Zürcher Politik aus 200 Jahren online verfügbar

Regierungsratsbeschlüsse, Kantonsratsprotokolle, die Gesetzessammlung und das Amtsblatt des Kantons Zürich können neu intuitiv durchsucht werden. Damit lassen sich die politischen Prozesse der letzten 200 Jahre im Detail über verschiedene Zugänge verfolgen.

Es ist eine gewaltige Textsammlung, die das Staatsarchiv des Kantons Zürich der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt: Rund 500’000 Beschlüsse des Regierungsrats, 45’000 Traktanden aus Kantonsratssitzungen, 10’000 Erlasse aus der Gesetzessammlung und eine laufend wachsende Zahl von Mitteilungen aus dem Amtsblatt sind neu auf dem Online-Portal «Zentrale Serien des Kantons Zürich (19. und 20. Jahrhundert) ZSZH» verfügbar. Sie ermöglichen es, sämtliche politischen Geschäfte und gesetzgeberischen Prozesse auf kantonaler Ebene zurück bis zur Gründung des modernen Staatswesens im Jahr 1803 zu verfolgen. Das Angebot des Staatsarchivs verlängert die bestehenden Kanäle, auf denen die zuständigen Behörden ihre Mitteilungen seit den frühen 2000er Jahren online publizieren, somit um über 200 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Die Gesetzessammlung, Regierungsratsbeschlüsse und Kantonsratsprotokolle hat das Staatsarchiv als zentrale Serien bereits vor mehreren Jahren im Volltext aufbereitet und online zur Verfügung gestellt. Neu ist insbesondere, dass diese Texte gemeinsam über verschiedene Zugänge durchsucht werden können und dass sie in einem maschinenlesbaren Format zur Verfügung stehen. Somit lässt sich das gesamte Korpus auch als Open Government Data (OGD) für maschinenbasierte Auswertungen nutzen. In dieser Form können beispielsweise Personen, Orte und Organisationen mithilfe von maschinellem Lernen, also KI-gestützt, automatisch erkannt werden. Das Staatsarchiv plant, diesen zusätzlichen Zugang in einem weiteren Entwicklungsschritt zu realisieren.

Von den Suchmöglichkeiten ausgenommen bleiben jene Geschäfte (insbesondere Regierungsratsbeschlüsse), die wegen der Nennung schützenswerter Personendaten noch einer gesetzlichen Schutzfrist unterliegen. Sie werden sukzessive veröffentlicht, sobald die Schutzfrist abgelaufen ist.

Wege durch die politischen Instanzen verfolgen

Neu hinzu kommt nun auch das kantonale Amtsblatt als vierte zentrale Serie. In einem laufenden Projekt bereiten Mitarbeitende des Staatsarchivs die gedruckten Bände für die Online-Publikation vor. Aktuell können auf dem Portal ZSZH die Meldungen aus den Jahren 1980 bis 2001 zusammen mit den Texten der drei anderen zentralen Serien eingesehen werden. Mit weiteren Tranchen aus früheren Jahrzehnten wird in den kommenden Monaten auch das Amtsblatt sukzessive rückwärts verlängert bis zu seiner ersten Ausgabe im Jahr 1834.

Aufbereitet werden lediglich die Meldungen aus der Rubrik «Rechtsetzung und politische Rechte», die man bis 2001 im so genannten Textteil des Amtsblatts publiziert hat. Die früher im so genannten Inseratenteil veröffentlichten Meldungen zu Konkursen, Betreibungs- und Nachlassverfahren werden aus zwei Gründen nicht online zugänglich gemacht: Einerseits ist der Zugriff auf solche Informationen gesetzlich eingeschränkt, anderseits bilden diese Meldungen keine politischen Prozesse ab.

Anhand der vielfältigen Bezüge zwischen den vier zentralen Serien lässt sich nun also im Detail nachverfolgen, wie politische Geschäfte zwischen Regierungsrat und Kantonsrat hin- und hergingen, der Öffentlichkeit im Amtsblatt zur Kenntnis gebracht, gegebenenfalls einer Volksabstimmung vorgelegt und schliesslich als Erlasse Aufnahme in die Offizielle Gesetzessammlung fanden. So lässt sich nun beispielsweise verfolgen, wie um 1980 über die «Wünschbarkeit» weiterer Atomkraftwerke in der Schweiz und im Kanton Zürich debattiert wurde. In einer konsultativen Volksabstimmung sagte die Zürcher Stimmbevölkerung am 28. September 1980 knapp Ja zur Frage, ob sie die Errichtung eines neuen Atomkraftwerks in Kaiseraugst AG begrüsse. Die Pläne für den Bau dieses Reaktors wurden 1988 allerdings fallengelassen.

Einsatz künstlicher Intelligenz

Parallel zum genannten Portal hat das Statistische Amt zusammen mit dem Staatsarchiv eine App entwickelt, mit der die vier zentralen Serien in einer hybriden Suche, das heisst in einer kombinierten lexikalischen und semantischen Suche, durchsucht werden können. Während eine lexikalische Suche präzise nach einem Begriff sucht, kann eine semantische Suche auch inhaltlich ähnliche Wörter finden, die nicht mit dem Suchbegriff übereinstimmen. Die semantische Suche nach dem Wort «Essen» kann beispielsweise Texte finden, die die Begriffe «Lebensmittel», «Nahrungsmittel», «Milch», «Bäckerin» oder «Brot» enthalten, ohne dass das Wort «Essen» darin vorkommt.

Semantische Suche arbeitet mit statistischen Methoden und maschinellem Lernen. Die App nutzt ein KI-Sprachmodell, das mit grossen Textmengen trainiert wurde. Das Modell hat gelernt, wie Wörter und Sätze einander semantisch ähneln und kann diese Ähnlichkeiten für die Suche in Texten nutzen. Dieses Vorgehen hat viele Vorteile und erlaubt es, zusätzliche relevante Treffer zur lexikalischen Suche zu finden. Semantische Suche ist zugleich nicht immer exakt. Suchergebnisse sind nicht unbedingt vollständig, sondern können auch lückenhaft sein oder falsche Treffer enthalten. Staatsarchiv und Statistisches Amt wollen dafür sorgen, dass dieses Verfahren laufend optimiert und an neue Nutzungsbedürfnisse angepasst wird.

Beide Fachämter der Direktion der Justiz und des Innern haben in den letzten Jahren viel Erfahrung mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz gesammelt und ausgetauscht. Das Statistische Amt arbeitet kontinuierlich an KI-Pilotprojekten, zum Beispiel im Bereich der Audiotranskription, der Sprachvereinfachung und an KI-Assistenzsystemen. Das Staatsarchiv arbeitet seit mehreren Jahren mit maschinellem Lernen, um die oftmals schwer lesbaren Handschriften aus früheren Jahrhunderten im Volltext aufzubereiten und durchsuchbar zu machen.
 

Staatsarchiv und Statistisches Amt

Das Staatsarchiv ist mit seinen Archivbeständen aus 1150 Jahren das zentrale Archiv des Kantons Zürich und seiner Rechtsvorgänger. Es überliefert deren Originalunterlagen und macht sie der Öffentlichkeit zugänglich. Damit wird staatliches Handeln nachvollziehbar und die Rechtssicherheit gewährleistet.
 

Das Statistische Amt versorgt Bevölkerung, Unternehmen, Politik und Medien mit unabhängigen Daten und Analysen zum Kanton Zürich. Darüber hinaus betreibt es bei Urnengängen das kantonale Wahl- und Abstimmungszentrum.

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