Digitaler Unterricht leicht gemacht

Der Einsatz digitaler Geräte ist heute im Unterricht Alltag. Trotzdem ist es für Lehrpersonen nicht immer einfach, zu entscheiden, wann und wie sie diese einsetzen wollen und mit welchem Ziel. Schuleigene Verantwortliche für den pädagogischen ICT-Support helfen ihnen bei Bedarf mit Rat und Tat.

Text: Martina Bosshard Fotos: Marion Nitsch

An einem Dienstagnachmittag, ein paar Wochen nach Beginn des Schuljahrs, ist Patrick Buff unterwegs zum ländlichsten der drei Primarschulhäuser von Bäretswil. Das Schulhaus Maiwinkel liegt in der Höhe, die Aussicht über Hügel, Wiesen und Wälder ist beeindruckend. Die Schülerinnen und Schüler kommen zu Fuss von den umliegenden Bauernhöfen oder werden mit einem Schulbus gebracht. Als Zuständiger für den Pädagogischen ICT-Support (PICTS) ist Patrick Buff für die ganze Primarstufe in Bäretswil zuständig. Er unterstützt seine Kolleginnen und Kollegen bei digitalen Vorhaben. Ausserdem unterrichtet er eine 4. Klasse im Schulhaus Adetswil.

Eine Person erklärt einer aneren Person eine elektronische Schalttafel.
Patrick Buff ist Zuständiger für den Pädagogischen ICT-Support und erklärt der Kindergartenlehrerin Karin König den «Bee-Bot». Quelle: Marion Nitsch

Als Berater auf Achse

Heute nimmt er einen Beratungstermin wahr, im Gepäck hat er einen «Bee-Bot». Das ist ein programmierbares Gerät, das aussieht wie eine Biene. Es ist etwa handgross mit einer flachen Unterseite. Die Kindergartenlehrerin Karin König möchte herausfinden, ob sich der «Bee-Bot» für den Einsatz in ihrem Unterricht eignet. Zuerst erklärt ihr Patrick Buff, wie sich die Biene auf einer Tafel, einer Art Teppich mit Bildern, bewegen kann.

Über verschiedene Knöpfe können die Kinder Befehle für die Fortbewegung programmieren: «vorwärts», «links abbiegen» und «rechts abbiegen». Sie können die Biene beispielsweise zum roten Feld (vorwärts, links, vorwärts) oder zum grünen Feld (vorwärts, vorwärts, rechts, vorwärts) schicken. Sobald die Biene alle programmierten Befehle ausgeführt hat, blinkt sie mit den Augen.

Gemeinsam besprechen die zwei Lehrpersonen, welche Lernziele mit dem Einsatz des «Bee-Bots» erreicht werden können. Gefördert werden das Vorstellungsvermögen, die Orientierung im Raum und das logische Denken. Da sich jeweils drei Kinder eine Biene teilen, üben sie auch, sich abzusprechen.

Karin König denkt, dass sich das Tool für die älteren Kinder eignet. Sie möchte es in der Halbgruppe der Kinder im zweiten Kindergartenjahr ausprobieren. «Für den ersten Einsatz in der Klasse kannst du einen Termin buchen», sagt Patrick Buff. «Ich komme dann in den Unterricht und übernehme die Einführung im Kreis.»

Dieses Angebot nimmt Karin König gern an. In der Zwischenzeit will sie sich überlegen, ob sie die bestehende Tafel mit Farben und Zahlen einsetzen oder eine eigene gestalten will. Zum Beispiel zu einer Geschichte, die sie gerade mit der Klasse durchnimmt.

Alle Lehrpersonen der Primarschule Bäretswil können Patrick Buff beiziehen, wenn sie Fragen oder Wünsche im Bereich des digitalen Unterrichts haben. Er teilt sich seine PICTS-Zeit auf die drei Schulhäuser auf, so können ihn die Lehrpersonen auch zwischen Tür und Angel ansprechen. «Oft kommen meine Kolleginnen und Kollegen in der Pause auf mich zu», sagt Patrick Buff. «Manchmal kann ich gleich weiterhelfen und wenn nicht, treffen wir uns später für eine längere Beratung.»

