Bericht zur Anhörung Pflichtfach Religionen und Kulturen an der gymnasialen Unterstufe der Zürcher Mittelschulen
Ausgangslage
Mit Bildungsratsbeschluss vom 23. August 2004 wurde an den Zürcher Sekundarschulen das Fach Religion und Kultur eingeführt. Die von 2010 bis 2012 durchgeführte Evaluation zeigte auf, dass die Integration des Fachs in den Schulalltag gelungen ist. Der Bildungsrat nahm die Evaluationsergebnisse mit Beschluss vom 19. Dezember 2013 zur Kenntnis (BRB Nr. 42/2013).
Die Kerngruppe und die Fachkonferenz Religion der Konferenz an der Schnittstelle Hochschule – Gymnasium (HSGYM Religion) betonten in ihrer 2014 erschienenen Publikation («Hochschulreife und Studierfähigkeit: Eine Zwischenbilanz»), dass die 2008 publizierte Empfehlung der «Entwicklung eines neuen Modells für ein Pflichtfach Religion» in den Zürcher Gymnasien an Dringlichkeit gewonnen hat und zum Schwerpunktthema geworden ist. 2008 hatte HSGYM Religion am Zürcher Gymnasium «strukturell bedingte Lücken» der theologischen, ethischen und religionswissenschaftlichen Bildung geortet, die im Widerspruch zu den Bildungszielen des Reglements über die Anerkennung von gymnasialen Maturitätsausweisen (MAR, Art. 5) stünden (Publikation «Hochschulreife und Studierfähigkeit: Zürcher Dialog an der Schnittstelle mit Analysen und Empfehlungen zu 25 Fachbereichen»).
Am 28. Februar 2011 fand im Bildungsrat mit Vertretern von HSGYM und den Landeskirchen eine Aussprache zur Frage statt, ob an den Untergymnasien ebenfalls ein Pflichtfach Religionen und Kulturen eingeführt werden soll. Der Bildungsrat beschloss am 27. April 2015 (BRB Nr. 20/2015) die Durchführung einer Anhörung zu den im Bildungsratsbeschluss genannten möglichen Eckwerten. Die Anhörung hat am 24. September 2015 unter dem Vorsitz des Präsidenten der bildungsrätlichen Kommission Mittelschulen stattgefunden. Zudem erhielten die angeschriebenen Anspruchsgruppen die Möglichkeit, mittels Fragebogen schriftlich Stellung zu nehmen.
Resultate der Anhörung
Die schriftlichen Stellungnahmen stimmen in den zentralen Punkten mit den mündlich geäusserten Positionen überein. Die wichtigsten Ergebnisse der Anhörung sind die folgenden:
Die Anspruchsgruppen anerkennen die gesellschaftliche Bedeutung eines Pflichtfachs Religionen und Kulturen. Eine Mehrheit begrüsst dessen Einführung.
Uneinigkeit herrscht bezüglich weniger, jedoch zentraler Aspekte des Fachs – insbesondere der Stundendotation, der Finanzierung und der Belastung der Stundentafel durch ein weiteres Pflichtfach.
Damit junge Menschen sich in ihrer gesellschaftlichen und kulturellen Umwelt zurechtfinden können, benötigen sie das für die heutige Gesellschaft nötige Orientierungswissen sowie die Fähigkeit, dieses zur Anwendung zu bringen. Das Fach Religionen und Kulturen behandelt ethische, kulturelle und religiöse Fragen und verlangt nach einer kritischen Reflexion der eigenen Überzeugungen.
Um diesem Bildungsauftrag nachzukommen, ist eine entsprechende Entflechtung von Kirche und Schule wichtig, für welche sich auch die Vertretungen der beiden Landeskirchen aussprechen: Die religiöse Unterweisung ist Sache der Religionsgemeinschaft und soll nicht an der Mittelschule vorgenommen werden, weshalb bei einer Einführung eines Pflichtfachs auf das Freifach Religion an der gymnasialen Unterstufe verzichtet werden soll.
Die Schulen sollen, gestützt auf kantonale Vorgaben, eigene Lehrpläne für das neue Pflichtfach Religion erstellen. Diese würden den vom Erziehungsrat am 24. Februar 1998 eingeführten kantonalen Lehrplan für den Religionsunterricht an den Mittelschulen ablösen. Die kantonalen Vorgaben kämen auch bei einem allfälligen Freifach Religion auf der gymnasialen Oberstufe zum Tragen. Für die Lehrmittel soll im Sinne der Lehrmittelfreiheit freie Wahl bestehen. Die Fachbezeichnung wird sich an jener der Volksschule orientieren. Diese Bezeichnung ist Gegenstand der im Frühjahr 2016 stattfindenden Vernehmlassung zum Lehrplan 21 (vgl. BRB Nr. 20/2015).
