«Wir sind gut aufgestellt und fühlen uns gewappnet»

Die angespannte Versorgungslage im vergangenen Winter hat die Städte und Gemeinden im Kanton veranlasst, sich verstärkt mit dem Thema Energie auseinanderzusetzen. Sie erarbeiteten Konzepte, entwickelten Ideen, ergriffen Massnahmen. Eine Auswahl dieser Aktivitäten stellen wir Ihnen hier vor. Die Gemeinde Gossau beispielsweise hat ein umfassendes Konzept für Energiemangellagen erstellt, investiert in die Notstromversorgung und stellt die öffentliche Beleuchtung sukzessive auf LED um.

Der Kriegsausbruch in der Ukraine und die damit verbundene Unterbrechung der Gaslieferungen sorgten im Winter vor einem Jahr auch bei uns für eine angespannte Energielage. Hinzu kamen die tiefen Wasserstände in den Stauseen, die eine bedeutende Rolle in der Energieerzeugung der Schweiz spielen.

Die Unsicherheiten rund um eine allfällige Energiemangellage veranlasste den Bund, aber auch die Kantone, Städte und Gemeinden, sich verstärkt mit der Versorgungssicherheit auseinanderzusetzen. Der Bund beschloss eine Reihe von Massnahmen wie das Einrichten einer Wasserkraftreserve, Reservekraftwerke oder eine Solaroffensive.

Notfalltreffpunkte in allen Gemeinden

Auch die Kantone wurde aktiv, ebenso die Kommunen. «Ich bin sicher, dass sich alle Gemeinden und Städte im Kanton Zürich in der einen oder anderen Form mit dem Thema Energiemangel auseinandergesetzt haben», sagt Jörg Kündig, Präsident des Verbandes der Gemeindepräsidien des Kantons Zürich.

So wurde zum Beispiel das Einrichten von Notfalltreffpunkten kantonsweit angegangen. Mit Erfolg: «Alle 160 Gemeinden haben aktuell mindestens einen Notfalltreffpunkt», vermeldet Jürg Wuffli, Dienstchef der Bevölkerungsschutzabteilung bei der Kantonspolizei. Insgesamt befinden sich nun im Kanton Zürich 310 solcher Treffpunkte, die im Notfall, also zum Beispiel bei einem länger andauernden Stromausfall, als Anlaufstelle für die Bevölkerung aktiviert werden können.

Zum Beispiel die Gemeinde Gossau

Aus dem Evaluieren ihrer Situation haben die Gemeinden und Städte sehr unterschiedliche Schlüsse gezogen und Massnahmen getroffen. Gossau ist ein Beispiel für eine Gemeinde, die auf einem umfassenden Weg zur Vorbereitung auf eine Energiemangellage, zur Stärkung der eigenen Versorgungssicherheit und der Energieeffizienz ist. Sie zählt rund 10'000 Einwohnerinnen und Einwohner und liegt idyllisch eingebettet in grüne Hügel, inmitten einer landwirtschaftlich geprägten Landschaft im Zürcher Oberland. Ihr Bewusstsein für Energiefragen hängt auch damit zusammen, dass ihr Gemeindepräsident Jörg Kündig im vergangenen Jahr als Mitglied diverser kantonaler Krisenstäbe an vorderster Front involviert war.

Portraitfoto von Jörg Kündig, Präsident des GPV ZH.
Jörg Kündig ist Gemeindepräsident der Zürcher Oberländer Gemeinde Gossau, die ein umfassendes Konzept für Energiemangellagen erstellt hat.

«Wir haben im letzten Winter gemerkt, dass wir auf die angespannte Energiesituation, insbesondere aber auch auf einen plötzlichen längeren Unterbruch nicht so vorbereitet waren, wie wir es hätten sein sollen. Danach war unser Anspruch, die mittel- und langfristige Energieversorgung unserer Gemeinde konzeptionell durchzudenken», erklärt Kündig. Das Ergebnis ist ein mehr als 20 Seiten starkes Dokument, das als Grundlage zum Umgang mit einer allfälligen Energiemangellage dient. Es basiert auf dem Leitfaden Energiemangellage für Gemeinden des Kantons Zürich. An dessen Ausarbeitung war mit Sylvia Veraguth, die beim Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft AWEL arbeitet, eine weitere Gossauer Gemeinderätin beteiligt.

In dem Leitfaden sind die Aufgaben der Gemeinden sowohl in ihrer Rolle als Energiebezüger als auch in der Rolle als Behörde in den vier vom Bund definierten Stufen einer Gas- respektive einer Strommangellage definiert. Daraus hat man für das Gossauer Konzept – ein Arbeitspapier, das laufend überarbeitet werden soll – unmittelbare, mittel- und langfriste Massnahmen abgeleitet und festgelegt. Diese reichen von der Vorbereitung der Kommunikation, über das Zusammenstellen von Führungsgremien, Konsequenzen bei der Energiebeschaffung und Energieersatzmöglichkeiten bis hin zu baulichen Massnahmen. «Die Differenz zwischen dem Ist-Zustand und dem Soll-Zustand zu eruieren, war in manchen Punkten herausfordernd», erinnert sich Jörg Kündig. Ebenso das Zusammenbringen der unterschiedlichen Wissensstände und Bedürfnisse innerhalb der Arbeitsgruppe, die am Konzept mitwirkte.

