Mehr Selbstbestimmung für Menschen mit Behinderung
Medienmitteilung 08.04.2021
Menschen mit Behinderung sollen so weit wie möglich selbst bestimmen können, wie, wo und von wem sie betreut und begleitet werden. Die Grundlage dazu wird mit dem neuen Gesetz über den selbstbestimmten Leistungsbezug durch Menschen mit Behinderung geschaffen, das der Regierungsrat auf Antrag der Sicherheitsdirektion zuhanden des Kantonsrats verabschiedet hat.
Für Menschen mit Behinderung sind Selbstbestimmung und Wahlfreiheit wichtig. Das ist gerade dann der Fall, wenn sie Beratung, Betreuung und Begleitung für die Lebensbereiche Wohnen, Tagesgestaltung oder Arbeiten benötigen. Mit dem neuen Gesetz über den selbstbestimmten Leistungsbezug durch Menschen mit Behinderung («Selbstbestimmungsgesetz») wird die Voraussetzung geschaffen, Betroffene ihrem individuellen Bedarf entsprechend direkt zu unterstützen – unabhängig davon, ob sie innerhalb oder ausserhalb einer Institution leben oder arbeiten. Mit der Gesetzesvorlage, die der Regierungsrat zuhanden des Kantonsrats verabschiedet hat, werden die Forderungen der Motion «Selbstbestimmung ermöglichen durch Subjektfinanzierung» (KR-Nr. 100/2017) umgesetzt.
Systemwechsel
Die Vorlage wurde im Rahmen eines bei Betroffenen, Verbänden und Institutionen breit abgestützten Projekts durch das Kantonale Sozialamt erarbeitet. Als Basis diente ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zur Subjektfinanzierung. Neu sollen Menschen mit Behinderung an eine Abklärungsstelle gelangen können, die zusammen mit ihnen ihren individuellen Bedarf an Begleitung und Betreuung im Alltag ermittelt. Sie erhalten dann einen sogenannten Voucher, eine Leistungsgutschrift. Diese können sie selbstbestimmt einsetzen. Der Kanton sorgt zusammen mit ambulanten Organisationen und Institutionen für ein vielfältiges Angebot.
«Gemeinsam erreichen wir damit einen Meilenstein bei der Selbstbestimmung in den Bereichen Wohnen, Arbeiten und Tagesgestaltung», hielt Regierungsrat Mario Fehr, Sicherheitsdirektor, bei der Präsentation der Vorlage heute vor den Medien – zusammen mit der Chefin des Kantonalen Sozialamtes, Andrea Lübberstedt, Marianne Rybi, Geschäftsleiterin Behindertenkonferenz Kanton Zürich, und Daniel Frei, Präsident INSOS Zürich – fest. Zentral ist, dass Menschen mit Behinderung zukünftig möglichst massgeschneiderte Angebote zur Verfügung stehen und sie möglichst so leben können, wie sie sich dies vorstellen. So können Menschen mit Behinderung beispielsweise wählen, in der eigenen Wohnung betreut zu werden. Das war bisher nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen möglich und schränkte die Betroffenen in ihrer Lebensgestaltung stark ein.
Umsetzung in Etappen – wichtige Angebote der Institutionen
Das Gesetz bringt einen grossen Systemwechsel, der in Etappen umgesetzt werden muss. Um die Wahlfreiheit sicherzustellen, ist in einem ersten Schritt der Aufbau des ambulanten Bereichs und eines guten Beratungsangebotes nötig. Der Fokus liegt beim Wohnen. Die Institutionen spielen dabei weiterhin eine entscheidende Rolle.
Von flexibilisierten Leistungen können mehr Personen profitieren, wobei individuell erbrachte Betreuungsleistungen kaum günstiger zu erbringen sind als kollektive Betreuungsformen. Aus diesen Gründen kam die ZHAW in ihrem Bericht zum Schluss, dass eine kostenneutrale Umsetzung des Systemwechsels nicht möglich ist. Damit die Mehrkosten kontrollierbar bleiben, enthält die Gesetzesvorlage griffige Steuerungsinstrumente. Nach Abschluss der Systemumstellung ist mit Mehrausgaben von 15 bis 30 Millionen Franken zu rechnen. Dem Mehraufwand steht indes ein hoher Nutzen für die Betroffenen und ihre Angehörigen gegenüber.