Am 1. Oktober 2021 fand der zweite Zürcher Klimadialog statt. Unter dem Motto «die Zusammenarbeit stärken, das Handeln erleichtern» kamen rund 150 Vertreterinnen und Vertreter von Zürcher Gemeinden nach Winterthur. Hier finden Sie die Ergebnisse und Video-Aufzeichnungen.
Wo wir stehen, was wir wollen
Michael Künzle, Stadtpräsident von Winterthur, eröffnete den zweiten Zürcher Klimadialog mit einem Willkommenswort. Danach begrüsste Regierungspräsidentin Jacqueline Fehr die Teilnehmenden, erklärte Ziel und Zweck des Anlasses und informierte über das Angebot, das der Kanton den Gemeinden macht: Wo ein Bedürfnis besteht, sollen zu den Themenbereichen Wärmeverbünde, Gasnetz, E-Mobilität, Hitzeminderung, Teilhabe und Ernährung Arbeits- und Austauschgruppen entstehen. Der Kanton Zürich wird die Arbeits- und Austauschgruppen wo gewünscht fachlich und organisatorisch unterstützen.
Veranstalter des Klimadialogs waren die Baudirektion, die Direktion der Justiz und des Innern sowie der Verband der Zürcher Gemeindepräsidien. Deren Vertreterinnen und Vertreter – Regierungspräsidentin Fehr, Baudirektor Martin Neukom und GPV-Präsident Jörg Kündig – unterhielten sich in einer anschliessenden ersten Gesprächsrunde mit den beiden Gästen: Nadja Lang, Verwaltungsratspräsidentin und CEO der ZFV-Unternehmungen, sowie Martin Bardenhewer, Leiter Institutional Clients & Multinationals bei der Zürcher Kantonalbank.
Moderiert wurde der Klimadialog von Michael Emmenegger.
Nächster Programmpunkt war ein Referat von Baudirektor Neukom zum Klimaschutz im Kanton Zürich. Er betonte die Dringlichkeit, die CO2-Emissionen schnell zu senken. Dazu zeigte er verschiedene Beispiele von Kantonen, die mit wirkungsvollen Gesetzen den Ersatz fossiler Heizungen forcieren – und er erläuterte, wie Zürich von diesen Kantonen lernen könne.
Daran schloss die Fortsetzung der Gesprächsrunde an. Die Teilnehmenden diskutierten, wie Unternehmen und Politik mit dem Klimaschutz umgehen sollen und wie es gelingt, das Thema prioritär auf die Agenda zu setzen.
Auch die Zuhörerinnen und Zuhörer wurden mit einer Kurzumfrage via Mentimeter aufgefordert, ihre Einschätzung darüber abzugeben, wie es in ihren Gemeinden um den Klimaschutz steht. Die Ergebnisse dazu:
Aussage 1: In «meiner» Gemeinde sind Massnahmen für den Klimaschutz und zur Reduktion der Treibhausgase politisch mehrheitsfähig.
Der Durchschnittswert der abgegebenen Einschätzungen lag bei 6.7 von 10, was zeigte, dass deutlich mehr als die Hälfte der Teilnehmenden Massnahmen für den Klimaschutz und zur Reduktion der Treibhausgase in ihrer Gemeinde als politisch mehrheitsfähig erachten.
Aussage 2: In «meiner» Gemeinde machen wir genug für den Klimaschutz (Dekarbonisierung).
Der Durchschnittswert lag bei 5.3 von 10. Das heisst: Nur knapp mehr als die Hälfte der Teilnehmenden sind der Meinung, dass ihre Gemeinde genug für den Klimaschutz macht.
Aussage 3: Was benötigen Sie am ehesten, um den Klimaschutz in «Ihrer» Gemeinde voranzutreiben? Nennen Sie die drei wirkungsvollsten Punkte.
Es entstand die folgende Rangliste:
- Attraktive Anreize: 68 Nennungen
- Bessere Gesetze: 54 Nennungen
- Mehr Geld: 47 Nennungen
- Mehr Personalressourcen in der Gemeinde: 45 Nennungen
- Bessere Vernetzung und Kooperation: 42 Nennungen
- Neue politische Mehrheiten: 26 Nennungen
- Weniger Vorschriften: 17 Nennungen
Die drei wirkungsvollsten Punkte, um den Klimaschutz in Gemeinden voranzutreiben, waren gemäss den Teilnehmenden also attraktive Anreize (68 Nennungen), bessere Gesetze (54 Nennungen) und mehr Geld (47 Nennungen).
