Archäologische Untersuchungen in Kilchberg:Einblick in 150 Jahre Keramikproduktion
Medienmitteilung 03.06.2003
Seit vier Monaten führt die Abteilung Archäologie des Hochbauamtes der Baudirektion im Vorfeld eines Bauvorhabens an der Seestrasse 227 in Kilchberg-Schooren eine Rettungsgrabung durch. Das Grabungsgelände befindet sich an der Stelle der ersten Porzellanmanufaktur der Schweiz aus dem 18. Jahrhundert. Die archäologischen Ergebnisse sind von grosser Bedeutung, da die aktuelle Ausgrabung im Schooren Einblick gibt in eine jahrzehntelange Keramikproduktion. Erstmals kann durch das reichhaltige Fundmaterial das bekannte Formenspektrum der Porzellan-, Fayence- und Steingutproduktion erweitert werden. Halbfabrikate und Fehlbrände liefern zudem interessante Hinweise auf die Produktionsabläufe der Manufaktur.
Seit 1919 wurden die Gebäude der ehemaligen Porzellanmanufaktur als Landsitz genutzt. Im Herbst 2002 wurde die Fabrik gesprengt. Beim Entfernen der Betonböden kamen während den laufenden archäologischen Untersuchungen Tonplattenböden der Ofenvorplätze und die Gebäudefundamente der Manufaktur zum Vorschein. Die seewärts angelegten Sondierschnitte zeigten bis zu 2,5 Meter hohe Auffüllschichten aus Bauschutt und Produktionsabfällen der Keramikfabrik, die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Erweiterung der Uferzone abgelagert wurden.
Die bauliche Entwicklung der Manufaktur konnte archäologisch gefasst werden. Vom ursprünglichen Wohnhaus, einem Fachwerkgebäude aus dem Jahr 1739, ist nur die unterste Steinlage des Fundaments erhalten geblieben. Die Manufaktur wurde 1763 durch ein Konsortium von fünf Stadtzürcher Fabrikanten gegründet. Südlich des Wohnhauses wurde das Brennhaus errichtet. Die Grundmauern sind bis heute erhalten geblieben. Etwa in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden Wohn- und Brennhaus durch ein neu erstelltes Arbeitshaus verbunden. Dieser Zustand der Porzellanmanufaktur ist auf einer zeitgenössischen Zeichnung (nach 1771) dargestellt. Im Brennhaus konnten insgesamt vier Öfen nachgewiesen werden, die mit Produktionsabfällen aufgefüllt wurden. Auf die Porzellanherstellung folgte die Produktion von günstigeren Fayencen für eine ländliche Kundschaft. Das Fundmaterial widerspiegelt die Produktionspalette der Geschirrfabrik von der Gründungszeit der Porzellan- und Fayencemanufaktur über die Herstellung von Biedermeier-Fayencen und von Steingut bis schliesslich zur Endphase um 1900.
Der grösste Anteil an Fundmaterial entfällt auf technische Hilfsmittel, Halbfabrikate und Fehlbrände. Das Geschirrspektrum ist überaus variantenreich: Porzellangeschirr mit chinesischen Blumenmustern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Fayence- und Steingutgefässe der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zu den Blumentöpfen der letzten Produktionsphase um 1900.
Mit dieser Ausgrabung ist es erstmals möglich, eine Jahrzehnte dauernde Keramikentwicklung aus dem 18. und dem 19. Jahrhundert in der Schweiz archäologisch nachzuweisen. Die Ofenkonstruktionen und die Produktionsabfälle geben einen Einblick in die verschiedenen handwerklichen Arbeitsabläufe.
Zürcher Porzellan zwischen Glanz und Pleite
In der Zürcher Porzellanmanufaktur waren bedeutende Maler, Modelleure und Bossierer (Porzellangestalter) aus ganz Europa tätig. Das Rohmaterial Kaolin musste aus Limoges importiert werden und die Herstellung von Gefässen und Figuren aus Porzellan benötigte mehrere Arbeitsschritte. Bereits kurz nach der Gründung geriet das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten. Immer wieder musste zusätzliches Kapital für die aufwendige Herstellung des Porzellans eingebracht werden. Diese Probleme sowie der Tod von Teilhabern der Fabrik und einiger namhafter Künstler, die Mustervorlagen für das Dekor entwarfen, führten 1791 zusammen mit fehlenden Anpassungen an den sich wandelnden Kunstgeschmack des Zürcher Bürgertums schliesslich zur Liquidation. Dabei verloren verschiedene bedeutende Stadtzürcher Familien viel Kapital. Die einst teuren Porzellanstücke wurden auf Lotterien und Versteigerungen zu Tiefstpreisen verschleudert. Heute finden wir Schooren-Porzellan in den wichtigsten europäischen Museen und in Privatsammlungen.
Tag des offenen Bodens in Kilchberg
Am Samstag, 7. Juni 2003, von 10.00 Uhr bis 15.00 Uhr, lädt die Abteilung Archäologie des Hochbauamtes der Baudirektion die Bevölkerung zu einem Tag des offenen Bodens ein.
Die Führungen durch die archäologische Ausgrabung in Kilchberg-Schooren an der Seestrasse 227 bei der ehemaligen Porzellanmanufaktur finden stündlich von 10.30 Uhr bis 14.30 Uhr statt.
Der Ausgrabungsort ist mit dem öffentlichen Verkehrsmittel erreichbar. Ab Zürich-Bürkliplatz, Bus Nr. 165 Richtung Rüschlikon bis Haltestelle Schooren (bei der Chocoladenfabrik Lindt & Sprüngli). Der Weg zur Ausgrabung ist ausgeschildert.
(Medienmitteilung der Baudirektion)
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