Die Integrationsagenda intensiviert die Integrations-förderung für alle geflüchteten Personen. Hier finden Sie Empfehlungen für die Praxis und Informationen zur Potenzialabklärung.
Integrationsorientierte Beratung und Begleitung
Die zuständigen Stellen der kantonalen Asyl- und Flüchtlingsstrukturen und der Gemeinden verantworten im Kanton Zürich die Fallführung bzw. Begleitung von geflüchteten Personen. Die Integrationsförderung ist Teil dieser Aufgabe.
Gestützt auf eine vertiefte Abklärung der Kompetenzen und Erfahrungen der Geflüchteten nehmen die fallführenden Stellen die Integrationsplanung vor. Diese bildet die Voraussetzung, um geflüchteten Personen geeignete Fördermassnahmen zu vermitteln. Deshalb ist die integrationsorientierte Fallführung zentral und ein verbindlicher Teil der Umsetzung der Integrationsagenda Schweiz.
Die Integrationsagenda intensiviert die Integrationsförderung für alle geflüchteten Personen. Am Anfang des Erstintegrationsprozesses steht die Erstinformation, die Beratung und Begleitung der geflüchteten Personen – nebst dem Fokus auf die Sprachförderung.
Vor der Zuweisung der Personen in geeignete Integrationsmassnahmen wird eine Potenzialabklärung durchgeführt. Diese ermittelt die individuellen Erfahrungen und Kompetenzen für eine Ausbildung respektive für die Integration in den Arbeitsmarkt. Für Personen, die zu diesem Zeitpunkt keine Ausbildung beginnen und auch keine Stelle antreten, steht die soziale Integration im Vordergrund.
Operative Steuerung durch die fallführenden Stellen
Das Kantonale Sozialamt (KSA) ist in der ersten Phase der Unterbringung zuständig für die kantonalen Asyl- und Flüchtlingsstrukturen. Das KSA
- informiert die geflüchteten Personen in den kantonalen Asyl- und Flüchtlingsstrukturen in ihrer Muttersprache (Erstinformation).
- führt im Rahmen des Integrationscoachings eine erste individuelle Standortbestimmung in Form eines Kurzassessments durch. Auf dieser Grundlage nimmt es eine erste Integrationsplanung und eine Zuweisung in geeignete Integrationsmassnahmen vor.
- gibt die integrationsrelevanten Informationen, die in der kantonalen Asyl- und Flüchtlingsstrukturen erfasst werden, an die fallführende Stelle der Gemeinden weiter und gewährleistet so die durchgehende Fallführung.
In der zweiten Phase übernehmen die fallführenden Stellen der Gemeinden. Sie begleiten die Geflüchteten mit Blick auf deren soziale und berufliche Integration.
Die fallführenden Stellen der Gemeinden
- führen das Kurzassessment weiter und sind für die darauf basierende Integrationsplanung gemäss der Integrationsagenda des Kantons Zürich verantwortlich.
- weisen die Geflüchteten bei Bedarf vertieften Abklärungsmassnahmen zu.
- weisen die Geflüchteten in geeignete Sprachförder- und Integrationsangebote zu.
Im neuen Fördersystem erhalten die Gemeinden mehr Gestaltungsspielraum bei der Integration von geflüchteten Personen. Gleichzeitig übernehmen sie mehr Verantwortung für das Gelingen der Integration – vor allem für die bedarfsgerechte Abklärung und Zuweisung in passende Integrationsangebote. Die fallführenden Stellen der Gemeinden begleiten und prüfen den Integrationsverlauf durchgehend, individuell und regelmässig.
Die fallführenden Stellen der ersten und der zweiten Phase übernehmen folgende Aufgaben:
- Sie sind verantwortlich für eine erste Standortbestimmung (Kurzassessment) und die Integrationsplanung.
- Sie vermitteln die Geflüchteten im Rahmen des Kostendachs direkt in passende akkreditierte Angebote.
- Sie vergüten die Angebote selbständig.
- Sie berichten regelmässig an die Fachstelle Integration (Reporting).
