KV-Reform: Antworten zu den zentralen Fragen

Die umfangreiche Bildungsreform stellt die Lehrpersonen vor grosse Herausforderungen. Am virtuellen Austausch zur kantonalen Umsetzung der Grundbildungsreform der Kaufleute vom 7. und 13. September 2021 konnten zahlreiche offene Fragen zur konkreten Umsetzung der Reform zusammengetragen werden. Diese werden hier beantwortet.

Auswirkungen auf die Rolle von Lehrpersonen

Welche Ausbildungen und Erfahrungen sind im KV-Lehrberuf zukünftig erwünscht und zugelassen?

An den Zulassungsbedingungen wird sich generell nichts ändern. Nach wie vor werden ein Lehrdiplom und ein universitärer Masterabschluss (oder äquivalent) im unterrichteten Fach verlangt. Derzeit wird abgeklärt, ob die Handlungskompetenzorientierung diese «Äquivalenz» beeinflusst. Es ist erwünscht, dass die Lehrpersonen vermehrt praktische Erfahrungen mitbringen. Die Ausbildungen an den Universitäten und Pädagogischen Hochschulen werden inhaltlich angepasst.

Hat die Reform Auswirkungen auf den Betreuungsschlüssel (Klassengrösse) und die Anzahl Wochenlektionen?

Die Klasseneinteilung ist Sache der Schule. Die Klassengrössen werden sich nicht per se ändern, allenfalls aufgrund der Anmeldezahlen in den einzelnen Optionen. Die Lektionenverpflichtung ist in der Mittelschul- und Berufsschullehrer Vollzugsverordnung (MBVVO) festgelegt. Es ist noch nicht entschieden, ob beziehungsweise wann es hier zu Anpassungen kommt.

Wie muss man sich das künftige Tätigkeitsprofil der KV-Lehrperson konkret vorstellen?

Der Einsatz der Lehrpersonen wird von den Schulen bestimmt. Die Lehrpersonen werden wie bisher ihren Unterricht vorbereiten, durchführen und prüfen. Dies beinhaltet:

Lernarrangements gestalten

  • Sich über die Grundlagendokumente und Hilfsmittel informieren
  • Kompetenzorientierte Lerndesigns bzw. Drehbücher gestalten
  • Unterrichtsmaterial erstellen

Prüfungen erstellen

  • Sich über die Grundlagendokumente sowie Lernmedien informieren
  • Prüfungskonzepte erstellen
  • Prüfungsaufgaben entwickeln

Unterricht gestalten

  • Unterricht vorbereiten
  • Lernende coachen und selbstorganisierte Lernprozesse anleiten
  • Mit Praxissituationen unterrichten
  • Portfolioarbeit begleiten
  • Auf Leistungsunterschiede der Lernenden eingehen
  • Mit herausfordernden Situationen im Unterricht umgehen
  • Leistungsbeurteilungen umsetzen
  • Im Team kompetenzorientiert unterrichten

Lebenslanges Lernen

  • Persönliches Portfolio führen
  • Sich fachlich und bezüglich der Berufspraxis der Lernenden auf dem Laufenden halten
  • Sich über didaktisch-methodische Entwicklungen informieren und diese im Unterricht umsetzen

Fragen zur Anstellung und Weiterbildung

Welchen Nachweis erhalten Lehrpersonen für die 4.5 Tage schulinterne Weiterbildung? Ist dieser Nachweis schweizweit anerkannt?

Die Weiterbildung ist national koordiniert. Alle vier Anbietenden (die pädagogischen Hochschulen Zürich (PHZH), St. Gallen und Luzern sowie die eidgenössische Hochschule für Berufsbildung (EHB)) arbeiten nach demselben Programm. Sie werden die Weiterbildung bestätigen. Aufgrund des national gleichen Programms ist die Durchlässigkeit unter den Schulen und den Kantonen gegeben.

Wird ein Konzept zum Erwerb «vertiefter Praxiskenntnisse» erstellt?

Bei der schweizerischen Konferenz der kaufmännischen Berufsfachschulen (SKKBS) ist ein Konzept in Arbeit. Die Schulen sind verantwortlich für die Weiterbildung ihrer Lehrpersonen. Es ist deshalb möglich, dass Schulen eigene Konzepte mit einem Anbieter ihrer Wahl erarbeiten. Zudem liegt es in der Verantwortung der einzelnen Lehrperson, sich die notwendigen Kenntnisse anzueignen. Ab Q1/2022 sind im Detailhandel und voraussichtlich ab Q2/2022 im KV die Lernmedien der Trägerschaften verfügbar, die einen Beitrag zur Praxisorientierung leisten können.

