Mittelschulen; Projekt WegZH; Teilprojekt Promotion und Maturität: Richtungsentscheid Ausweitung Jahrespromotion
Zuständigkeit des Bildungsrates
Der Bildungsrat legt gemäss § 15 des Mittelschulgesetzes vom 13. Juni 1999 [MSG, LS 413.21] die Promotionsbedingungen fest und erlässt gemäss § 16 Abs. 2 MSG Bestimmungen für die Maturitätsprüfungen.
Ausgangslage
Im Kanton Zürich erhalten die Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 2011/2012 für die letzten beiden Semester vor den Maturitätsprüfungen ein Jahreszeugnis (vgl. § 5 Abs. 2 Promotionsreglement für die Gymnasien des Kantons Zürich vom 10. März 1998 [Promotionsreglement, LS 413.251.1]). Im Rahmen des Projekts Gymnasium 2022 wurde die Jahrespromotion auch auf das zweitletzte Schuljahr ausgeweitet (vgl. § 5 Abs. 2 Promotionsreglement, sowie BRB Nr. 3/2022). Entsprechend der Übergangsbestimmung zur Änderung vom 14. März 2022 erhalten die Schülerinnen und Schüler erstmals ab dem Schuljahr 2024/2025 ein Jahreszeugnis für die letzten beiden Schuljahre vor den Maturitätsprüfungen (vgl. § 18 Promotionsreglement).
Auf nationaler Ebene wurde im Rahmen des Projekts «Weiterentwicklung der gymnasialen Maturität» das Reglement der Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätszeugnissen (Maturitätsanerkennungsreglement, MAR) und die gleich lautende Verordnung über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätszeugnissen (Maturitätsanerkennungsverordnung, MAV, SR 413.11) (nachfolgend MAR/MAV 2024) totalrevidiert sowie der Rahmenlehrplan Gymnasiale Maturitätsschulen der EDK überarbeitet. Die angepassten nationalen Vorgaben traten am 1. August 2024 in Kraft.
Der Kanton Zürich nutzt die nationale Reform, um auch die kantonsspezifischen Bedürfnisse aufzunehmen. So können die nationalen Vorgaben umgesetzt und gleichzeitig dem kantonalen Entwicklungsbedarf Rechnung getragen werden. Dieser wurde im Rahmen des Vorprojekts «vorwegZH» unter Einbezug aller wichtigen Bezugsgruppen schulnah ermittelt (siehe dazu auch den Bericht «Gemeinsam die Zürcher Gymnasien von morgen gestalten – Ergebnisse aus dem Vorprojekt vorwegZH», zh.ch/wegzh).
Im Rahmen des Vorprojekts «vorwegZH» wurde unter anderem die Weiterentwicklung der Beurteilungskultur an den Zürcher Gymnasien als Entwicklungsfeld ausgemacht. Dabei wurden einerseits die Handlungsmöglichkeiten definiert, die Anzahl summativer Leistungsbeurteilungen zugunsten differenzierter Rückmeldungen zum Lernprozess und zum Lernergebnis zu verringern. Anderseits wurde die Ausweitung der Jahrespromotion auf weitere Jahre des Obergymnasiums als Handlungsoption identifiziert.
Die Schulleiterkonferenz der Zürcher Mittelschulen (SLK) hat sich im Frühling 2023 im Zusammenhang mit der Einführung neuer pädagogischer Modelle an einzelnen Schulen mit der Frage der Ausweitung der Jahrespromotion auf weitere Schuljahre befasst. Sie hat am 12. Juli 2023 einen Antrag an das Mittelschul- und Berufsbildungsamt (MBA) gestellt, die Ausweitung der Jahrespromotion auf alle vier Jahre des Obergymnasiums zu prüfen.
Das MBA hat den Antrag der SLK vom 12. Juli 2023 sowie die entsprechenden Handlungsoptionen aus «vorwegZH» im Rahmen des Projekts «Weiterentwicklung der Gymnasien im Kanton Zürich (WegZH)» aufgenommen und ins Teilprojekt «Promotion und Maturität» integriert. Zwischen Januar und Juli 2024 wurde die Ausweitung der Jahrespromotion auf weitere Jahre des Obergymnasiums geprüft.
Ausweitung der Jahrespromotion
Im Rahmen der Prüfung wurden Gründe erörtert, die für bzw. gegen die Ausweitung der Jahrespromotion sprechen.
Gründe für eine Ausweitung der Jahrespromotion
- Die Jahrespromotion ermöglicht eine ausgewogenere Verteilung der Prüfungen über das gesamte Schuljahr hinweg. So kann die Belastungssituation für die Schülerinnen und Schüler sowie Lehrpersonen verringert werden.
