Kleine Gemeinde, ambitionierte Energieziele
Mitteilung 30.01.2024
Dass eine Gemeinde weder gross noch reich sein muss, um sich mutig und innovativ der Energiezukunft zu stellen, zeigt Bonstetten im Knonaueramt. Die 5700-Seelen-Gemeinde entwickelte eine auf ihren Einflussbereich massgeschneiderte Energiepolitik und formulierte drei ehrgeizige, aber realisierbare Energieziele in den Bereichen erneuerbares Heizen, Solarstrom und E-Mobilität. Diese sollen bis 2030 umgesetzt werden.
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Die angespannte Energieversorgungslage im Winter vor einem Jahr hat viele Gemeinden und Städte im Kanton Zürich veranlasst, sich verstärkt mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen. Sie erarbeiteten Konzepte, entwickelten Ideen, ergriffen Massnahmen.
Auch in Bonstetten im Bezirk Affoltern, knapp 10 Kilometer vor dem Stadtrand von Zürich, waren damals Stromsparmassnahmen in Kraft und Notfallpläne lagen griffbereit in der Schublade. Doch in der Gemeinde, die inmitten einer weitgehend intakten Natur liegt und rund 5700 Einwohnerinnen und Einwohner in 2600 Haushalten zählt, war man da schon einen Schritt weiter in Richtung nachhaltige Energiezukunft. «Der Zug ist angerollt und nun wollen wir lieber im TGV als im Schlafwagen unterwegs sein», sagt Roger Schuhmacher, Gemeinderat und Vorsteher der Ressorts Liegenschaften, Energie und Umwelt.
Weitsichtiger Gemeinderat, engagierte Energiekommission
Bereits der vorhergehende Gemeinderat hatte ein Leitbild aufgegleist, in dem ein optimierter Umgang mit den Ressourcen zentral ist. Die Schwerpunkte der laufenden Legislaturperiode umfassen neben der raumplanerischen Entwicklung Bonstettens und Themen wie Wohnen im Alter oder die Erhaltung einer aktiven Dorfgemeinschaft auch Klima und Energie.
2022 verabschiedete der Gemeinderat ein Energieleitbild. Es basiert auf internationalen Vereinbarungen zur Bekämpfung des Klimawandels, insbesondere dem Abkommen von Paris aus dem Jahr 2015. Dieses hat die Schweiz ratifiziert und sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren sowie die Erderwärmung zu beschränken. «An diesen Vorgaben orientieren wir uns, haben aber eine eigene Energiepolitik für das Einflussgebiet der Gemeinde entwickelt», so Roger Schuhmacher.
Der CO2-Ausstoss soll dort reduziert werden, wo das grösste Potential vorhanden ist, die Gemeinde Handlungsspielraum hat und kosteneffiziente Möglichkeiten vorhanden sind. «So ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir Erfolg haben, am grössten», erklärt Schuhmacher.
Treibende Kraft in Bonstetten ist eine neunköpfige Energiekommission, der neben Roger Schuhmacher auch Gemeindepräsidentin Arianne Moser sowie engagierte Bürgerinnen und Bürger von Bonstetten angehören. Nach eingehender Analyse und mit Unterstützung eines Energiestadt-Beraters formulierte die Kommission drei energiepolitische Ziele zur Umsetzung bis 2030. Diese hat der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 19. September 2023 beschlossen – einstimmig. «Die Massnahmen zur Umsetzung und das Budget dafür werden wir Jahr für Jahr diskutieren und beschliessen», führt Roger Schuhmacher aus.
Energiestrategie Bonstetten
Erneuerbar heizen, mehr Solarstrom und E-Mobilität
Die Energieziele sehen vor, den Anteil der erneuerbar geheizten Gebäude in Bonstetten von heute 46 Prozent innerhalb der nächsten sieben Jahre auf 93 Prozent zu erhöhen. Weiter soll die Photovoltaik ausgebaut werden und die installierte Leistung auf 8000 Kilowatt-Peak im Jahr 2030 steigen. Bis dann sollen ausserdem 47 Prozent aller Autos, die in der Gemeinde immatrikuliert sind, emissionsfrei fahren – heute sind es 5 Prozent.