Wie man es machen könnte
Im nächsten Programmpunkt stellten Vertreterinnen und Vertreter aus verschiedenen Zürcher Gemeinden und einer NGO sieben exemplarische Initiativen vor, welche zum Klimaschutz beitragen. Es handelte sich dabei um folgende Projekte:
- Kampagne Stadtgmües, Winterthur
- Bürgerpanel für mehr Klimaschutz, Uster
- Holzwärmeverbund, Ossingen
- Gasausstiegsstrategie, Rüti
- Kampagne SolarAction, NGO «My Blue Planet»
- Masterplan E-Mobilität, Wädenswil
- Pilotprojekt Hitzeminderung Zhwatt, Regensdorf
Mehr Austausch?!
Der zweite Teil des Vormittags war für die Workshops reserviert. Die Gruppenarbeit fand mit insgesamt 128 Teilnehmenden in 24 Gruppen zu sechs verschiedenen Themenbereichen statt (Wärmeverbünde, Gasnetz, Hitzeminderung, E-Mobilität, Teilhabe, Ernährung). Die Teilnehmenden beantworteten vier Fragen – und zwar bezogen auf den Themenbereich, für den sie sich angemeldet hatten. Die Fragen waren:
- Was sind die grössten Herausforderungen für die Gemeinden im jeweiligen Themenbereich?
- Was braucht es, um in den Gemeinden rasch weitere Fortschritte im betreffenden Themenbereich zu erzielen?
- Zu welchen Aspekten und wie möchten Sie sich zu diesem Themenbereich austauschen oder mit anderen Gemeinden zusammenarbeiten? Wie können Kanton und Gemeinden voneinander profitieren?
- Sind Sie interessiert an einer Arbeits- und Austauschgruppe zu diesem Thema?
Die Ergebnisse aus der Diskussion hielten die Gruppen auf einer Pinnwand fest und priorisierten sie.
Interessierte Personen konnten gleich vor Ort ihr Interesse an einer Arbeits- und Austauschgruppe anmelden.
Hier eine Kurzzusammenfassung der Resultate aus den einzelnen Themenbereichen:
Wärmeverbünde
Sechs Gruppen diskutierten das Thema Wärmeverbünde. 16 Personen sind an einer Arbeits- und Austauschgruppe zum Thema Wärmeverbünde interessiert.
Vier Gruppen erachteten die Wirtschaftlichkeit und die Finanzierung als eine der grössten Herausforderungen für die Gemeinden. Ebenfalls wurde die Priorisierung von Energie sowie die Zeitachse für Wärmeverbünde als Herausforderung genannt. Zwei Gruppen bezeichneten den Standort von Heizzentralen sowie den Platz und die Kosten für den Leitungsbau als Herausforderungen.
Um rasch weitere Fortschritte zu erzielen, brauche es vor allem genügend Anreize für Eigentümer, Subventionen und Ressourcen sowie gesetzliche Vorgaben, wie z.B. ein Energiegesetz, eine CO2-Steuer, eine Anschlusspflicht oder eine Verankerung in der BZO. Vor diesem Hintergrund plädierten drei Gruppen dafür, den Erfahrungsaustausch zu fördern.
Der Kanton könne die Gemeinden während des Projektstarts, beim Dialog zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie bei Bewilligungen und der Planung von Projekten unterstützen unterstützen, so der Tenor.
Gasnetz
Dem Thema Gasnetz haben sich vier Gruppen angenommen. Zehn Teilnehmende haben sich für eine Arbeits- und Austauschgruppe zu diesem Thema eingetragen.
Als Herausforderungen wurden die Wirtschaftlichkeit und die Finanzierung erwähnt. Zwei Gruppen forderten, die Gasversorgung als «cash cow» oder «Goldesel» zu streichen. Dabei stellte eine Gruppe die Frage, wie die Entschädigungsforderungen von privaten Gasnetzbetreibern aussehen würden.
Mehrfach als Thema – und Herausforderung – erwähnt wurde die Zukunftsfähigkeit von Biogas und Synthetischem Gas. Drei Gruppen stellten sich die Frage, wie die Politik bei diesem Thema in die Eigentumssituation eingreifen kann.