Empfehlungen für die Praxis
Spezifische Integrationsförderung im Bildungsbereich
Während der obligatorischen Schulzeit kommt die spezifische Integrationsförderung nicht zum Zug. Die obligatorische Schulzeit dauert bis zum vollendeten 16. Lebensjahr. Das Volksschulamt (VSA) empfiehlt, dass Jugendliche bis zum 17. Lebensjahr aufgenommen werden. Der Eintritt in die Regelstrukturen der beruflichen Grundbildung ist mit dem Sprachniveau A2 gemäss dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) möglich. Die spezifische Integrationsförderung ist dafür zuständig, dass sich die Geflüchteten die notwendigen Grundlagen aneignen können. Mit einem A2 gemäss GER ist der Eintritt in folgende Angebote zur Vorbereitung auf die berufliche Grundbildung möglich:
- Projekt Integrationsvorlehre
- Berufsvorbereitungsjahr
- Vorlehre
- Motivationssemester
Ziel ist, dass die Personen beim Eintritt in die berufliche Grundbildung (eidgenössisches Berufsattest (EBA) oder eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ)) oder beim Eintritt in weiterführende Bildungsangebote der Sekundarstufe II das Sprachniveau B1 gemäss GER vorweisen können.
Chancengleiche Förderung und Diskriminierungsschutz
Geflüchtete Menschen sind in der Schweiz einem höheren Diskriminierungsrisiko ausgesetzt als andere gesellschaftliche Gruppen. Beispiele von Diskriminierungen finden sich in verschiedenen Lebensbereichen: Für Geflüchtete ist häufig der Zugang zu Wohnraum, Arbeit, Ausbildung und nicht zuletzt auch zu Integrationsmassnahmen erschwert. Strukturell oder individuell bedingte Benachteiligungen erfolgen aufgrund des Aufenthaltsstatus, der Herkunft, der Sprache, des Geschlechts sowie weiteren wesentlichen identitätsbildenden Merkmalen (Hautfarbe, religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung, soziale Stellung, Lebensform oder wegen körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung, Art. 8 BV).
Der Schutz vor Diskriminierung gilt generell. Alle Grund- und Menschenrechte sind unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung und Gleichberechtigung zu gewähren. Die gleichstellungspolitischen Grundsätze in der IAZH unterstreichen dies: Allen geflüchteten Personen soll der Zugang und die Teilnahme am wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Leben der Schweiz chancengleich ermöglicht werden. Vorläufig Aufgenommene und Flüchtlinge, aber auch Frauen und Männer müssen im Rahmen der IAZH chancengleich gefördert werden.
Eine diversitätsbewusste und diskriminierungssensible Beratung und Begleitung beinhaltet, dass Diskriminierungen bewusst wahrgenommen werden und gleichzeitig bestehende gesellschaftliche Diskriminierung bei sich selbst und im Umfeld erkannt und dieser entgegengewirkt wird.
Die Fachstelle Integration ist in Erarbeitung eines Leitfadens für gendersensible und diskriminierungsfreie Integrationsförderung. Informationen zum Publikationsdatum folgen.
Familienergänzende Betreuung
Damit die Förderung von Männern und Frauen chancengleich umgesetzt werden kann, spielen familienergänzende Betreuungsangebote für Kinder eine wichtige Rolle. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz des Kantons Zürich (KJHG) verpflichtet die Gemeinden, für bedarfsgerechte Angebote zur familienergänzenden Betreuung für Kinder im Vorschulalter zu sorgen (§ 18 KJHG). Deshalb können Kosten für gemeindeeigene Kinderbetreuungsangebote, die während einer Integrationsmassnahme des kantonalen Angebotskatalogs IAZH eingesetzt werden, nicht über die Integrationspauschale verrechnet werden. Im Förderbereich Sprache wurden Angebote akkreditiert, die eine Kinderbetreuung beinhalten. Diese kann daher über die Integrationspauschale verrechnet werden.
Interkulturelles Dolmetschen
Da die Fördermassnahmen im neuen Fördersystem früher einsetzen, ist die Sicherstellung der Verständigung zentral. Deshalb kommt den interkulturell Dolmetschenden eine entscheidende Rolle zu: Professionelle interkulturelle Dolmetschende sorgen dafür, dass keine sprachlichen oder kulturellen Missverständnisse entstehen. Diese Dienstleistungen können nicht über die Integrationspauschale finanziert werden.
Case Load integrationsorientierte Fallführung
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass ein tieferer Case Load zu einem grösseren Integrationserfolg führt. Deshalb wird den fallführenden Stellen im Rahmen der integrationsorientierten Fallführung einen maximalen Case Load von 70 geflüchteten Personen pro Vollzeitäquivalent empfohlen (gemäss SEM, IAZH/Grundlagenpapier).