«Natürlich sind diese Ziele ambitioniert, aber ihre Umsetzung ist realistisch und machbar», erläutert Roger Schuhmacher. Momentan werden die Massnahmen für jedes Ziel in der Energiekommission geschärft, dann geht es an die Umsetzung. Dafür wurden jährliche Etappenziele definiert (siehe Tabelle unten).
Energiepolitische Ziele für Bonstetten bis 2030
2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2027 | 2028 | 2029 | 2030 | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Anteil erneuerbar geheizter Gebäude | 50% |
55% | 61% | 69% | 77% | 84% | 89% | 93% |
Installierte PV-Leistung |
1800 kWp |
2100 kWp |
2500 kWp |
3100 kWp |
3900 kWp |
4900 kWp |
6200 kWp |
8000 kWp |
Anteil emissionsfreier Personenwagen | 5% | 10% | 14% | 19% | 26% | 32% | 40% | 47% |
Information, Überzeugungsarbeit und Unterstützung
Die grösste Herausforderung für die Zielerreichung sieht Schuhmacher bei den erneuerbaren Heizungen, wo die Quote von 93 Prozent hoch angesetzt ist: «Dafür müssen wir jede Hausbesitzerin, jeden Hausbesitzer einzeln abholen und allfällige Vorbehalte ausräumen». Dies soll mit einer Mischung aus Information, Überzeugungsarbeit und Unterstützung geschehen. Wobei die Unterstützung sowohl im planerischen Bereich denkbar sei, zum Beispiel beim Einholen und Beurteilen einer Offerte oder im Bewilligungsverfahren, als auch monetär durch zusätzliche Fördergelder.
Angedacht ist ausserdem der Aufbau eines Fernwärmenetzes in Bonstetten-Dorf, wie es im Ortsteil Schachen beim Bahnhof bereits besteht. «Darauf setzen wir grosse Hoffnungen und sieben Jahre sind lang genug, um ein solches Fernwärmenetz zu realisieren», sagt Roger Schuhmacher.
Gemeinde geht mit gutem Beispiel voran
Für das Energieziel «Emissionsfrei fahren» setzt der 52-jährige Ökonom auf die exponentielle Zunahme von elektrischen Fahrzeugen. Vor dem Hintergrund, dass Autos durchschnittlich alle zwölf Jahre neu gekauft werden, liege der avisierte Wert von 47 % gemäss Schuhmacher in Reichweite. Die Gemeinde will mit externen Partnern den Ausbau an Ladestationen auf ihrem Gebiet vorantreiben – und geht mit gutem Beispiel voran: Die neu angeschafften Kommunalfahrzeuge fahren alle mit Strom und hinter dem Gemeindehaus steht eine Ladestation.
Bei der Solarenergie, wo die angestrebten 8000 Kilowatt-Peak knapp einem Drittel des errechneten Potentials für Bonstetten entsprechen, nimmt sich die Behörde ebenfalls selbst in die Pflicht: Zusätzliche Solaranlagen sollen durch Contractingpartner auf bestehenden Bauten der Gemeinde installiert werden. Nur auf dem neu entstehenden Mehrzweckgebäude im Schachen baut und finanziert Bonstetten die PV-Anlage noch selber. Für private Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer sollen verschiedene Anreize geschaffen werden. Diese reichen von aktiver Beratung über baurechtliche Grundlagen bis zum Solarapéro, den die Gemeinde nach dem Fertigstellen einer Anlage offerieren will.