Massnahmen sind eingeleitet oder budgetiert

Die Umsetzung der selbstgesetzten Ziele wurde in Gossau zum Teil schon vollzogen, in die Wege geleitet oder ist in die Budgetphase eingeflossen. So wurden im laufenden Jahr alle Abwasserpumpwerke auf dem Gemeindegebiet so umgerüstet, dass sie nun über eine Notstromeinspeisung verfügen. Zudem wurden Stromgeneratoren bestellt, zum Beispiel um die Pumpen bei längeren Stromausfällen periodisch in Betrieb nehmen zu können. Mit Notstrom-Aggregaten und -anschlüssen ausgerüstet wurden oder werden bis Ende 2023 auch das Gemeindehaus, das Schulhaus Männetsriet und die Alterssiedlung.

«Noch offen ist die Treibstoffsituation für die Notstoffaggregate», erklärt Jörg Kündig. Diese benötigen zum Betrieb Diesel, der bei einer Energiemangellage ebenfalls schwer zu beschaffen sein könnte. Man sei deshalb in Verhandlung mit Autogaragen, Tankstellen und Lieferanten, um geeignete Lösungen zu finden.
Zwischen 2024 und Ende 2026 – früher ist es aus ressourcentechnischen und finanziellen Gründen nicht möglich – soll zudem in der ganzen politischen Gemeinde, zu der die Ortschaften und Wachten Bertschikon, Grüt, Ottikon, Herschmettlen und Gossau-Dorf gehören, die Strassenbeleuchtung auf LED umgestellt werden. Bei einigen Strassenzügen, wie zum Beispiel der Tannenbergstrasse, wurden bereits in den vergangenen Jahren die Laternen auf LED umgerüstet, auch bei Strassensanierungen wurde jeweils die öffentliche Beleuchtung erneuert.

Die Gossauer Energiesensibilität zeigt sich auch darin, dass die Gemeinde den allgemeinen Verbrauch dauerhaft reduzieren will. So wird in gemeindeeigenen Liegenschaften nur noch so viel geheizt wie nötig, die Beleuchtungszeiten der öffentlichen Gebäude wurden optimiert und Photovoltaik-Anlagen bei verschiedenen Liegenschaften installiert. «Eine Weihnachtsbeleuchtung wird es bei uns trotzdem geben», sagt Jörg Kündig. Denn «alarmistische» Massnahmen, die zahlreiche Menschen verärgern würden, seien im Moment nicht angebracht, sondern vielmehr das permanente Arbeiten an grundlegenden Verbesserungen der Versorgungssicherheit und Energieeffizienz.

Und diese seien nur möglich, wenn alle Beteiligten zusammenkommen und die verschiedenen Szenarien im Detail durchdenken und die nötigen Schlüsse daraus ziehen. «Der Nutzen für ein Energie-Konzept ist also äussert vielfältig», resümiert Jörg Kündig. In Gossau sei man dadurch gut aufgestellt und fühle sich nun gewappnet, sollte sich die Energielage wieder verschärfen. Aber auch die Gefahr eines Blackouts, eines plötzlichen Stromausfalls oder einer Strommangellage muss im Bewusstsein bleiben, wie der Kantonsrat und Gemeindepräsident festhält: «Was wir im vergangenen Jahr erlebt haben, kann jederzeit wieder passieren.» Er empfiehlt daher den Verantwortlichen in allen Gemeinden, die aktuell etwas entspanntere Situation zu nutzen und in die Vorbereitung für den Ernstfall zu investieren.
 

Konzept Energiemangellage für Gemeinden

Diese Punkte sollten enthalten sein:

Vorteile:

  •  Organisation Arbeitsgruppe bei einer Energiemangellage
  •  Szenario Gasmangellage
    - Definition Rolle der Gemeinde als Energiebezügerin und als Behörde
    - Definition Vorbereitungsmassnahmen
    - Definition Aufgaben im Ernstfall für die vom Bund definierten Stufen 1 bis 4 in einer Gasmangellage
  •  Szenario Strommangellage
    - Definition Rolle der Gemeinde als Energiebezügerin und als Behörde
    - Definition Vorbereitungsmassnahmen
    - Definition Aufgaben im Ernstfall für die vom Bund definierten Stufen 1 bis 4 in einer Strommangellage
  • Kommunikation
    - Information der Bevölkerung in der Vorbereitungsphase und im Ernstfall

Als Grundlage dient der Leitfaden Energiemangellage für Gemeinden des Kantons Zürich.

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