Zusätzlich organisiert er Workshops zu Themen wie «Green Screen» oder «Microsoft Teams». Etwa alle zwei Monate haben Lehrpersonen die Möglichkeit, eine solche Weiterbildung zu besuchen. «Am wichtigsten sind die persönlichen Beratungen», sagt Patrick Buff. An den Workshops schätzt er hingegen, dass er damit eine grössere Anzahl an Lehrpersonen erreichen kann.

Drei Lehrpersonen unterhalten sich im Teamzimmer. Zwei Personen sitzen an einem Tisch und lesen Zeitung.
Alle Lehrpersonen der Primarschule Bäretswil können Patrick Buff beiziehen, wenn sie Fragen oder Wünsche im Bereich des digitalen Unterrichts haben. Er teilt sich seine PICTS-Zeit auf die drei Schulhäuser auf, so können ihn die Lehrpersonen auch zwischen Tür und Angel ansprechen. Quelle: Marion Nitsch

PICTS als Teilzeit-Aufgabe

Im Kanton Zürich wurde der pädagogische ICT-Support vor über zehn Jahren eingeführt. Im Rahmen von PICTS bilden sich interessierte Lehrpersonen weiter, um die pädagogische Nutzung von digitalen Technologien im Unterricht weiterzuentwickeln. Zu Beginn war für eine Anstellung als PICTS eine Weiterbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich Pflicht. Heute ist dies nicht mehr zwingend.

Was aber bleibt: Niemand arbeitet Vollzeit als PICTS im Rahmen des kantonalen Berufsauftrags, alle Zuständigen unterrichten weiterhin als reguläre Lehrpersonen. «Der Grund dafür ist, dass die digitalen und die pädagogischen Themen eng verflochten bleiben sollen», erklärt Daniel Jud, Co-Leiter der Fachstelle Bildung und ICT im Volksschulamt des Kantons Zürich. Insgesamt 110 von 181 Schulgemeinden im Kanton Zürich haben die PICTS-Ressourcen in den kantonalen Berufsauftrag integriert, andere stellen ihre Verantwortlichen kommunal an.

«Heute stehen die Schulen im Kanton Zürich an einem ganz anderen Ort als noch vor zehn Jahren», sagt Daniel Jud. Die meisten Lehrerinnen und Lehrer sind, nicht zuletzt dank des grossen Einsatzes der PICTS-Verantwortlichen, unterdessen vertraut mit den gängigen digitalen Möglichkeiten für den Unterricht. Lehrpersonen, die in den letzten Jahren ihre Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule abgeschlossen haben, bringen bereits gute Kenntnisse mit. Hinzu kommt, dass Geräte und Tools benutzerfreundlicher werden und die Schulen ihre Infrastruktur weiterentwickelt haben.

Auch die Einführung des Fachbereichs «Medien und Informatik» hat bewirkt, dass sich die Schulen vertiefter mit digitalen Themen befassen.

Im Netzwerk lernen

Obwohl die Lehrpersonen tendenziell weniger Unterstützung brauchen, geht den PICTS-Verantwortlichen die Arbeit nicht aus. Die Entwicklung von neuen digitalen Möglichkeiten geht rasant voran, niemand kann allein den Überblick behalten. Deshalb verfügen die PICTS-Verantwortlichen über ein Netzwerk: Sie nehmen regelmässig an physischen und digitalen Treffen teil und tauschen sich zu Neuerungen und Best-Practice-Beispielen aus.