Sprachtests
Akkreditierte Sprachkurse bereiten die Teilnehmenden auf anerkannte Sprachtests vor. Die Sprachtests von fide und telc, die im Anschluss an einen Kurs gemacht werden, können über die Integrationspauschale abgerechnet werden.
Sprachnachweise und Sprachprüfungen spielen in der Schweiz eine immer grössere Rolle, so beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt. Für geflüchtete Personen sind sie im Rahmen ihres Erstintegrationsprozesses ein Zeichen von erfolgreicher Integration. Sie benötigen aber auch für den Zugang zu bestimmten Bildungs- und Arbeitsintegrationsmassnahmen ein anerkanntes Zertifikat, das ihre sprachlichen Kompetenzen ausweist. Das gilt auch für gewisse Aufenthalts- bzw. Niederlassungsbewilligungen. Die genauen Bestimmungen dazu hat das Migrationsamt in einer Informationsbroschüre publiziert:
Eine Prüfung abzulegen macht nur dann Sinn, wenn es den Teilnehmenden nützt (z.B. für die Ausbildung, für die Arbeit oder für das Aufenthaltsrecht). Oder wenn die Teilnehmenden sich für ihre erworbenen Fähigkeiten eine Bestätigung wünschen. Sprachtests und Prüfungen sollten nicht grundsätzlich verlangt werden.
Die FI empfiehlt deshalb, immer individuell zu prüfen, ob ein Sprachtests sinnvoll ist oder ob die Informationen im Schlussbericht ausreichen. Diesen erhalten die fallführenden Stelle jeweils im Anschluss an den Kurs. Der Schlussbericht enthält Informationen zum erreichten Sprachstand sowie zu den Lernfortschritten.
Dauer des Erstintegrationsprozesses
Die Fallführung des Erstintegrationsprozesses endet zum Zeitpunkt, in dem die Person nachhaltig in die Regelstrukturen der beruflichen Grundbildung oder des Arbeitsmarktes integriert ist. Spätestens jedoch nach sieben Jahren. Diese Bedingung gilt nur, wenn der Integrationsprozess intensiv verfolgt werden konnte und zum Beispiel keine Betreuungspflichten oder gesundheitliche Einschränkungen den Erstintegrationsprozess verzögert haben.
Potenzialabklärung
Die Potenzialabklärung und die Integrationsplanung sind zentrale Elemente der integrationsorientierten Fallführung. Alle geflüchteten Personen zwischen 16 und 50 Jahren durchlaufen eine Potenzialabklärung gemäss den Empfehlungen des Staatssekretariats für Migration (SEM). Wo sinnvoll, sollen auch über 50-jährige Geflüchtete eine Potenzialabklärung machen. Die Ergebnisse der Potenzialabklärung bilden die Grundlage für die Erstellung des individuellen Integrationsplans, der von den fallführenden Stellen weiterentwickelt und konkretisiert wird. Die aufgeführten Standards und Instrumente für die Praxis sind ab 2021 verbindlich umzusetzen. Die Potenzialabklärung besteht aus drei Elementen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Erstintegrationsprozess durchgeführt werden:
Kurzassessment – Standortbestimmung regelmässig vornehmen
Die durchgehende Fallführung beinhaltet unter anderem regelmässige Standortbestimmungen (Kurzassessments). Diese dienen dazu abzuklären, welche Voraussetzungen, Fähigkeiten und Kenntnisse bei einem Klienten oder einer Klientin vorhanden sind.
Das Kurzassessment-Formular ermöglicht es der fallführenden Stelle, auf der Basis von Gesprächen mit dem Klienten oder der Klientin, die passenden Massnahmen auszuwählen. Die Ergebnisse des Kurzassessments geben der fallführenden Stelle und den Klientinnen und Klienten somit eine Orientierung für geeignete Integrationsziele und dafür, ob eine vertiefte Abklärung weiterer Potenziale angezeigt ist.
Ab 2021 ist das Kurzassessment zwingend vor jeder Zuweisung in ein Angebot durchzuführen, damit sichergestellt ist, dass die zugewiesene Person die Teilnahmevoraussetzungen des Angebots erfüllt. Die Kurzassessments sind Aufgabe der fallführenden Stellen und werden nicht über die Integrationspauschale finanziert.
