Berufslehre heute: Gestalterin Werbetechnik

In ihrem Beruf muss Svenja Wüst beschriftete Folien millimetergenau aufziehen, aber auch mit Säge und Bohrmaschine umgehen können. Kreativität sei gefragt, sagt ihr Ausbildner Renato Loppacher, doch das Künstlerische stehe nicht im Vordergrund.

Text: Andrea Söldi Foto: Sabina Bobst

Eine junge Frau und ein Mann halten eine Posterrolle, im Vordergrund ist eine Arbeitstisch zu sehen.
Beim Beruf Gestalter/ Gestalterin Werbetechnik ist handwerkliches Geschick und ein Auge fürs Detail gefragt.

Wenn Svenja Wüst in der Stadt unterwegs ist, begegnet sie immer mal wieder Schildern, an denen sie selbst mitgearbeitet hat. So zum Beispiel bei einem Optikergeschäft oder einer Baufirma. «Es ist cool, zu sehen, was man gemacht hat», sagt die 18-Jährige, die sich im ersten Lehrjahr der vierjährigen Ausbildung zur Gestalterin Werbetechnik befindet. Der Beruf umfasst hauptsächlich das Herstellen und Anbringen von beschrifteten Tafeln und Folien für die Innen- und Aussenwerbung bei Firmen und anderen Organisationen. In ihrem Lehrbetrieb, der Firma Refa Werbetechnik in Zürich Affoltern, konnte Svenja Wüst von Beginn an mitanpacken. Sie durfte bereits am ersten Tag mit den anderen Mitarbeitenden auf Montage gehen und helfen, die beschrifteten Schilder bei den Auftraggebern zu befestigen.

In der Werkstatt ist sie zudem mit dem «Entgittern» beschäftigt – dem sauberen Ablösen von Folienresten an den Rändern der Buchstaben und Logos. Oder sie zieht beschriftete Folien auf Untergründe wie Aluminium oder Acrylglas auf. Dabei müsse man sehr genau arbeiten, betont sie. «Es kommt auf den Millimeter an und darf auf keinen Fall schief werden.» Mit der Zeit entwickle man ein Auge für das Detail.

Mehr Handwerk als Kunst

Die Zürcherin hat nach der Sekundarschule A das 10. Schuljahr mit Fokus auf Gestaltung besucht. Weil der Berufswahl-Prozess in die Corona-Zeit fiel, war Schnuppern schwierig und sie war froh, ein Jahr länger Zeit zu haben. Insgesamt hatte sie um die 30 Bewerbungen für eine Lehrstelle geschrieben, etwa zehn davon für den Beruf Gestalterin Werbetechnik. Es handelt sich um begehrte Stellen: Die Firma Refa Werbetechnik mit fünf festen Mitarbeitenden vergibt alle zwei Jahre eine Lehrstelle und kann jeweils aus bis zu 150 Bewerbungen auswählen. Vor der Einladung zum Schnuppern schickt sie den Interessierten, die infrage kommen, deshalb zuerst Hausaufgaben zu. Sie müssen zum Beispiel geometrische Formen samt Schatten zeichnen oder ein bekanntes Logo vervollständigen, aber auch Mathe- und Sprachaufgaben lösen.

Gute Deutschkenntnisse und eine gewisse Wortgewandtheit seien nämlich eine wichtige Voraussetzung für den Beruf, erklärt Ausbildner Renato Loppacher. So könne man der Kundschaft gelegentlich etwas auf die Sprünge helfen beim Kreieren von Slogans und Claims. Und auch orthografisch und grammatikalisch müsse man sattelfest sein: «Es gibt kaum etwas Ärgerlicheres als einen Schreibfehler auf einer fertigen Tafel.» Weiter brauche es manuelles Geschick, um die Schilder selbst zurechtzusägen und Löcher für die Befestigung zu bohren. Auch ein gewisser Sinn für Ästhetik sowie die Wirkung von Schriften und Farben sei wünschenswert, führt der Geschäftsleiter aus. Viel Spielraum für Kreativität gebe es aber meistens nicht, räumt er ein: «Es handelt sich mehr um einen handwerklichen Beruf. Wer sich künstlerisch verwirklichen will, ist bei uns am falschen Ort.»

Häufig arbeitet die Firma mit Werbeagenturen zusammen, die bereits ein umfassendes grafisches Konzept für den Kunden ausgearbeitet haben und fertige Dateien liefern. Die Aufträge müssen möglichst getreu den Vorgaben ausgeführt werden. Spannender seien Beratungen von kleineren Betrieben, die noch keine fixen Vorstellungen haben, erzählt Loppacher. «Dann kommt der kreative Aspekt mehr zum Tragen.»

Computer statt Pinsel

Der 44-jährige Renato Loppacher hat seine eigene Ausbildung Ende der 1990er-Jahre abgeschlossen. Damals hiess der Beruf noch Schrift- und Reklamemaler, später Schrift- und Reklamegestalter. «Wir haben mehr manuell gearbeitet. Computer war damals nur ein Freifach», erinnert er sich. Während Pinsel und Farbe heute kaum mehr eine Rolle spielen in der Branche, malte er früher noch einiges selbst oder brachte Logos mittels Schablonen auf Wänden an. Heute wird das meiste am Computer gestaltet und danach ausgedruckt.

Renato Loppacher konnte das Geschäft 2014 übernehmen und leitet es heute gemeinsam mit seiner Frau Myriam Loppacher, die als Kauffrau für die Administration zuständig ist.

In den ersten beiden Jahren ihrer Ausbildung besucht Svenja Wüst zwei Tage pro Woche die Berufsschule in Zürich. Im dritten und vierten Jahr wird es noch ein Tag sein. Wie es für diesen Beruf typisch ist, seien die Frauen in ihrer Klasse etwas besser vertreten, erzählt sie. In der Schule befassen sich die Lernenden unter anderem mit Themen wie Farbenlehre, Typografie, Schriftgestaltung, verschiedenen Werkstoffen und Computerprogrammen wie Indesign. Svenja Wüst schätzt an ihrem Beruf vor allem, dass er viel Abwechslung bietet. «Man ist viel in Bewegung, sowohl drinnen als auch draussen.» Tagelang am Computer zu sitzen, hätte sie sich nicht vorstellen können. In ihrer Freizeit ist es der jungen Frau ebenfalls wichtig, dass immer etwas Spannendes läuft: Sie spielt Querflöte in der Jugendmusik, leitet eine Pfadigruppe und spielt Badminton.

Der Beruf Gestalter/in Werbetechnik EFZ

Ausbildung: vierjährige berufliche Grundbildung mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ), Besuch eines Vorkurses an einer gestalterischen Schule wird empfohlen.

Voraussetzungen: abgeschlossene Volksschule, handwerkliches Geschick, gestalterisches Flair, gute Rechtschreibkenntnisse, Schönheitssinn und Kreativität, exakte Arbeitsweise, körperliche Beweglichkeit.

Karrieremöglichkeiten: zum Beispiel Gestalter/in im Handwerk mit eidgenössischem Fachausweis, Werbetechniker/in mit eidgenössischem Diplom, Gestalter/in HF Kommunikationsdesign, Bachelor of Arts
(FH) in Visueller Kommunikation.

www.vwp.swiss

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