Um Fortschritte zu erzielen, schlugen zwei Gruppen eine Energieplanung vor. Zusätzlich brauche es mehr Klarheit bei den Rahmenbedingungen, in Bezug auf Kosten und Finanzierung, Machbarkeit und CO2-Ausstoss sowie eine bessere Kommunikation und Beratung.
Der Kanton könne die Gemeinden in der Planung, mit Infomaterial, Wissensvermittlung an die Bevölkerung oder bei der Umsetzung unterstützen.
Hitzeminderung
Die Diskussionen in den vier Gruppen haben gezeigt, dass die Hitzeminderung in den Gemeinden ein grosses Thema ist. Viele Gemeinden bemühen sich aktiv, den Bestand an Grün zu erhalten und auszubauen.
Zwei Gruppen betonten, dass rechtliche Grundlagen fehlten, was eine grosse Herausforderung für die Hitzeminderung darstelle. Eine Gruppe unterstrich die Bedeutung von verbindlichen Zielen und die Einhaltung und Kontrolle von Vorschriften. Drei Gruppen finden eine verstärkte Begrünung wichtig. Versiegelte Böden und Wassermangel würden dies allerdings erschweren.
Als Mittel, um schnelle Fortschritte zu erzielen, schlugen die Diskussionsteilnehmenden Gesetzesanpassungen wie zum Beispiel helle und sickerfähige Strassenbeläge, weniger Steingärten, mehr Grün im Strassenraum oder auch einen stärkeren Druck seitens der Bevölkerung (via Partizipationsverfahren) vor. Zwei Gruppen verwiesen auf die PBG-Revision. Eine Gruppe betonte zudem, dass es den Gemeinden an Ressourcen und spezifischem Know-how fehle. Durch neue interne Stellen und mehr Austausch könne diesem Mangel entgegengewirkt werden.
Verschiedene Personen wünschten einen verbesserten Erfahrungsaustausch zwischen den (Nachbar-) Gemeinden zum Klimawandel sowie das Teilen von Best Practices. Der Kanton könne vor allem eine Rolle spielen bei den Kantonsstrassen. Konkret könnten diese verschmälert und mit sickerfähigen Trottoir-Böden ausgestattet werden.
Generell wünschten die Mitdiskutierenden vom Kanton mehr Informationen zum Thema sowie eine Abklärung, wie die Ideen der Gemeinden in die BZO-Revision eingebracht werden können.
Neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind an einer Austausch- und Arbeitsgruppe zum Thema Hitzeminderung interessiert.
E-Mobilität
In fünf Gruppen wurde das Thema E-Mobilität angeregt diskutiert. 18 Teilnehmende haben sich für eine Arbeits- und Austauschgruppe zum Thema E-Mobilität eingetragen.
Vier Gruppen betonten, dass zur Förderung der E-Mobilität öffentliche wie auch private Ladestationen angeboten werden sollen. Dabei stelle sich jedoch immer wieder die Frage, woher der Strom kommen soll und wer für die Finanzierung und den Aufbau der Ladeinfrastruktur zuständig sei.
Um weitere Fortschritte zu erzielen, schlugen die Teilnehmenden Vorschriften für Neubauten, klare Konzepte für die E-Mobilität, die Zusammenarbeit mit Privatanbietern (wie Mobility oder Energie 360) sowie Förderprogramme vor.
Ebenso würden die Anwesenden die Wissenserweiterung durch Ausbildungen sowie einen «Werkzeugkoffer» mit Best Practices schätzen.
Der Kanton kann die Gemeinden beim Austausch untereinander sowie mit Expertinnen und Experten und den privaten Anbietern unterstützen.
Teilhabe
Das Thema Teilhabe wurde von vier Gruppen diskutiert. 12 Teilnehmende haben sich für eine Austausch- und Arbeitsgruppe eingetragen.
Die Diskussion in den Gruppen zeigte, dass Teilhabe ein anspruchsvolles Thema ist, da es darum geht, wie man ein Projekt legitimiert und wie Entscheide gefällt werden. Alle vier Gruppen diskutierten darüber, wie die Bevölkerung besser «abgeholt» werden kann und wie es gelingen kann, jene Einwohnerinnen und Einwohner zu erreichen, welche sich normalerweise nicht am politischen Leben beteiligen. Mit Blick auf Partizipationsprojekte (zum Beispiel Bürgerforum Uster) stellte sich die Frage, wie sich eine gute Durchmischung erreichen lässt? Als weitere Herausforderungen brachten die Teilnehmenden den Umgang mit verschiedenen Erwartungen sowie die Frage nach einer passenden Entschädigung zur Sprache.
