oder geschlossenen Vollzug der Freiheitsstrafe auf (§ 48 Abs. 1 JVV).

4.

4.1 Der Rekursgegner begründet die Abweisung des Gesuchs um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft im Wesentlichen mit einer ungenügenden Vertrags- und Absprachefähigkeit des Rekurrenten. Der Rekurrent scheine mit administrativen Angelegenheiten überfordert zu sein und über keine klare Wohnsituation zu verfügen. In der Vergangenheit sei er wiederholt mangelhaft erreichbar gewesen. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass noch in sinnvoller Frist eine Vollzugsvereinbarung zur Strafverbüssung in Halbgefangenschaft geschlossen werden könne. Selbst wenn eine Vollzugsvereinbarung geschlossen werden könnte, liege keine ausreichende Gewähr vor, dass der Rekurrent die Rahmenbedingungen der Halbgefangenschaft und die Hausordnung der Vollzugseinrichtung einhalten würde.

4.2 Der Rekurrent macht im Wesentlichen geltend, dass er die Voraussetzungen für die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft erfülle. Er habe sein Leben verändert, verfüge über eine feste Arbeitsstelle und ein stabiles Umfeld. Seit drei Jahren seien keine neuen Verurteilungen hinzugekommen. Da er sich von seinem früheren Umfeld distanziert habe, sei nicht davon auszugehen, dass er wieder straffällig würde. Er bezahle regelmässig seine Bussen ab. Nach einem Gefängnisaufenthalt müsste er von vorne beginnen, ein neues Leben aufzubauen. Dies widerspreche dem Gedanken der Resozialisierung. Der Rekursgegner unterschlage in seiner Darstellung des Sachverhalts aktenkundige Tatsachen, welche seinen positiven Lebenswandel untermauerten. Der Vorwurf der durchgängigen Unzuverlässigkeit sei nicht gerechtfertigt.

5.

5.1 Die zeitlichen Voraussetzungen gemäss Art. 77b Abs. 1 StGB und Ziff. 1.2.C lit. a der Richtlinien sind gegeben (vgl. oben). Näher zu prüfen ist, ob der Rekurrent auch die persönlichen Voraussetzungen für die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft erfüllt.

5.2 Infolge des Rückweisungsentscheids vom 24. März 2021 hatte der Rekursgegner weitere Abklärungen vorzunehmen, um den Sachverhalt zu erstellen, insbesondere bezüglich der Stabilisierung und der Rückfallgefahr des Rekurrenten.

5.3 In der angefochtenen Verfügung stützt sich der Rekursgegner unter anderem auf den Forensischen Fachsupport der Abteilung für forensisch-psychologische Abklärungen (AFA) vom 16. Juli 2021.

5.3.1 Der Rekurrent wendet ein, der Forensische Fachsupport stütze sich einzig auf Akten, insbesondere auf die Risikoabklärung vom 23. Oktober 2019. Es seien veraltete Informationen verwendet worden, was kein aktuelles Bild von ihm erlaube. Seither habe sich sein positiver Lebenswandel laufend stabilisiert und verbessert. Ohnehin laute das Fazit, dass aus forensisch-psychologischer Sicht nichts gegen eine Strafverbüssung in Halbgefangenschaft spreche, sollten sich die Angaben bezüglich die Voraussetzungen dafür verifizieren lassen. Er habe nachweislich seinen positiven Lebenswandel fortgesetzt. Er nehme an einem Methadon-Programm teil und führe ein Leben fern von jeglicher Kriminalität, erweise sich als fleissiger und zuverlässiger Arbeitnehmer und befinde sich seit fünf Jahren in einer stabilen Partnerschaft.

5.3.2 Der Forensische Fachsupport führt aus, es sei nicht erkennbar, dass sich an der defizitären Absprachefähigkeit des Rekurrenten seit der Risikoabklärung 2019 massgeblich etwas geändert habe. Die Mehrheit der vom Rekurrenten vorgebrachten Aspekte des geänderten Lebenswandels liessen sich nicht verifizieren. Diverse auch therapeutische Abklärungsprozesse stünden aus und die bereits in der Risikoabklärung 2019 attestierte Stabilisierung müsse weiterhin als fragil bezeichnet werden, solange nicht in einem monitorisierenden Setting eine Aufarbeitung der deliktrelevanten Aspekte in Angriff genommen werde.

