Berufslehre heute: Tierpfleger

Simon Gyger macht es Freude, «geschädigten» Tieren zu einem guten neuen Leben zu verhelfen. Im Tierheim müsse man aber auch mit Menschen umgehen können, sagt Berufsbildnerin Imana Rüttimann.

Text: Paula Lanfranconi Foto: Sabina Bobst

Was der Tag bringen wird, weiss Simon Gyger nie so genau. Er macht seine Ausbildung als Tierpfleger, Fachrichtung Heimtiere, im Tierheim «Pfötli» in Winkel. Es gehört zur Stiftung Tierrettungsdienst. Mit 18 Pflegerinnen und Pflegern und bis zu 250 Tieren – Katzen, Vögel, Hunde, Kleinnager, Kaninchen – ist es ein grosses Tierheim. Im Gegensatz zu anderen, die vor allem Ferien- und sogenannte «Verzichttiere », also Tiere, die von den Haltern nicht mehr gewollt oder gar ausgesetzt wurden, betreuen, nimmt das «Pfötli» nur Tiere auf, welche die stiftungseigenen Rettungswagen einliefern. «Unsere Tiere kommen immer aus Notsituationen», sagt Heimleiterin Tanya Hofer. Typisch seien sogenannte Behördeneinsätze: Verkehrsunfälle, bei denen Hunde an Bord waren, aber keine Betreuungspersonen auffindbar sind. Haustiere, deren Halter verstarben, oder Hunde, die ausgerissen sind.

Simon Gyger und Imana Rüttimann halten eine Katze in den Armen.
Simon Gyger macht seine Ausbildung als Tierpfleger, Fachrichtung Heimtiere, im Tierheim «Pfötli» in Winkel. Es gehört zur Stiftung Tierrettungsdienst. Simon Gyger war einer von 20 Bewerbern für die offene Lehrstelle beim «Pfötli». Dass er motiviert sei, habe man sofort gemerkt, sagt Berufsbildnerin Imana Rüttimann. Quelle: Sabina Bobst

Das Reinigen gehört dazu

Heute ist ein ruhiger Morgen. Simon Gyger ist im zweiten Lehrjahr. Er beginnt seine Arbeit jeweils um 8 Uhr mit einem Kontrollgang. Findet er extrem geschwächte Tiere, kontaktiert er das interne Medizinteam. Dann schaut er in den Computer, wo die Krankengeschichten und Therapiepläne gespeichert sind.

«Am Vormittag», erzählt der Lernende, «ist immer Füttern und Putzen.» Das bedeutet: Näpfe reinigen und neu befüllen, Kot und Erbrochenes entfernen, staubsaugen und die Böden feucht aufnehmen, Medikamente verabreichen. Das viele Reinigen gehöre einfach dazu. «Und am Nachmittag hast du Zeit für lässigere Sachen, zum Beispiel mit den Hunden rauszugehen.» Beschäftigung sei wichtig für die Lebensqualität der Tiere.

Simon Gyger wirkt eloquent und engagiert. Für Tiere hat er sich schon immer begeistert. Die Familie ging oft in den Zoo. Auf Wanderungen habe er jedes Büsi gestreichelt, Würmer und Schnecken gerettet,  sagt der junge Mann lachend. Schon früh machte er sich Gedanken über seine Zukunft. Er schnupperte als Wildtier- und als Heimtierpfleger sowie bei einem Bauern. Dort störte ihn indes der starke Nutzaspekt. Ein Praktikum als Tiermedizinischer Praxisassistent habe Spass gemacht. «Es wurde aber schwierig, weil ich den Haltern Tipps geben wollte.»

Was macht ihm am meisten Freude an dem Beruf? Es ist die Sinnhaftigkeit: Zu sehen, wie sich eine abgezehrte und menschenscheue Katze zu einem gut vermittelbaren Schmusebüsi entwickle, sei richtig schön. Das andere Extrem: «Wenn man ein Tier wochenlang mit Herzblut gepflegt hat und es dann doch gehen lassen muss, das tut schon weh.»

