Der Kanton Zürich steht trotz guter Ausgangslage vor grossen Herausforderungen. Es gibt verschiedene mittel- bis längerfristige Entwicklungen, von denen sowohl eine hohe Dynamik als auch eine hohe Relevanz für den Wirtschaftsstandort zu erwarten sind.
Arbeitsmarkt und Humankapital
Der Standortfaktor Arbeitsmarkt und Humankapital dürfte in den kommenden Jahren vor allem durch drei Entwicklungen geprägt werden: Alterung, Zuwanderung und Digitalisierung.
Laut Prognosen des Statistischen Amts des Kantons Zürich wird sich die Alterung der Gesellschaft trotz Zuwanderung und steigender Geburtenzahlen weiter verstärken. Dies führt zu einem steigenden Anteil an Rentnerinnen und Rentnern und dürfte den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen, wie eine Studie des Amts für Wirtschaft und Arbeit (AWA) zeigt.14 Die Alterung der Gesellschaft betrifft die meisten europäischen Länder, sodass sich der Wettbewerb um Talente, Fachkräfte und Arbeitskräfte verschärfen dürfte.
Auch die Zahl der geflüchteten Personen wird in Zukunft kaum nachlassen. Die damit verbundenen Auswirkungen auf den Zürcher Arbeitsmarkt werden vor allem durch die zu erwartende Aufenthaltsdauer und den Integrationserfolg bestimmt.
Die Digitalisierung dürfte den Strukturwandel weiter vorantreiben, insbesondere durch den zunehmenden Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Dies birgt das Potenzial, den Arbeitskräftemangel zu entschärfen, stellt aber gleichzeitig sowohl Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende vor neue Herausforderungen, wie eine Studie der Arbeitsmarktbeobachtung AMOSA zeigt.15
Bildung
In den letzten zehn Jahren hat eine deutliche Verschiebung der Beschäftigung hin zu technologie- und wissensintensiven Branchen stattgefunden.16 Die Digitalisierung ist ein wichtiger Treiber dieses Strukturwandels. Dadurch verändern sich die Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Das Bildungssystem muss antizipieren, welche Qualifikationen in Zukunft gefragt sind. Digitale Kompetenzen, der Umgang mit Daten, Kreativität und Soft Skills dürften weiter an Bedeutung gewinnen, während repetitive und administrative Tätigkeiten zunehmend wegfallen.17
Der rasche Wandel macht lebenslanges Lernen noch wichtiger. Die Schweiz und der Kanton Zürich sind mit ihrem dualen und praxisorientierten Bildungssystem gut positioniert, müssen dieses aber an die steigenden Qualifikationsanforderungen anpassen.
Das Verhältnis der Schweiz zur EU spielt für das Bildungssystem, insbesondere auf der Ebene der Hochschulen und Universitäten, eine wichtige Rolle. Ein dauerhafter Ausschluss von den EU- Austauschprogrammen (Erasmus) hätte negative Folgen.
Forschung und Innovation
Klimawandel und Versorgungssicherheit gehören zu den grossen Herausforderungen der Zukunft, die innovative Lösungen und damit Investitionen in Forschung und Entwicklung erfordern. Der Kanton Zürich braucht gute Rahmenbedingungen, um weiterhin zu den führenden Standorten in den Bereichen Cleantech, Energie- und Versorgungssicherheit zu gehören. Zudem dürften Innovationen und Start-ups künftig vermehrt über Risikokapital finanziert werden.
Für den Standort Zürich wird es wichtig sein, den Zugang zu Venture Capital zu verbessern, insbesondere im Bereich der Later-Stage-Finanzierungen. Für den Forschungs- und Innovationsstandort Kanton Zürich ist dabei der Zugang zu den EU-Forschungsprogrammen (Horizon) von besonderer Bedeutung. Ein dauerhafter Ausschluss würde die Stellung des Forschungsstandorts Zürich schwächen und liesse sich nur teilweise durch verstärkte Kooperationen mit Drittstaaten kompensieren.
Steuern und Regulierung
Im internationalen Standortwettbewerb war die Höhe der Unternehmenssteuerbelastung bisher ein wichtiger Standortfaktor. Mit den neuen Vorgaben zur OECD-Mindestbesteuerung, die in der Schweiz mit der Ergänzungsabgabe ab 2024 oder 2025 in Kraft treten dürfte, verlagert sich der internationale Steuerwettbewerb jedoch zunehmend in Richtung Subventionswettbewerb. Dies stellt einen Paradigmenwechsel mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Kanton Zürich dar.
Umso wichtiger wird es sein, dass der Kanton Zürich effiziente und transparente steuerliche und regulatorische Rahmenbedingungen bietet. Dabei sind auch übergeordnete Ziele wie Klimaschutz (Anreize zur CO2-Reduktion) und Versorgungssicherheit (Anreize zur Energieeffizienz) im Auge zu behalten.
Neben dem Paradigmenwechsel im Steuerwettbewerb könnte sich auch die zunehmende Wachstumsskepsis in Gesellschaft und Politik auf den Standortfaktor Steuern und Regulierung auswirken. Der daraus resultierende Ruf nach mehr Regulierung könnte die Standortattraktivität des Kantons Zürich schmälern.