Kompetenzerfassung und Praxisassessment – vertiefte Abklärung des Potenzials
Zeigt sich im Kurzassessment, dass eine vertiefte Abklärung angezeigt ist, veranlasst die fallführende Stelle eine Kompetenzerfassung und/oder ein Praxisassessment. Dazu steht den fallführenden Stellen der kantonale Angebotskatalog zur Verfügung (vgl. Abschnitt kantonaler Angebotskatalog).
Die Kompetenzerfassung ist angezeigt, wenn entweder noch nicht klar ist, in welche Richtung der Erstintegrationsprozess gehen soll oder wenn der Bedarf nach konkreten Fördermassnahmen vertieft abzuklären ist.
Bei der Kompetenzerfassung steht die Abklärung des schulischen respektive kognitiven Potenzials im Zentrum. Beim Praxisassessment werden arbeitsmarktrelevante Kompetenzen und/oder Entwicklungspotenziale in geeigneten Berufsfeldern abgeklärt. Dies ist vor allem dann angezeigt, wenn die Arbeitsmarktfähigkeit noch nicht abschliessend beurteilt werden kann oder wenn gesundheitliche Einschränkungen abgeklärt werden sollen. Diese Abklärungsangebote können über die Integrationspauschale finanziert werden.
Standards und Instrumente für die Praxis
Die Standards beziehen sich auf die drei Elemente der Potenzialabklärung: Kurzassessment, Kompetenzerfassung, Praxisassessment.
Um die fallführenden Stellen und die weiteren integrationsbegleitenden Fachpersonen zu unterstützen, hat das SEM ein Instrumentarium für Potenzialabklärungen entwickelt. Es besteht aus vier Dokumenten:
- Erläuterungen des Vorgehens und Leitfäden der Instrumente
- Formular «Ergebnisse der Potenzialabklärung»
- Instrumentenkoffer «Kompetenzerfassung»
- Formular «Praxisassessment»
Für die fallführenden Stellen sind insbesondere 1 und 2 wichtig. Die einzelnen Instrumente werden regelmässig ergänzt. Wichtig ist, jeweils die aktuellste Version zu verwenden. Die Dokumente können unter dem unten stehenden Link heruntergeladen werden.
Bei Bedarf werden bestimmte Daten des Formulars «Ergebnisse der Potenzialabklärung» im Rahmen des Kurzassessments an andere Stellen weitergegeben. Daher ist der Klientin oder dem Klienten eine Einwilligungserklärung zur Unterschrift vorzulegen und die Inhalte des Dokuments verständlich zu erläutern. Die Einwilligungserklärung sollte entweder zu Beginn der Fallführung im Beisein einer dolmetschenden Person unterzeichnet werden oder dann vorgängig zur ersten Datenübermittlung an eine externe Stelle. Die Einwilligungserklärung muss folgendes beinhalten:
- Hinweis auf die rechtlichen Grundlagen
- Hinweis auf die Widerrufsmöglichkeit
- Hinweis auf den Grund der Einwilligungserklärung
- Hinweis auf den Zweck der Unterzeichnung
- Auflistung der verschiedenen zur Datenweitergabe ermächtigten Stellen
Die rechtliche Grundlage auf Bundesebene ist das Bundesgesetz über den Datenschutz (DSG). Im Kanton Zürich werden die Vorgaben durch das Gesetz über die Information und den Datenschutz (IDG) geregelt.
Die Fachstelle stellt den fallführenden Stellen eine Vorlage der Einwilligungserklärung zur Verfügung, die Sie bei Bedarf auf Ihre Bedürfnisse anpassen können (Layout und zusätzliche zur Datenweitergabe ermächtigte Stellen):
Bei der Potenzialabklärung von geflüchteten Personen gelten folgende verbindliche Vorgaben:
- Durchführung des Kurzassessments und bei Bedarf Zuweisung von geflüchteten Personen in eine Kompetenzerfassung und/oder ein Praxisassessment.
- Bei Personen, die Potenzial mitbringen, ist der Zugang zu Bildung der Arbeitsmarktintegration vorzuziehen.
- In den Beratungsgesprächen zu integrationsrelevanten Themen sind interkulturell Dolmetschende beizuziehen.