5.3.3 Es trifft zu, dass der Forensische Fachsupport im Bericht vom 16. Juli 2021 gegenüber der Risikoabklärung 2019 neuer Erkenntnisse weitgehend entbehrt. Zugunsten des Rekurrenten ist festzuhalten, dass er seit Frühjahr 2020 keine aktenkundigen Straftaten begangen hat. Gemäss Strafregisterauszug vom 9. September 2022 ist die Strafuntersuchung wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen, die am 16. Januar 2020 von der Regionalen Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland eingeleitet wurde, beim Regionalgericht Bern-Mittelland hängig. Der Rekurrent hat seinen Lebenswandel weg von Straftaten hin zur regelmässigen Erwerbstätigkeit glaubhaft geschildert und soweit möglich belegt. Nicht dargelegt hat er allerdings, ob und vor allem wie er seine deliktrelevanten Persönlichkeitsanteile (therapeutisch) aufgearbeitet hat. Deshalb ist nicht zu beanstanden, wenn die stabile Phase des Rekurrenten als noch fragil eingestuft wird. Bei der gegebenen Aktenlage kann die Rückfallgefahr damit nicht abschliessend beurteilt werden. Sie kann aber letztlich offenbleiben, zumal der Rekursgegner die Halbgefangenschaft nicht wegen einer ungünstigen Legalprognose ablehnt.

5.4 Mit Blick auf die Akten ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Ausbleiben weiterer Abklärungen massgeblich auf Versäumnisse des Rekurrenten zurückzuführen sind. Als Gesuchsteller treffen den Rekurrenten – wie bereits erwähnt (vgl. oben E. 2.5) – im Bewilligungsfahren für besondere Strafvollzugsformen weitreichende Mitwirkungspflichten. Er hat, soweit zumutbar, aktiv zur Sachverhaltsermittlung beizutragen (vgl. § 7 Abs. 2 Verwaltungsrechtspflegegesetz vom 24. Mai 1959 [VRG; LS 175.2]; Kaspar Plüss, in: Alain Griffel [Hrsg.], Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich [Kommentar VRG], 3. Auflage, Zürich 2014, § 7 N. 101 ff.). Die Versäumnisse des Rekurrenten begründen die fortbestehenden Bedenken des Rekursgegners bezüglich der Vertrags- und Absprachefähigkeit und sind insoweit von Relevanz, als sich der Rekurrent für die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft als erreichbar und zuverlässig erweisen muss.
Es gilt aber auch anzumerken, dass die mangelhafte Erreichbarkeit phasenweise nicht allein dem Rekurrenten zuzuschreiben ist. Mit Schreiben vom 13. April 2021 bat sein Rechtsvertreter den Rekursgegner, sämtliche Korrespondenz in dieser Sache an ihn (den Rechtsvertreter) zu adressieren; der Rekurrent wünsche ausdrücklich, dass jegliche Kontaktaufnahme seitens des Rekursgegners über den Rechtsvertreter laufe. Entgegen dieser Bitte versuchte der Rekursgegner Ende Juli und Anfang August 2021, den Rekurrenten direkt telefonisch zu erreichen und richtete das Schreiben vom 6. August 2021 mit der Bitte um telefonische Kontaktaufnahme ebenfalls ausschliesslich an den Rekurrenten. Erst mit Schreiben vom 17. August 2021 wendete sich der Rekursgegner an den Rechtsvertreter mit der Bitte, den Rekurrenten zur telefonischen Kontaktaufnahme mit dem Rekursgegner zu motivieren. Am 11. November 2022 teilte der Rechtsvertreter mit, dass das Mandatsverhältnis beendet sei.
Wird eine mitteilungsberechtigte Person vertreten, erfolgt die Mitteilung an die Vertretung, bis die vertretene Person der Behörde den Widerruf der Vollmacht bzw. das Ende des Mandatsverhältnisses ausdrücklich kundgibt (Kaspar Plüss, Kommentar VRG, § 10 N. 66 f. mit Hinweisen). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Rekursgegner zwischen dem 13. April 2021 und dem 11. November 2022 trotz anwaltlicher Vertretung immer wieder direkt an den Rekurrenten gelangte oder zu gelangen versuchte. Die mangelhafte Erreichbarkeit des Rekurrenten in der erwähnten Zeitspanne darf mithin nicht vorbehaltlos zu seinen Lasten ausgelegt werden, kann ihn aber auch nicht von jeglicher Verantwortung befreien. Dies gilt umso mehr, als der direkte Kontakt zwischen dem Rekursgegner und dem Rekurrenten weder von diesem noch vom Rechtsvertreter je beanstandet, sondern implizit gar erwartet wurde.

5.5 Der Rekurrent lässt die erforderliche Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit vermissen, wenn er angesetzte Fristen ungenutzt verstreichen, über mehrere Monate trotz mehrmaliger Nachfrage nichts von sich hören und sich per Post nicht erreichen lässt.