Wie wird der substanzielle Mehraufwand wie Weiterbildungen, Workshops, Erstellen von Schullehrplänen usw. für die Schulen abgegolten?

Da es sich um eine sehr grosse Reform handelt, wird im Rahmen des kantonalen Umsetzungsprojekts ein Teil des Mehraufwandes durch den Kanton übernommen: Die Weiterbildungskosten und ein Teil des Zeitaufwandes für das Grundpaket (4.5 Tage) sowie Entlastungen für die Projektgruppen an den Schulen. Die restlichen Aufwendungen müssen analog zu Reformen in anderen Berufen im Rahmen des normalen Budgets umgesetzt werden.

Die Entschädigungen für die Vorarbeiten in den Bereichen Blended Learning und selbstorganisiertes Lernen (SOL) sowie Mitarbeit als Teamleitende oder in Prüfungsgruppen erfolgt wie bisher. Die Schulleitungen können bei Bedarf interne Entlastungen gewähren.

Werden Lehrpersonen entlassen?

Die Anzahl der für die Ausbildung notwendigen Lehrpersonen ergibt sich grundsätzlich aus den Lektionenvorgaben der Bildungspläne, den Anmeldezahlen und der Klassenplanung. Die Bildungsdirektion geht nicht davon aus, dass die angebotenen Pensen sinken werden. Erste Zuteilungen der Lehrpersonen durch die Schulen im neuen Ausbildungskonzept bestätigen diese Einschätzung.

Was ändert sich bei der Ausbildung der Lehrpersonen und hat dies einen Einfluss auf die Besoldungsstufe?

Die Lehrpersonen werden weiterhin durch PHZH, Universität Zürich (UZH) und EHB aus- und weitergebildet. Diese Institutionen werden ihre Ausbildungen entsprechend anpassen. Die Lohneinreihung erfolgt gemäss Mittelschul- und Berufsschullehrer Verordnung (MBVO). Derzeit ist der Einfluss der neuen Bildungsverordnung auf die Lohneinreihungen noch Gegenstand von Klärungen.

Fragen zur konkreten Umsetzung der Reform

Wie weit ist die Umsetzung der KV-Reform fortgeschritten?

Nachdem der Bund die Bildungsverordnung und den Bildungsplan erlassen hat, stehen nun alle Grundlagen für die Einführung per Schuljahr 2023/24 zur Verfügung. Die Zürcher KV-Schulen bauen derzeit die Projektstrukturen für die Umsetzung auf.

Die Umsetzungskonzepte sowie die Lehrpläne zu den Reformen der beiden Grundbildungen Kaufleute EFZ und Kaufleute EBA sind im allgemein zugänglichen Bereich auf der Plattform Konvink unter «Dokumentation Ergebnisse» einsehbar. Für den Zugang muss man sich einmalig registrieren.

Mit dem neuen Schuljahr wird an jeder KV-Schule im Kanton Zürich ein Einführungsprojekt gestartet. Es ist nun die Aufgabe dieser Projekte, die Einführung an den Schulen zu planen und die nationalen Konzepte schulspezifisch anzupassen. Ab September 2021 werden auch die Lehrbetriebe vertieft informiert. Zudem laufen Gespräche mit den Branchen. Ebenso ist ein runder Tisch mit den Lehrpersonenverbänden und Gewerkschaften vorgesehen, um das Vorgehen bezüglich der offenen Fragen zu den Anstellungsbedingungen zu klären.

Lernende, die eine BM2 anstreben, müssen den Wahlpflichtbereich «2. Fremdsprache» und die Option «Finanzen» wählen. Wer klärt die Lernenden und die Betriebe auf?

Das Konzept für den Übergang zur BM2 ist noch in Arbeit. Über die Bestimmungen bezüglich Fremdsprache und Option wird das Mittelschul- und Berufsbildungsamt sowohl die Betriebe als auch die Berufsberatungen informieren.

Wird die 2+2 Ausbildung (zwei Jahre EBA Ausbildung mit anschliessendem Übertritt ins 2. Jahr der EFZ) mit der Abschaffung des B-Profils (KV ohne 2. Fremdsprache) verunmöglicht?