- Zudem ermöglicht die Jahrespromotion, wie sie nach geltendem Recht für die letzten beiden Schuljahre ausgestaltet ist, eine förderorientierte Begleitung der Schülerinnen und Schüler. Denn die Schülerinnen und Schüler erhalten nicht nur ein Jahreszeugnis. Ihnen wird im Sinne einer Standortbestimmung eine schriftliche Zwischenbeurteilung ihrer Leistungen in ganzen und halben Noten ausgestellt. Zusätzlich finden – wo angezeigt bzw. gewünscht – Beratungsgespräche statt. Weiter schafft die Ausweitung der Jahrespromotion Raum für vielfältige Beurteilungsmöglichkeiten und neue pädagogische Ansätze.
- Mit der Ausdehnung der Jahrespromotion auf alle vier Jahre des Obergymnasiums wird gewährleistet, dass der Rhythmus der Beurteilungen und Zeugnisse im gesamten Obergymnasium einheitlich ist.
- Verschiedene Deutschschweizer Kantone haben im Obergymnasium die Jahrespromotion bereits eingeführt. Rückmeldungen von Vertretenden aus ausgewählten Kantonen (St. Gallen, Aargau, Zug, Luzern) zeigen, dass die Erfahrungen mit der Jahrespromotion überwiegend positiv sind.
- Die SLK und die Lehrpersonenkonferenz der Mittelschulen Kanton Zürich (LKM) befürworten mehrheitlich die Ausweitung der Jahrespromotion auf alle Jahre des Obergymnasiums und bezeichnen diese Veränderung als zukunftsweisend. Eine Ausweitung der Jahrespromotion würde damit Rückhalt im Schulfeld finden.
Gründe gegen eine Ausweitung der Jahrespromotion
- Erfahrungen aus den Kantonen (wie zum Beispiel Zug, Luzern), die die Jahrespromotion eingeführt haben, zeigen trotz der positiven Aspekte auch Risiken. So können bei der Jahrespromotion einzelne Prüfungen mehr Gewicht erhalten, falls zwar die Anzahl Prüfungen, nicht jedoch der Umfang des Prüfungsstoffs reduziert wird.
- Weiter zu berücksichtigen sind die Erfahrungsnoten, die in allen Maturitätsfächern gebildet werden. Die Erfahrungsnote ist das ungerundete Mittel der Noten der letzten beiden Semester, in denen das Fach unterrichtet wurde (vgl. § 14 Abs. 2 Reglement für die Maturitätsprüfungen an den Gymnasien des Kantons Zürich vom 10. März 1998, [Maturitätsprüfungsreglement, LS 413.252.1]). Fallen die letzten beiden Semester, in denen das Fach unterrichtet wurde, in zwei unterschiedliche Schuljahre, müssen die Erfahrungsnoten gesondert ausgewiesen werden.
- Aus schulorganisatorischer Sicht ist schliesslich zu bedenken, dass Zwischenbeurteilungen in der Regel nicht gleich aussagekräftig sind wie Zeugnisse, da ersteren tendenziell weniger Leistungsbeurteilungen zugrunde liegen. Dies erschwert die Planung der Klassenbildung, da es schwieriger abzuschätzen ist, ob Schülerinnen und Schüler am Ende des Schuljahres nicht promoviert werden und das Schuljahr wiederholen müssen.
- Ein Risiko besteht auch darin, dass trotz Jahrespromotion der neugeschaffene Spielraum in den Schulen nicht oder zu wenig genutzt wird, um den Druck auf die Schülerinnen und Schüler zu verkleinern.
Schlussfolgerung
Für die Ausweitung der Jahrespromotion auf weitere Jahre des Obergymnasiums sprechen insbesondere die Entlastung der Schülerinnen und Schüler sowie der Lehrpersonen von einer erhöhten Anzahl Prüfungen gegen Semesterende. Zudem ermöglicht der längere Beurteilungszeitraum eine Reduktion der Anzahl Leistungsnachweise, eine bessere Verteilung der Leistungsnachweise über das Schuljahr, vielfältigere Beurteilungsmöglichkeiten und neue pädagogische Ansätze.
Deshalb soll die Ausweitung der Jahrespromotion im Rahmen von WegZH weiterverfolgt werden.
Damit ein günstiger Effekt erzielt und den nachteiligen Aspekten begegnet werden kann, braucht es eine Anpassung der Erlasse sowie klare Rahmenbedingungen, die im weiteren Projektverlauf ausgearbeitet werden müssen.
Antrag
Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:
- Der Bildungsrat lädt die Bildungsdirektion ein, im Rahmen von WegZH die Ausweitung der Jahrespromotion auf alle vier Jahre des Obergymnasiums zu prüfen und entsprechende flankierende Massnahmen im Sinne der Erwägungen 3 und 4 auszuarbeiten.
- Mitteilung an Bildungsdirektion.