5.5.1 So trifft zwar zu, dass der Rekurrent den Arbeitsvertrag und den Mietvertrag fristgerecht einreichte. Am Beispiel der Stundenabrechnungen wird aber deutlich, dass er gerade nicht in der Lage gewesen zu sein scheint, sich an verbindliche Vorgaben zu halten. Erst nachdem der Rekursgegner ihn drei Mal – mit Schreiben vom 3. September 2021, 30. November 2021 und 31. Januar 2022 – vergeblich aufgefordert hatte, die Stundenabrechnungen einzureichen, kam der Rekurrent der Aufforderung nach und reichte die Stundenabrechnungen am 3. März 2022 innert der im vierten Schreiben vom 18. Februar 2022 gesetzten Frist ein.

5.5.2 Später bat der Rekursgegner den Rekurrenten erstmals am 8. März 2022 per E-Mail, sich zu melden, sobald er wieder arbeitsfähig sei und es ihm aus gesundheitlichen Gründen möglich sei, einen Besprechungstermin wahrzunehmen. Am 29. April 2022 und am 15. Juni 2022 erkundigte sich der Rekursgegner erneut per E-Mail, ob der Rekurrent einen Besprechungstermin wahrnehmen könnte und ob er wieder arbeite. Der Rekurrent reagierte darauf erst am 6. Juli 2022 und ersuchte um einen Besprechungstermin Ende September 2022, da er in den folgenden zwei Monaten im Wallis arbeiten würde. So vergingen vier Monate mit wiederholten Kontaktversuchen seitens des Rekursgegners, bevor dieser mit dem Rekurrenten in Verbindung treten konnte.

5.5.3 Mit Schreiben vom 13. September 2022, zugestellt dem Rechtsvertreter, forderte der Rekursgegner den Rekurrenten schliesslich auf, am 28. September 2022 zum persönlichen Gespräch zu erscheinen. Dem Gespräch blieb der Rekurrent unentschuldigt fern. Dazu bringt er im Rekursverfahren vor, er habe über drei Monate nichts mehr gehört, nachdem er um einen Termin Ende September 2022 gebeten habe. Der Rekursgegner habe Mitte September 2022 ohne vorgängige Rücksprache mit ihm (dem Rekurrenten) einen Besprechungstermin zwei Wochen später festgelegt. Dieses Schreiben habe der Rekursgegner direkt an seinen Rechtsvertreter gesendet, statt Kontakt mit ihm (dem Rekurrenten) aufzunehmen.

Was den Rekurrenten tatsächlich daran hinderte, zum Gespräch zu erscheinen, bleibt in der Rekursschrift unerwähnt. Die Zustellung des Schreibens vom 13. September 2022 an den Rechtsvertreter ist nicht zu beanstanden, zumal damals ein Mandatsverhältnis bestand. Die Zustellung ist dem Rekurrenten zuzurechnen. Aufgrund der bisherigen mangelhaften Erreichbarkeit des Rekurrenten ist nachvollziehbar, dass der Rekursgegner diese wichtige Mitteilung an den Rechtsvertreter adressierte. Auch nicht zu beanstanden ist, dass die Einladung zwei Wochen im Voraus erfolgte. Dies liess dem Rekurrenten genügend Zeit, sich auf die Besprechung vorzubereiten oder im Verhinderungsfall unter Angaben der entsprechenden Gründe um Verschiebung des Termins zu ersuchen. Eine Vorlaufzeit von zwei Wochen verhindert nicht zuletzt, dass ein Termin nicht wieder in Vergessenheit gerät. Kommt hinzu, dass der Rekurrent im Juli 2022 um einen Termin Ende September 2022 ersuchte. Nachdem er dieses Gesuch in der Folge nicht änderte, musste er letztlich damit rechnen, dass er Ende September zum Gespräch aufgeboten würde. Jedenfalls erscheint das Aufgebot vom 13. September 2022 für den 28. September 2022 nicht a priori als unzumutbar. Der Rekursgegner durfte mithin davon ausgehen, dass der Rekurrent mit der Zustellung seines Aufgebots an den Rechtsvertreter rechtzeitig vom Besprechungstermin Kenntnis erhält und sich im Verhinderungsfall frühzeitig meldet. Nachdem der Rekurrent dem Besprechungstermin vom 28. September 2022 unentschuldigt fernblieb, hat er sich – einmal mehr – als unzuverlässig erwiesen.

5.6 Eine geeignete, dauerhafte Unterkunft ist zwar keine persönliche Voraussetzung für die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft. Deshalb kann die Abweisung des Gesuchs nicht per se mit der unklaren Wohnsituation begründet werden. Entscheidend ist vielmehr, dass der Rekurrent für den Rekursgegner unter den angegebenen Adressen kaum erreichbar war.

