PolitTalk Digitales Zürich #3 – Future Skills: Wissen und Lernen im digitalen Zeitalter
Mitteilung 04.07.2017
In einem vollbesetzten Seminarraum der Pädagogischen Hochschule Zürich PHZH lieferten vier hochkarätige Redner Inputs zu den Anforderungen an die Bildung, aber auch Weiterbildung im digitalen Zeitalter.
Der PolitTalk hat seine Wurzeln im eZürich Kooperationsnetzwerk, dem verschiedene Fachpersonen der Informatikbranche aus dem Raum Zürich angehören, die gemeinsam den ICT-Standort Zürich stärken wollen. «Doch es geht uns nicht alleine um den Arbeitsplatz, sondern um die Auswirkungen der Digitalisierung schlechthin», leitete der Projektverantwortliche Tom Kleiber in seinen Begrüssungsworten ein und: «Da es nicht die eine Wahrheit gibt, sind differenzierte Diskussionen gefordert.»
Durch den dritten PolitTalk führte Kantonsrätin Prisca Koller und gab als erstes Prof. Stefan Wolter, Leiter der Forschungsstelle für Bildungsökonomie der Universität Bern, das Wort. In seinem Kurzreferat «Bildung für eine schöne, neue, unbekannte Welt» wies er darauf hin, dass Veränderungen auf uns zukommen werden, aber wir diesen keineswegs ohnmächtig gegenüberstehen, wie es die Medien oft suggerieren. Es geht vielmehr darum, dem Menschen in der Zukunft einen Platz zu sichern. In diesem Zusammenhang erinnerte Wolter daran, dass der Fortschritt der Technologie schon immer Arbeitsplätze vernichtet hat, aber auch – und das ist wichtig – neue Berufe in der Folge geschaffen werden.
Die Erfahrung hat ebenfalls gezeigt, dass neue Jobs primär dort entstehen, wo entsprechende Fähig-keiten vorhanden sind. Deshalb gilt es, das digitale Potenzial zu entwickeln und in der Bildung die MINT-Fächer (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) zu stärken. Es sollen Kompetenzen vermittelt werden, die Roboter nicht können. Entscheidend dabei ist, dass nicht einzelne Fähigkeiten betrachtet werden, sondern Skills-Bündel. «Wenn es um Einzel-Skills geht, verliert der Mensch immer», betonte Stefan Wolter. «Der Mensch muss komplementär zur Maschine sein.»
Eine gute Vernetzung
In dieser Hinsicht waren sich Stefan Wolter und Matthias Mölleney, Leiter Center for HRM & Leadership an der Hochschule für Wirtschaft Zürich HWZ, einig. Zu diesem digitalen Pas-de-deux gehört auch die Weiterbildung der Mitarbeitenden, denn die Digitalisierung schreitet ungebremst voran und der Anschluss ist schnell verloren. Während sich beispielsweise das Auto von der motorisierten Kutsche zum Elektroflitzer gewandelt hat, hat sich in den letzten hundert Jahren wenig im Schulzimmer verändert, fand Matthias Mölleney weiter. Als massgebenden Faktor, um für die ungewisse Zukunft gerüstet zu sein, empfahl der frühere HR-Chef von Swissair, nebst einer soliden Ausbildung, eine gute Vernetzung aufzubauen. Firmen sollen bestehende, insbesondere starre hierarchische Modelle überdenken und an ihrer Stelle auf flexiblere Strukturen hinarbeiten, mit denen agiler auf die fortschreitende Digitalisierung reagiert werden kann.
Einblick in die schulische Praxis und deren Alltag gewährte Prof. Dieter Rüttimann, Schulleiter und Lehrer an der Gesamtschule Unterstrass. Er plädierte weniger für eine sinnvolle Integration von digitalen Medien in den schulischen Alltag, sondern zeigte auf, wie lebensnah und ganz praktisch mathematisches, technisches und analytisches Wissen vermittelt werden kann. Darüber hinaus unterstrich er die Vorteile des sozialen Lernens. Ganz entscheidend im Kontext der Digitalisierung sind gemäss Rüttimann eine Fehlerkultur und die damit einhergehende Fähigkeit des selbstständigen Denkens: «Selbst James Dyson ist bei der Erfindung seines ersten beutellosen Staubsaugers über 5000 Mal gescheitert», gab Dieter Rüttimann zu bedenken.
Vielfältige ICT
Unter dem Zauberwort «Vielfalt» wies Jean-Marc Hensch, Geschäftsführer Swico, auf die Aussenwahrnehmung von ICT als «einheitlicher Monolith» hin. Die Diversität der Berufsfelder und Tätigkeiten ist weit herum nicht bekannt. Ähnlich wie Tom Kleiber eingangs festhielt, dass es nicht eine Wahrheit der Digitalisierung gibt, argumentierte Jean-Marc Hensch, dass es die ICT nicht gibt, und das treffe besonders für den Ausbildungsbereich zu. Er machte weiter darauf aufmerksam, dass Mikrobetriebe (1–10 Mitarbeitende), die über 30 Prozent der hiesigen Unternehmen stellen, in die Diskussion über den digitalen Wandel einzubeziehen seien. Sind doch deren Bedürfnisse anders gelagert als die der grossen Konzerne, die aktuell die Entwicklung stark beeinflussen. Und eine weitere interessante Tatsache führte Jean-Marc Hensch ins Feld: Lediglich 40 Prozent der Informatiker verfügen über eine «formelle» Ausbildung.
Angeregte Publikumsdiskussion
Im Anschluss an die vier Input-Referate bat Kantonsrätin Prisca Koller alle Redner auf die Bühne und öffnete die Diskussion für das Publikum. Gefragt wurde unter anderem, ob denn handwerkliche Skills überhaupt noch eine Bedeutung haben werden. Stefan Wolter wies darauf hin, dass selbst im Zeitalter der Industrie 4.0 die Roboter von Menschen überwacht werden, die zuvor deren Arbeit ausgeführt und das relevante Produkt selber hergestellt haben. Matthias Mölleney zeigte am Beispiel der Armbanduhr im Handy-Zeitalter, dass der Nachfrage in diesem Zusammenhang eine massgebende Bedeutung zukommt.
Am meisten zu reden gab das Thema «Lehrplan 21» und die provokative Frage: «Was passt denn nicht mehr in den Lehrplan?» Für eine Fokussierung auf die Kernaufgaben der Bildung, votierte Dieter Rüttimann, fand aber, dass strukturelle Veränderungen wenig bringen würden. Vielmehr sollten die Prozesse angepasst werden. Konkrete Lösungsvorschläge, die sich in absehbarer Zukunft umsetzen liessen, wurden für die unbekannte Zukunft nicht gefunden. Dafür Anregungen und Hirnfutter für die Diskussion, die uns noch einige Zeit beschäftigen wird. Den Abschluss des dritten PolitTalks bildete ein Apéro, in dessen Rahmen weiter diskutiert, aber auch das Netzwerk gepflegt wurde.
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