Jede Bürgerin, jeder Bürger kann am Wandel teilnehmen
Um beim Umbau der Bonstetter Energieversorgung mitzumachen, muss man nicht zwingend ein Haus besitzen: Der Verein «solarbonstetten», der vor elf Jahren aus einem Schulprojekt entstand, unterstützt ein innovatives Modell der Bürgerbeteiligung. Er stellt mit Hilfe Privater die Mittel zur Verfügung, um in der Gemeinde Solaranlagen zu realisieren. Drei durch private Gelder finanzierte PV-Anlagen – auf zwei Schulhausdächern und einem Privathaus – konnten bereits realisiert werden. Der dort produzierte Strom wird vollständig von den Einwohnerinnen und Einwohnern von Bonstetten übernommen.
Roger Schuhmacher ist seit mehreren Jahren Vorstandsmitglied von «solarbonstetten» und zog in dieser Funktion schon selbst von Tür zu Tür, um Hausbesitzende von den Vorteilen einer Solaranlage zu überzeugen. Es sei die «schiere Panik», die ihn antreibt und ihn motiviert, sich in verschiedenen Funktionen für Umwelt- und Energiethemen einzusetzen: «Es raubt mir manchmal den Schlaf, wenn ich meine Söhne ansehe und daran denke, was wir ihnen und ihren Altersgenossen antun.»
Grosser Rückhalt in der Bevölkerung
Damit steht Schuhmacher nicht allein da: «Ich spüre viel Goodwill in der Bevölkerung». Die Energiezukunft bewegt viele Einwohnerinnen und Einwohner von Bonstetten. «Wir kochen den Planeten – wir haben keine andere Wahl, als jetzt zu handeln», lautete zum Beispiel ein Votum an der Dorfkonferenz im November 2023. Diese hatte der Gemeinderat einberufen, um der Bevölkerung seine Energieziele 2030 vorzustellen und Massnahmen zu diskutieren. Die Veranstaltung war deutlich besser besucht als eine durchschnittliche Gemeindeversammlung und die Teilnehmenden setzten sich intensiv mit den anspruchsvollen Themen auseinander. Sie machten Vorschläge und berieten über Möglichkeiten zur Umsetzung. In der Schlussabstimmung sagten die rund 80 Anwesenden ohne Gegenstimme den Energiezielen des Gemeinderates ihre Unterstützung zu.
Das Beispiel Bonstetten zeigt, dass eine Gemeinde weder besonders gross noch gut situiert sein muss, um zu handeln und eine eigene Energiepolitik zu entwickeln. «Wir sind keine reiche Gemeinde und was wir bisher erreicht haben, hat uns noch nicht viel gekostet», sagt Roger Schuhmacher. Die Kosten für Massnahmen im Energiebereich will Bonstetten so ansetzen, dass sie in etwa dem entsprechen, was die Gemeinde an EKZ-Beiträgen erhält. Ein Modell, das auch für andere Gemeinden im Kanton Zürich realisierbar ist, um die Energieversorgung zukunftsfähig auszurichten und zum Erreichen der Klimaziele beizutragen.
Wandern auf dem Energieweg
Bonstetten hat nicht nur eine innovative Energiestrategie, sondern auch einen Energieweg, auf dem man erneuerbare Energie anschaulich erleben kann. Er ist rund drei Kilometer lang und entstand 2021 aus einer Kooperation zwischen «Energie Region Knonaueramt» und dem Verein «solarbonstetten».
Der Start erfolgt am Bahnhof Bonstetten-Wettswil. Dort holt man sich am Kiosk (Avec) einen Info-Flyer oder lädt die Routenbeschreibung über den QR-Code auf der Starttafel aufs Handy. Entlang des Weges findet man dann an neun Stellen gut dokumentierte Beispiele, die zeigen, wie man mit Solarenergie, Ab- oder Erdwärme, Wasserkraft oder Holzschnitzeln heizen oder Strom erzeugen kann.
Die reine Marschzeit beträgt rund eine Stunde, je nachdem wie lange man sich bei den einzelnen Stationen aufhält, benötigt man für die Strecke das Doppelte.
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