5.6.1 Im ersten Rekursverfahren, welches mit Verfügung vom 24. März 2021 abgeschlossen wurde, galt als Zustelladresse die […]. Das Schreiben des Rekursgegners vom 6. August 2021 konnte indes nicht zugestellt werden, da der Rekurrent dort als Empfänger nicht ermittelbar war.

5.6.2 Im Telefongespräch vom 27. August 2021 gab der Rekurrent als neue Adresse die […] an. Die Schreiben vom 3. September 2021 und vom 30. November 2021 konnten an dieser neuen Adresse wiederum nicht zugestellt werden, da der Rekurrent als Empfänger nicht ermittelbar war. Erst am 16. November 2022 stellte sich heraus, dass der Rekurrent seinen Namen bewusst nicht am Briefkasten angebracht hatte. Gleichzeitig gab der Rekurrent dem Rekursgegner an, dass er postalisch bei seiner Partnerin, unter […], erreichbar sei, allerdings nur alle zwei Wochen. Vor diesem Hintergrund bemühte sich der Rekurrent offensichtlich zu wenig darum, per Post erreichbar zu sein.

5.6.3 Der im Rekursverfahren geschilderte Plan, wonach der Rekurrent in Zukunft gemeinsam mit seiner Partnerin in der Wohnung an […] zu wohnen gedenke und dann den Namen am Briefkasten anzubringen, ist unerheblich. Der Rekurrent scheint zu verkennen, dass er seine Zuverlässigkeit und Erreichbarkeit bereits im Bewilligungsverfahren unter Beweis zu stellen hat. Angesichts der beträchtlichen Länge des Bewilligungsverfahrens sowie der zahlreichen Hinweise und Aufforderungen durch den Rekursgegner musste dem Rekurrenten hinlänglich bewusst sein, dass er für den Rekursgegner per Post erreichbar sein muss. Weshalb er zunächst eine untaugliche Adresse angab und es später damit bewenden liess, die Post unregelmässig anzuschauen, ist nicht nachvollziehbar.

5.7 Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich der Rekurrent als insgesamt unzuverlässig und mangelhaft erreichbar. Dem Rekurrenten Zuverlässigkeit abzusprechen, bedeutet nicht, dass er überhaupt nicht in der Lage ist, jeglichen Verpflichtungen nachzukommen. Entscheidend ist, dass sich der Rekursgegner als Vollzugsbehörde darauf verlassen können muss, dass der Rekurrent sich an Vorgaben und Absprachen hält. Der Rekurrent hatte in den letzten drei Jahren wiederholt die Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen, indem er seinen Obliegenheiten rechtzeitig nachgekommen wäre. Nach den vorstehenden Erwägungen erhellt, dass ihm dies nicht gelungen ist. Der Rekursgegner war bereit, dem Rekurrenten eine Chance zur Strafverbüssung in Halbgefangenschaft zu geben. Dies ergibt sich daraus, dass er (der Rekursgegner) sich dafür einsetzte, dass der Rekurrent im Jahr 2021 noch den letzten Platz in der Halbgefangenschaft Winterthur reserviert erhielt. Ernsthafte Bemühungen des Rekurrenten, seine Strafen in Halbgefangenschaft zu verbüssen, blieben in der Folge jedoch aus. Die Bedenken des Rekursgegners am Vollzug der Halbgefangenschaft sind begründet. Der Rekurrent bietet nicht die nach Ziff. 1.3.C. lit. g der Richtlinien erforderliche Gewähr, dass die Rahmenbedingungen der Vollzugsbehörde und der Vollzugseinrichtung eingehalten werden. Damit fehlt es an einer wesentlichen persönlichen Voraussetzung für die Strafverbüssung in Halbgefangenschaft. Die geltend gemachten weiter verbesserten Lebensumstände des Rekurrenten vermögen diese Problematik nicht aufzuheben.

5.8 Zusammenfassend hat der Rekursgegner zu Recht das Gesuch um Strafverbüssung in Halbgefangenschaft abgewiesen und den Rekurrenten zum Strafantritt im Normalvollzug aufgeboten. Die angefochtene Verfügung ist nicht zu beanstanden.

6.
Im Ergebnis ist der Rekurs, sowohl der Hauptantrag wie auch der Eventualantrag, abzuweisen.

7.
Der Rekurrent wurde auf den 28. März 2023 in den Strafvollzug vorgeladen. Dieser Termin ist mittlerweile verstrichen, weswegen ein neuer Strafantrittstermin festzulegen ist. Die weiteren Anordnungen gemäss Dispositiv Ziffern II. und III. der angefochtenen Verfügung bleiben bestehen.

8.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Rekurrent kostenpflichtig (§ 13 Abs. 1 und 2 VRG) und eine Parteientschädigung bleibt ihm verwehrt (§ 17 Abs. 2 VRG).

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