Nein. Die beiden Ausbildungskonzepte Kaufleute EBA und EFZ sind so aufeinander abgestimmt, dass der Übertritt ins 2. Lehrjahr EFZ möglich ist, vorausgesetzt, das Freifach Französisch wurde absolviert. Ohne Freifach Französisch erfolgt der Übertritt ins 1. Lehrjahr EFZ.

Was passiert mit Lernenden, die während der Lehrzeit feststellen, dass das EFZ zu anspruchsvoll für sie ist?

Diese Fälle müssen wie bis anhin unter Beizug der Lehraufsicht individuell geklärt werden. Möglich sind hier eine Repetition eines Lehrjahres, ein Wechsel zur/zum Kauffrau/mann EBA oder generell ein Wechsel des Berufsfeldes.

Bedeutet mehr Selbststudium weniger Betreuungszeit durch Lehrpersonen? Besteht das Risiko einer Überforderung der Lernenden (vgl. Distanzunterricht 2020/21)?

Nein, das ist nicht zwangsläufig so, sondern das hängt vom didaktischen Konzept ab. Es ist bei der Ausgestaltung der Lernsequenzen darauf zu achten, dass die Lernenden basierend auf ihrem Knowhow und ihrem Selbständigkeitsgrad die entsprechende Begleitung erhalten.

Gibt es nationale Präzisierungen zur Vermittlung von Grundlagenwissen?

In den Schulkonzepten ist eine erste Präzisierung erfolgt. Eine Arbeitsgruppe des schweizerischen Verbands der Lehrerinnen und Lehrer an kaufmännischen Berufsschulen (VLKB) führen diese Konzepte noch weiter aus. Die Schulen können dann nach Bedarf weitere Konkretisierungen vornehmen.

Ist die Finanzierung der Freikurse für den Übergang durch den Kanton gewährleistet?

Ja, die Finanzierung des Freifachs Französisch für EBA-Lernende wird sichergestellt. Weitere Freifächer sind im bisherigen Rahmen möglich.

Wann werden die QV-Nullserien bereitstehen?

Diese Frage wird aktuell vom Nationalen Koordinationsgremium (NKG) bearbeitet. Die Verfügbarkeit von Nullserien wird für die Umsetzung als wichtig erachtet.

Welche gegenseitigen Erwartungen haben die Lernorte bezüglich Nutzung, Offenlegung und Führung des Portfolios durch die Lernenden?

Das persönliche Portfolio der Lernenden ist ein zentrales Instrument in der Lernortkooperation. Die Lernenden dokumentieren ihre Lernfortschritte aus Lehrbetrieb, Berufsfachschule sowie überbetrieblichen Kursen und reflektieren ihre Praxisumsetzungen. Die Schulen und die überbetrieblichen Kurse können die dokumentierten Situationen im Unterricht vertiefen.

Das Portfolio entspricht der heutigen Lerndokumentation (Reflexion, Dokumentation der erlangten Kompetenzen). Das Führen des Portfolios liegt in der Verantwortung der Lehrbetriebe bzw. der Lernenden. Die Struktur ist vorgegeben, die Branchen stellen unterschiedliche digitale Tools zur Verfügung. Die Schulen und die Kantone benötigen keinen Zugriff. Aus Datenschutzgründen werden weder vom Kanton noch von den Schulen Lernendendaten für das Portfolio geliefert.

Lernende können im dritten Lehrjahr eine Option nur dann wählen, wenn der Lehrbetrieb diese auch ausbildet. Verhindert dies, dass Lernende und Lehrbetriebe ihre Wunschoption wählen können?

Banklernende können im dritten Lehrjahr beispielsweise die Option Finanzen nicht wählen, wenn sie während ihrer Ausbildung im Betrieb keinen Einblick in die Buchhaltung erhalten. Diesbezüglich laufen aktuell Gespräche mit den Banken. Es wird angestrebt, hier eine pragmatische Lösung zu finden. Eine solche kann beispielsweise beinhalten, dass im Betrieb oder im überbetrieblichen Kurs ein Lernendenprojekt mit einer Buchhaltung geführt wird oder das Thema praxisbezogen im überbetrieblichen Kurs behandelt wird.

Erschwert die Spezialisierung durch die Optionen den Branchenwechsel nach der Ausbildung?

Nein, denn die Lernenden verfügen nach der Ausbildung über breite kaufmännische Kompetenzen, die branchenübergreifend als zentral angeschaut werden.

Kontakt

Mittelschul- und Berufsbildungsamt - Marc Fischli, Projektleiter

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