«Wir müssen aufmerksam bleiben und weiter freiwillig Energie sparen»

Kommt es nun zu einer Energiemangellage oder nicht? Und was hat der Kanton Zürich in den letzten Monaten in Sachen Prävention unternommen? Christoph Zemp, Amtschef des AWEL und Leiter des Führungsausschusses Energiemangellage, gibt Auskunft.

Christoph Zemp, der Amtschef des AWEL, sitzt im Anzug in seinem Büro am Schreibtisch  auf dem verschiedene Unterlagen liegen.
Christoph Zemp, der Amtschef des AWEL, hält eine Energiemangellage in diesem Winter für eher unwahrscheinlich, kann sie aber nicht ausschliessen.

Zu einer möglichen Energiemangellage hört man Unterschiedliches. Wie lautet Ihre Einschätzung: Werden Strom und Gas knapp in diesem Winter?

Es spielen viele Faktoren zusammen, die für eine Prognose berücksichtigt werden müssen. Auf der positiven Seite verbuchen können wir die inländische Stromproduktion, die zuverlässig läuft, sowie die gut gefüllten Schweizer Stauseen. Ebenso zuversichtlich stimmen die sehr gut gefüllten Gasspeicher in Deutschland und anderen Nachbarländern, auf die wir angewiesen sind, sowie der mittelfristige Wetterausblick, der auf mittlere bis milde Temperaturen hoffen lässt. Kritisch ist hingegen weiterhin die Stromproduktion in Frankreich. Es gibt nach wie vor viele Anlagenstillstände im Kernkraftwerkpark, was für die Schweiz heikel ist, da wir im Winter auf Stromimporte angewiesen sind.

Kurz gesagt, eine Energiemangellage in diesem Winter erscheint mir derzeit weniger wahrscheinlich als auch schon, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Wir müssen aufmerksam bleiben und dranbleiben bei den freiwilligen Sparmassnahmen.

Abgesehen von einer Mangellage, also einer länger andauernden Knappheit, könnte es auch zu einem Blackout kommen. Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit dafür?

Die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts ist klein. Ausschliessen können wir aber auch dies nicht. Denn einerseits gibt es, wie eben erwähnt, Lücken bei der ausländischen Stromproduktion. Andererseits ist das Risiko für einen grossflächigen Blackout – das heisst über den Kanton Zürich hinaus – in den letzten Jahren eher gestiegen. Die Übertragungsnetzbetreiber müssen im Vergleich zu früher häufiger eingreifen, um die Netzstabilität sicherzustellen. Und letztlich kann auch ein Naturereignis wie der Wintersturm «Lothar» im Jahre 1999 zu einem ernsthaften und längeren Stromunterbruch führen.

Grundsätzlich ist das elektrische Energieversorgungssystem jedoch mehrfach redundant ausgelegt und verfügt über zahlreiche Sicherungsmechanismen, die selbst bei grösseren Störungsereignissen einen völligen Zusammenbruch des Übertragungsnetzes verhindern sollten.

Was bedeutet dies für Bevölkerung und Wirtschaft?

Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines durch eine technische Störung im In- und oder Ausland verursachten Blackouts klein ist: Tritt er ein, sind wir alle massiv betroffen davon. Eine gute Vorbereitung macht deshalb Sinn, um die Auswirkungen abzufedern. Ob Kanton, Gemeinden oder Unternehmen, wir alle sollten uns mit der Frage des Betriebskontinuitätsmanagements auseinandersetzen und uns damit auf eine länger andauernde stromlose Situation vorbereiten. Dies gehört zu den Hausaufgaben jeder Organisation. Wer dies noch nicht gemacht hat, verfügt jetzt über einen guten Grund, Versäumtes nachzuholen.

Was hat der Kanton Zürich in den letzten Monaten unternommen, um sich auf eine Energiemangellage vorzubereiten?