Um im Bereich Teilhabe Fortschritte zu erzielen, brauche es mehr politischen Willen sowie personelle und finanzielle Ressourcen, betonten die Diskutierenden. Zwei Gruppen halten es für wichtig, durch einen persönlichen Bezug zu Projekten Vertrauen zu schaffen und so die Teilhabe zu fördern. Der Fokus von Teilhabe-Projekten sollte vermehrt das gemeinsame Gestalten eines nachhaltigen Lebensraumes sein. Eine Gruppe formulierte die Aussage: «Mitwirkung der Bevölkerung, nicht nur Mitsprache». Um möglichst viele Gruppen zu erreichen, sei eine einfache und zugängliche Kommunikation nötig.
Der Kanton könnte die Gemeinden mit einer Plattform für den Erfahrungsaustausch und mit Best Practices unterstützen. So entstehe die Voraussetzung, um Teilhabeprojekte einfacher, spielerischer und realistischer umsetzen zu können.
Ernährung
Zwei Gruppen haben sich dem Thema Ernährung gewidmet. Drei Personen interessieren sich für die Mitarbeit in einer Arbeits- und Austauschgruppe.
In den Diskussionen wurde schnell deutlich, dass Ernährung ein komplexes und emotionales Thema ist, da es oft «nur» um Wünsche geht. Für konkrete Massnahmen hätten die Gemeinden im Bereich Ernährung nur wenig Spielraum.
Beide Gruppen sahen dennoch Möglichkeiten für Gemeinden, sich aktiv für eine gute Ernährung einzusetzen. Einfluss nehmen könne man zum Beispiel auf das Verpflegungsangebot bei Catering-Bestellungen, in Alterszentren oder Schulen. Es sei wichtig, dort die Angebote anzupassen sowie Standards einzuführen, damit die verwendeten Lebensmittel nachhaltig und biologisch produziert seien.
Ausserdem bestand unter den Diskutierenden Konsens darüber, dass die Konsumierenden dazu gebracht werden sollten, auch unförmiges Gemüse zu verwenden. Dieses Ziel lasse sich fördern, wenn die entsprechenden Distributionskanäle vorhanden seien. Eine wichtige Rolle spiele aber auch die generelle Sensibilisierung der Bevölkerung für nachhaltige und gesunde Ernährung. Nur so entstehe die Bereitschaft, für gute Ernährung den entsprechenden Preis zu bezahlen.
Die Teilnehmenden fänden es wichtig, wenn im Bereich Ernährung Leuchtturmprojekte sichtbar würden und die Gemeinden zudem die Möglichkeit hätten, sich zu diesem Thema besser zu vernetzen.
Zu jedem Thema gab es eine Berichterstatterin oder einen Berichterstatter. Sie haben zum Abschluss des Klimadialogs die wichtigsten Erkenntnisse aus den Gruppenarbeiten im Plenum zusammengefasst.
Ausblick
Der Kanton wird alle Klimadialog-Teilnehmenden, die sich für das Mitmachen in einer Arbeits- und Austauschgruppe zu den einzelnen Themen interessieren, zu einem ersten Treffen einladen. Dort werden die weiteren Schritte besprochen.
Wo nötig, wird der Kanton die Gruppen fachlich und organisatorisch unterstützen. Es sollen bestmögliche Voraussetzungen entstehen, damit die Vernetzung der Gemeindevertreterinnen und –vertreter in den einzelnen Arbeitsgruppen zu produktiven Ergebnissen führt. Das Erfahrungswissen, das die Teilnehmenden einbringen, ist ein enormes Potenzial, das wir besser und breiter nutzen möchten, als dies heute der Fall ist.
Nachdem auch der zweite Klimadialog erfolgreich verlaufen ist, wollen wir die Tradition 2022 weiterführen. Die Ambition des diesjährigen Klimadialogs, im Austausch zwischen Kanton und Gemeinden das Handeln zu erleichtern, bleibt aktuell – daran werden wir anknüpfen. Wir freuen uns, wenn Sie auch am nächsten Klimadialog mit dabei sind.