Auch bilden sie «Communities of Practice » (Arbeitsgruppen). Diese bearbeiten aktuelle Themen wie zum Beispiel «Künstliche Intelligenz in der Schule». Neben dem PICTS-Netzwerk besteht auch ein Netzwerk zu digitalen Themen für Leitungspersonen im Schulfeld: das Fachnetzwerk «Digitaler Wandel». Dort werden übergeordnete Themen wie etwa «Datenschutz» oder «Informationssicherheit» diskutiert, die im Verantwortungsbereich der jeweiligen Leitungspersonen liegen und nicht an eine Lehrperson delegiert werden können.

Zurück in Bäretswil, im Teamzimmer. Was bedeutet die PICTS-Unterstützung für die Lehrerinnen und Lehrer? «Super ist, dass Patrick einen dort abholen kann, wo man steht. Er gibt Antworten, die auch für weniger digital affine Personen verständlich sind», sagt ein Lehrer. «Probleme, die uns früher stundenlang beschäftigt haben, kann Patrick oft in zehn Minuten lösen. Zum Beispiel Passwörter, die nicht funktionieren», ergänzt eine Kollegin.

Auch Irene Jany, die seit über 20 Jahren in der Unterstufe unterrichtet, nimmt das PICTS-Angebot gern in Anspruch. «Ich war mit einer Klasse im Wald. Dort hat der Vater eines Kindes der Klasse gezeigt, wie man mit einem Seil einen Achterknoten macht. Im Anschluss wollte ich mit der Klasse eine Anleitung erstellen, die alle Schritte bis zum fertigen Knoten dokumentiert. Patrick hat mir gezeigt, welches Programm sich dafür eignet, und den Zugang für mich und die Kinder eingerichtet», erzählt sie. Das habe gut funktioniert und die Klasse freute sich über das Resultat. Sie begrüsst es auch, dass viele Lehrmittel digitale Aufgaben zur Verfügung stellen: «Die Kinder schätzen es sehr, dass sie bei den Online-Aufgaben eine unmittelbare Rückmeldung zu ihrer Leistung erhalten.»

Sandra Kengelbacher, Lehrerin in der Mittelstufe, ergänzt: «In der 5. Klasse erhalten die Kinder ihr eigenes Gerät. Patrick organisiert die Einführung und schaut darauf, dass die Geräte und die Zugänge funktionieren. Dies ist eine grosse Entlastung für mich. Dank der PICTS-Unterstützung kann ich auch digitale Projekte anpacken, die für mich allein zu aufwendig wären.»

Eine Person sitzt vor einem gelben Roboterkäfer.
Heute stellt Patrick Buff einer Lehrerin im Schulhaus Maiwinkel den «Bee-Bot» vor. Quelle: Marion Nitsch

Ein Blick über den Tellerrand

In Schweden, einem Pionierland der Digitalisierung, wollen die Verantwortlichen wieder einen Schritt zurückgehen und den Einsatz von digitalen Hilfsmitteln einschränken. Wird diese Diskussion auch im Kanton Zürich geführt? «Bei uns braucht es kein Umdenken, denn wir hatten immer den pädagogischen Aspekt im Fokus», sagt Daniel Jud. «Wir orientieren uns nicht an neuen Gadgets, sondern an den Bedürfnissen der Lehrpersonen, der Schülerinnen und der Schüler.

Digitale Mittel werden nur dort eingesetzt, wo die erweiterten didaktischen Möglichkeiten auch sinnvoll sind.» Die Lehrpersonen achten darauf, dass beispielsweise die Entwicklung der Handschrift und der Umgang mit gedruckten Medien nicht zu kurz kommen. Ein wichtiger Aspekt des Unterrichts ist ausserdem die Vermittlung von Medienkompetenz. Die Kinder werden für einen bewussten Umgang mit den digitalen Medien sensibilisiert.

Für Rolf Nussbaum, Schulleiter der Primarschule Bäretswil, ist klar, dass das Digitale seinen Platz in der Schule braucht: «Die Zukunft fängt in der Volksschule an. Schule und Beruf müssen mit der Digitalisierung mithalten, auch hier auf dem Land. Die Kinder sollen schon früh digitale Möglichkeiten nutzen und an der Entwicklung teilhaben.»