Simon Gyger war einer von 20 Bewerbern für die offene Lehrstelle beim «Pfötli». Dass er motiviert sei, habe man sofort gemerkt, sagt Berufsbildnerin Imana Rüttimann. Simon habe viele Fragen gestellt, die anstehenden Arbeiten sofort gesehen. «Und man merkte ihm die Freude am Tier an.»

Wichtig sei auch eine gute Beobachtungsgabe – Tiere könnten nicht sprechen, man müsse sehen, was ihnen fehle. Geduld und Sinn für Hygiene sollte man ebenfalls mitbringen. Nicht zu unterschätzen sei die körperliche Belastung, gibt Imana Rüttimann zu bedenken. Auch Allergien seien immer wieder Thema. «Inunseren geschlossenen Räumen ist die Konzentration an Tierhaaren, Gras- und Heustaub sehr hoch.»

Ein Missverständnis gelte es zu klären: Viele wollten in die Tierpflege, weil sie es mit Menschen nicht so gut könnten. Nur: «Wir führen öfters Kundengespräche, da müssen wir spüren: Passt dieser Mensch zu diesem Tier?»

Die Folgen des Online-Handels

Wie stehen die Berufschancen? Ein Blick auf die Verbandswebsite zeigt viele offene Stellen, meist in ländlichen Regionen – man muss also örtlich flexibel sein. Der Knackpunkt, sagt Heimleiterin Tanya Hofer, sei die Entlöhnung, denn viele private Heime zahlten bescheidene Löhne. Die Fachrichtung mache den Lohn: «Versuchs- und Wildtierpfleger verdienen schon in der Lehre viel mehr als eine Heimtierpflegerin.» Viele verlassen deshalb den Beruf. Für Simon Gyger hingegen steht fest: Er will grundsätzlich in der Tierpflege weiterarbeiten, in welchem Rahmen, werde sich zeigen.

Imana Rüttimann ist mit Tieren aufgewachsen. Sie habe «querbeet geschnuppert »: als Floristin, im Fotofach – und sei schliesslich im Zoofachhandel gelandet. Doch die Lehrlingsbetreuung im Betrieb sei mangelhaft gewesen, erzählt die heute 24-Jährige. Nach einem Praktikum als Heimtierpflegerin machte sie die entsprechende Ausbildung und arbeitete ein halbes Jahr in einer Tierklinik.: «Dort fehlte mir jedoch der Bindungsaufbau mit den Tieren. Und das Draussensein!»

Dem Tierrettungsdienst und damit dem «Pfötli» geht die Arbeit nicht aus. Infolge der Digitalisierung, sagt Heimleiterin Hofer, kämen immer mehr Leute mit zwei, drei Mausklicks zu einem Hund aus dem Ausland, der auf das Leben hier nicht vorbereitet sei und weder Halsband noch Leine kenne. «Wenn ein solches Tier in Panik gerät und ausreisst, muss unsere Tierrettung es einfangen.» Falls der Hund nicht wieder zu den Besitzern zurückkehren kann, beginnt für das «Pfötli» ein längerer Prozess, um für ihn ein geeignetes neues Zuhause zu finden.

Wann war für Simon Gyger ein guter Tag? Wenn er, wie er sagt, am Vormittag «voll Programm» hatte, aber am Nachmittag noch genug Zeit für die einzelnen Tiere. «So, dass ich mir beim Heimgehen nicht den Kopf zerbrechen muss: Habe ich etwas vergessen?» 

Der Beruf Tierpfleger/in EFZ

Ausbildung: dreijährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ).

Fachrichtungen: Heimtiere, Versuchstiere, Wildtiere.

Ausbildungsbetriebe: Tierheime, Hundesalons, Zoos, Tierparks, Zuchtbetriebe oder Forschungseinrichtungen. Voraussetzungen: abgeschlossene Volksschule, Geschick und Feingefühl im Umgang mit Tieren und Menschen, gute Beobachtungsgabe, gute Gesundheit (keine Allergien), Sauberkeitssinn und Sinn für Hygiene.

Karrieremöglichkeiten: zum Beispiel Tierpflegemeister/in (Ausbildung in Deutschland), Fachhochschul-Studiengänge in verwandten Bereichen, etwa Bachelor of Science in Agronomie.

 www.tierpfleger.ch

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