Modellversuch Untersuchungshaft – ein Projekt für die Schweiz

Die Kantone Zürich und Bern haben an einer gemeinsamen Medienkonferenz über ihren Modellversuch Untersuchungshaft informiert. Der Modellversuch zielt darauf ab, die Ressourcen der Inhaftierten zu erhalten und Haftschäden zu verhindern. Damit setzen die beiden Kantone ihre Bemühungen fort, die Untersuchungshaft zu reformieren.

Der Modellversuch Untersuchungshaft, den die Kantone Bern und Zürich mit Unterstützung des Bundesamts für Justiz durchführen, läuft seit 2023. Ziel des Versuchs ist eine innovative Weiterentwicklung und Verbesserung der Untersuchungshaft.

An einer Medienkonferenz im Schulungsgefängnis Meilen stellten die Verantwortlichen aus den beiden Kantonen den Modellversuch vor und präsentierten erste Erkenntnisse. Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr, Vorsteherin der Direktion der Justiz und des Innern, verwies auf den Grundgedanken hinter dem Modellversuch: «Die Untersuchungshaft soll künftig noch stärker darauf ausgerichtet sein, die Ressourcen der verhafteten Personen zu erhalten» – also zum Beispiel die Arbeitsstelle, die Wohnung oder die Familienstrukturen. Der Berner Regierungsrat und Sicherheitsdirektor Philippe Müller ergänzte: «Es geht darum, Haftschäden und entsprechende Kosten zu vermeiden. Aber die Untersuchungshaft bleibt eine Haft. Auf die eigentliche Strafverfolgung darf der Modellversuch keinen Einfluss haben.»

Haftschäden verhindern

In Untersuchungshaft befinden sich Personen, gegen die ein dringender Tatverdacht besteht. Zudem muss Wiederholungs-, Flucht- und/oder Verdunkelungsgefahr bestehen. Der Modellversuch ist Teil der Bemühungen, die früher sehr restriktiven Haftbedingungen in den Untersuchungsgefängnissen zu reformieren. Damit wollen die involvierten Kantone erstens dem Umstand Rechnung tragen, dass für Personen in Untersuchungshaft die Unschuldsvermutung gilt. Zweitens zeigen die Erfahrungen der Vergangenheit, dass die strengen Haftbedingungen sich schädlich auf die Betroffenen auswirkten. Es kam zu sogenannten Haftschäden, welche die Wiedereingliederung erschwerten. Ein wichtiges Ziel des Modellversuchs besteht darin, solche Haftschäden zu verhindern.

Sechs Schwerpunktthemen

Der Modellversuch Untersuchungshaft fokussiert auf sechs Aspekte: Erstens findet beim Eintritt in die Untersuchungshaft neu ein Lebensbereichsgespräch statt. Innerhalb der ersten drei Tage führen Fachleute mit der betroffenen Person ein Gespräch, um systematisch die verschiedenen Lebensbereiche, etwa die Wohn- oder die berufliche Situation, zu erfassen. Wenn nötig, erfolgen Sofortmassnahmen.

Zweitens etablieren die Untersuchungsgefängnisse das Programm «Prison Stress Management» (PRISMA). Dieses will die Inhaftierten dazu befähigen, mit Stress und Problemen umgehen zu können. Sie erhalten Hilfe zur Selbsthilfe. Das Programm hat ursprünglich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Berufe mit hohem Stresslevel entwickelt. Für den Modellversuch wurde es speziell für die Anwendung in Gefängnissen angepasst.

Drittens lehrt ein neu entwickeltes Ausbildungsprogramm die U-Haft-Mitarbeitenden, wie sie die Beziehungen zu den Inhaftierten optimal gestalten und deren Ressourcen erhalten und fördern können.

Viertens geht es darum, die Kontakte zwischen den Inhaftierten und ihren Angehörigen und Bezugspersonen zu fördern.

Fünftens braucht es ein besseres Übergangsmanagement. Auf die Untersuchungshaft folgt für die Betroffenen entweder der Übergang in die Freiheit oder in den Strafvollzug. In beiden Fällen hilft es den betroffenen Personen, wenn Fachleute diesen Übergang professionell begleiten.

Schliesslich soll als sechster Aspekt ein stärkeres Case Management entstehen. Das Ziel ist eine intensive Zusammenarbeit von Betreuungs-, Sozial- und Gesundheitsdienst. Damit die Inhaftierten individuell die für sie passende Unterstützung erhalten – immer mit der Ambition, dass sie nach der Haftentlassung erfolgreich in die Gesellschaft zurückfinden.

Massnahmen auf andere Kantone übertragen

Das Bundesamt für Justiz unterstützt Modellversuche, sofern diese innovativ und relevant sind. Das ist beim vorliegenden Modellversuch gleich mehrfach der Fall. Es ist der erste Modellversuch, der auf die Untersuchungshaft fokussiert. Zudem verfolge er das Ziel, «dass die im Rahmen des Versuchs erprobten Massnahmen auf andere Kantone übertragen werden können», sagt Projektleiter Stefan Tobler. Damit die Erkenntnisse optimal in die Praxis einfliessen können, begleiten und evaluieren ETH und Universität Zürich den Modellversuch.

Kontakt

Direktion der Justiz und des Innern - Medienstelle

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