Wir haben die vielen verschiedenen Akteure sensibilisiert und vernetzt, die eigenen kantonalen Geschäftsprozesse im Hinblick auf die Stromversorgung analysiert und Abhängigkeiten sowie Verantwortlichkeiten geklärt. Wo haben wir beispielsweise kritische Infrastrukturen wie Server, medizinische Einrichtungen, Verkehrswege oder auch Gefängnisse, die zwingend auf Strom angewiesen sind? Die Vielfalt der kantonalen Einrichtungen ist enorm und jede einzelne musste geprüft werden.

In einem zweiten Schritt haben wir die Eventualplanung für Einschränkungen, Stromausfälle und Kontingentierungen von Strom und Gas vorangetrieben. Dies in enger Zusammenarbeit mit Gemeinden, Branchenvertretern und der Wirtschaft. Einige neuralgische Einrichtungen wollen wir mit einer Notstromgruppe ausrüsten oder haben dies bereits getan. Das AWEL ist in seiner Funktion als Verbindungsstelle mit den technischen Betrieben der Ver- und Entsorgung in ständigem Kontakt und unterstützt die Betreiber der entsprechenden Infrastrukturen bei deren Vorbereitungen auf eine eventuelle Energiemangellage.

Wie eng arbeiten Sie dabei mit den Zürcher Energieversorgungsunternehmen zusammen?

Der Kontakt zu den Stromversorgungsunternehmen sowie der Gasbranche im Kanton ist sehr eng, diverse Vertreter gehören direkt zum Führungsausschuss Energiemangellage. Wir tauschen Informationen und Daten aus und diskutieren die Eventualplanung gemeinsam.
 

Christoph Zemp, der Amtschef des AWEL, steht vor seinem Büroausgang und drückt  mit dem Finger auf den Lichtschalter zum Lichterlöschen.
Jede Kilowattstunde zählt: AWEL-Chef Christoph Zemp geht mit gutem Bespiel voran und löscht das Licht in seinem Büro.

Wie lauten die zentralen Kommentare des Kantons zu den Verordnungen des Bundes im Bereich Strommangellage?

Der Regierungsrat schliesst sich grundsätzlich der Stellungnahme der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren an und hat einige ergänzende Kommentare hinzugefügt. Zentral ist, dass Netzabschaltungen mit allen Mitteln vermieden werden. Die Stossrichtung des bundesrätlichen Massnahmenpakets geht dabei in die richtige Richtung. Es muss jedoch klarer aufgezeigt werden, aufgrund welcher Kriterien die Massnahmen ausgelöst werden, denn nur so ist eine gewisse Planungsssicherheit möglich. Dass auch private Haushalte in die Sparbemühungen einbezogen werden, ist richtig, doch sollte sich der Bund auf wenige nachvollziehbare und einfach kommunizierbare Vorschriften beschränken. Die restlichen Ideen können als dringende Empfehlungen formuliert werden.

Seitens Versorger und Netzbetreiber müssen die technischen Möglichkeiten unbedingt optimiert werden, um auch kleinere, aber systemrelevante Strombezüger von einer Netzabschaltung ausnehmen zu können. Ebenso regt der Regierungsrat an, den Kontingentshandel für Unternehmen bereits diesen Winter zu ermöglichen, da dies ein effizientes und wirtschaftsverträgliches Instrument zum Energiesparen ist.

Welche Anstrengungen hat der Kanton unternommen, um selbst Energie zu sparen?

Wir haben ein ganzes Bündel von freiwilligen Energiespar-Massnahmen umgesetzt, zum Beispiel im Bereich der Innen- und Aussenbeleuchtung, Lüftung oder Heizung. Die Ergebnisse sind sehr erfreulich, konnten wir doch ab Oktober unseren Stromverbrauch um ganze 20 Prozent reduzieren. Ergänzend haben wir uns dem Stromverbrauch ohne Nutzen gewidmet – also unnötige Stand-by-Verbräuche – und sind gerade jetzt daran, die kantonale Verwaltung mit Steckerleisten und Stromspargeräten auszurüsten.

Weiter nutzen wir den Zürichsee als Energiespeicher für den Winter mittels vorausschauender Regulierung. Damit können wir im Winter zusätzlich Strom für rund 4000 Haushalte produzieren.
 

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