Die Lehrpersonen des Fachs müssen wie bei den anderen Unterrichtsfächern sowohl einen fachlichen als auch einen pädagogisch-didaktischen Abschluss mitbringen. Das anerkannte Lehrdiplom für Maturitätsschulen im Fach Religion wird bereits heute dem überkonfessionellen Anspruch gerecht und wird allseits als geeignete Qualifikation erachtet. Dieselben Qualifikationsvoraussetzungen gelten auch für Lehrpersonen des Ergänzungsfachs Religionslehre auf der gymnasialen Oberstufe.
An der Sekundarschule wird das Fach Religion und Kultur in den ersten zwei Jahren unterrichtet. In Analogie dazu soll sich ein mögliches Pflichtfach am Gymnasium auf die Unterstufe beschränken, was auch von den Anspruchsgruppen begrüsst wird. An der Sekundarschule ist das Fach mit insgesamt drei Jahreslektionen dotiert: zwei in der 1. Klasse und eine in der 2. Klasse. Ein Unterschreiten von insgesamt drei Jahreslektionen wird von den Anspruchsgruppen abgelehnt.
Bei einer Stundendotation von mindestens drei Jahreslektionen innerhalb von zwei Jahren kann die Finanzierung nicht vollständig mittels der Aufhebung des Freifachs erfolgen. Zudem führt ein Ausbau der Stundentafel zu einer Mehrbelastung der Schülerinnen und Schüler. Dies hat auf Seiten der Schulleiterkonferenz Mittelschulen (SLK) und der Lehrpersonenkonferenz Mittelschulen (LKM) zu Vorbehalten geführt.
Bedingungen für die allfällige Einführung eines Pflichtfachs an den Mittelschulen und weiteres Vorgehen
Angesichts der finanziellen Lage des Kantons sollen wiederkehrende Mehrkosten vermieden werden. Noch ist nicht klar, wie genau das Fach Religionen und Kulturen im Untergymnasium verortet werden soll. Ausserdem steht die Vernehmlassung des Lehrplans 21 im Kanton Zürich noch aus. Daher wird ein schrittweises Vorgehen gewählt: In einem ersten Schritt sollen Bedingungen für die mögliche Einführung eines Pflichtfachs Religionen und Kulturen festgehalten werden, unter deren Einhaltung Varianten für eine mögliche Einführung erarbeitet werden. In einem zweiten Schritt sollen dem Bildungsrat Umsetzungsvarianten vorgelegt werden, so dass er darüber entscheiden kann, wie das Fach eingeführt werden soll.
Das Mittelschul- und Berufsbildungsamt soll beauftragt werden, bis Frühjahr 2017 Varianten für eine mögliche Einführung zu erarbeiten. Dabei sind folgende Rahmenbedingungen zu berücksichtigen:
- Keine wiederkehrenden Mehrkosten
- Verzicht auf das Freifach Religion an der gymnasialen Unterstufe
Antrag
Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:
- Die Ergebnisse der Anhörung zu den möglichen Eckwerten eines Pflichtfachs Religionen und Kulturen an der gymnasialen Unterstufe werden zur Kenntnis genommen.
- Das Mittelschul- und Berufsbildungsamt wird beauftragt, unter Berücksichtigung der genannten Bedingungen und unter Einbezug der Mittelschulen bis Frühjahr 2017 Umsetzungsvarianten zu erarbeiten und dem Bildungsrat vorzulegen.
- Veröffentlichung des Bildungsratsbeschlusses in geeigneter Form im Schulblatt und im Internet.
- Mitteilung an: den Präsidenten der Präsidentenkonferenz Schulkommissionen Mittelschulen, Herrn Eric Huggenberger; den Präsidenten der Schulleiterkonferenz Mittelschulen, Herrn Christoph Wittmer; HSGYM – Hochschule und Gymnasium; den Präsidenten der Lehrpersonenkonferenz Mittelschulen, Herrn Marcel Meyer; den Präsidenten des Mittelschullehrpersonenverbands Zürich, Herrn Rolf Bosshard, sowie das Mittelschul- und Berufsbildungsamt.