Kostenumfeld
Bisher konnte der Standort Zürich die hohen Arbeitskosten mit einer im internationalen Vergleich tiefen Steuerbelastung teilweise kompensieren. Für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 750 Millionen Franken wird diese Möglichkeit in Zukunft durch die OECD-Mindestbesteuerung erschwert. Dies dürfte den Druck auf das Kostenumfeld als Standortfaktor erhöhen. Umso wichtiger wird es sein, dass die hohen Arbeitskosten beziehungsweise Löhne am Standort Zürich mit einer hohen Produktivität und Wertschöpfung einhergehen und die Kosten für Sozialabgaben – trotz Alterung der Gesellschaft – im internationalen Vergleich moderat bleiben.
Einen wichtigen Einfluss auf das Kostenumfeld dürfte auch die Erreichung der Klimaziele bei gleichzeitiger Gewährleistung der Versorgungssicherheit haben. Entscheidend für den Standort Zürich wird sein, dass beide Ziele gleichzeitig und ohne grosse Kostensprünge erreicht werden können.
Infrastruktur
Der Standortfaktor Infrastruktur wird in den nächsten Jahren voraussichtlich von mehreren Entwicklungen gleichzeitig massgeblich beeinflusst: dem Bevölkerungswachstum, dem Klimawandel, geopolitischen Risiken sowie dem Strukturwandel.
Das Bevölkerungswachstum erhöht den Druck sowohl auf die natürlichen Ressourcen als auch auf die physische Infrastruktur. Die bereits bestehende Knappheit an verfügbaren Bau- und Gewerbeflächen sowie Nutzungskonflikte könnten zunehmen. Chancen bieten sich durch die Digitalisierung, die es ermöglicht, standortungebunden zu arbeiten. So können auch periphere Orte an Attraktivität gewinnen.
Der Strukturwandel hin zu einer wissens- und dienst- leistungsorientierten Wirtschaft reduziert zwar die CO2-Intensität der Wirtschaft, erhöht aber die Abhängigkeit von der Strom-, IT- und Telekommunikationsinfrastruktur. Trotz der Erschliessung von Quellen erneuerbarer Energie und des bewussten Umgangs mit natürlichen Ressourcen ist die Schweiz nicht energieautonom. Ein geregeltes Verhältnis zur EU und zu den Nachbarländern ist deshalb für die Versorgungssicherheit wichtig.
Ebenfalls gefordert ist die digitale Infrastruktur. Daten stehen in immer grösserem Umfang zur Verfügung, können aber nur mit einer entsprechenden digitalen Infrastruktur genutzt werden. Ein wichtiger Fokus richtet sich auf die Schnittstellen, die Datensicherheit und die Zusammenarbeit zwischen den staatlichen Ebenen sowie zwischen Wirtschaft und Staat.
Wirtschaftsleistung
Der Standortfaktor Wirtschaftsleistung wird auch in Zukunft wesentlich durch die demografische Entwicklung und durch den Strukturwandel beeinflusst.
Die Alterung der Gesellschaft reduziert den verfügbaren Faktor Arbeit, was sich bereits heute als Arbeitskräftemangel manifestiert. Aus volkswirtschaftlicher Sicht dürfte sich die demografische Entwicklung dämpfend auf den Wohlstand auswirken, sofern es nicht gelingt, die Verluste durch eine höhere Erwerbsbeteiligung zum Beispiel von Frauen und Älteren, durch Zuwanderung sowie vor allem durch Produktivitätswachstum zu kompensieren.18
Der Strukturwandel und die Digitalisierung bieten Chancen, die Produktivität zu steigern und den Forschungs- und Innovationsstandort Zürich zu stärken. Die Wirtschaftsstruktur und die bestehenden Innovationsökosysteme bieten dafür eine gute Ausgangslage.
Lebensqualität
Der Faktor Lebensqualität hängt mit vielen anderen Faktoren zusammen: Gesellschafts- und Bevölkerungsentwicklung, Umweltqualität, Sicherheit und Stabilität, Versorgungssicherheit, Wohnungsmarkt, Kostenumfeld. Eine Herausforderung für die Zukunft sind das Bevölkerungswachstum und der weltweit ungebrochene Trend zur Urbanisierung, der auch den Kanton Zürich betrifft und die Situation auf dem Wohnungsmarkt weiter verschärfen könnte. Gefragt sind Lösungen, die Angebot und Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt besser in Einklang bringen und die Verdichtung in einem attraktiven Wohn- und Arbeitsumfeld fördern.
Die inflationsbedingt steigenden Lebenshaltungskosten dürften in den nächsten Jahren sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen belasten. Im Vergleich mit anderen Regionen und Ländern dürfte das Problem im Kanton Zürich aber relativ gering bleiben. Steigende geopolitische Risiken erhöhen das kollektive Bedürfnis nach Sicherheit als wichtigen Aspekt der Lebensqualität.
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