Zentrale Aufnahmeprüfungen: Test zur Erfassung allgemeiner kognitiver Fähigkeiten

Beschluss Bildungsrat
2011/12
Sitzungsdatum
28. März 2011

Ausgangslage

Im Herbst 2005 leitete die Bildungsdirektion das Projekt «Zentralisierung der Aufnahmeprüfungen Mittelschulen» (ZAP) ein. Ziel des breit abgestützten Projekts war es, die Aufnahmeprüfungen ans Gymnasium zu vereinheitlichen und ihre Qualität zu sichern. Zudem wurde im Postulat KR-Nr. 188/2005 die Erweiterung der Aufnahmeprüfung ans Gymnasium durch ein neues, kompetenzorientiertes und prognostisches Testverfahren zur Förderung der Chancengerechtigkeit beim Übertritt ins Gymnasium vorgeschlagen.

Die wissenschaftliche Beratung des Projekts ZAP erfolgte durch PD Dr. Urs Moser, Institut für Bildungsevaluation, assoziiertes Institut der Universität Zürich (IBE). Auf Grund einer Analyse der früheren Aufnahmeprüfungen und verschiedener Aufnahmeverfahren in anderen Kantonen wurden ab 2006 die Vorarbeiten zur praktischen Umsetzung geleistet und 2007 die Aufnahmeprüfungen an die Langgymnasien des Kanton Zürich erstmals einheitlich und erfolgreich durchgeführt. 2008 folgten die ersten einheitlichen Aufnahmeprüfungen an die kantonalen Kurzgymnasien. Die einheitlichen Prüfungsaufgaben wurden ab 2007 vom IBE anhand der Korrekturdaten analysiert. Die Aufgaben erwiesen sich aus wissenschaftlicher Sicht als zuverlässig. Im Juni 2010 wurde das Projekt ZAP erfolgreich abgeschlossen und ging in den Regelbetrieb über.

In den Jahren 2008 (Langgymnasium) und 2009 (Lang- und Kurzgymnasium) wurde zusätzlich zu den Fachprüfungen versuchsweise ein Test zur Erfassung allgemeiner kognitiver Fähigkeiten (AKF), welche für den Schulerfolg in sämtlichen Fächern von Bedeutung sind, eingesetzt. Es sollte geklärt werden, ob mit einem fächerübergreifenden Test die Chancengleichheit begabter Schülerinnen und Schüler beim Übertritt ins Gymnasium und die Prognose für das Verbleiben im Gymnasium verbessert werden können. Mit der Entwicklung, Erprobung und Auswertung eines zusätzlichen Prüfungsteils wurde das IBE beauftragt; die Entwicklung der Testaufgaben wurde in enger Zusammenarbeit mit der Praxis organisiert. Auf Grund wissenschaftstheoretischer Überlegungen wurde der AKF zwischen einem sprachfreien Intelligenztest und einem PISA-Test positioniert. Der Test für das Langgymnasium (AKF 12) wurde zweimal, der Test für das Kurzgymnasium (AKF 14) einmal durchgeführt, jeweils ein Jahr nach der Vereinheitlichung der Aufnahmeprüfung. Die Testergebnisse hatten in der Versuchsphase keinen Einfluss auf den Aufnahmeentscheid. Die Analyse der AKF-Daten im Vergleich zu den Probezeitergebnissen erfolgte parallel zur Auswertung der übrigen Teile der Aufnahmeprüfung. Der Schlussbericht «zur Bedeutung eines fächerübergreifenden Tests für den Übertritt in die Gymnasien des Kantons Zürich» wurde am 31. Mai 2010 vom IBE zuhanden der Projektleitung ZAP vorgelegt.

Testanlage, Testinhalte und Testresultate von AKF 12 und AKF 14

Testanlage und Testinhalte

Mit dem AKF sollen allgemeine kognitive Fähigkeiten erfasst werden, die zur Lösung von Problemen in verschiedenen, insbesondere in alltagsorientierten Kontexten benötigt werden. Für die Untertests wurden folgende Dimensionen bestimmt: Regeln erkennen, Probleme lösen, Analogien, Vorstellung und Wissen. Drei Fünftel der insgesamt 60 Aufgaben sind sprachfrei. Innerhalb der Untertests sind die Aufgaben nach Schwierigkeit geordnet. Die richtige Antwort muss aus vier oder fünf Alternativen ausgewählt werden (Multiple Choice). Den Schülerinnen und Schülern steht eine Bearbeitungszeit von 45 Minuten zur Verfügung. Der AKF 14 basiert auf den gleichen theoretischen Überlegungen wie der AKF 12, wurde aber zur Ergänzung der Aufnahmeprüfung ins Kurzgymnasium entwickelt und richtet sich deshalb an ältere Schülerinnen und Schüler mit entsprechend höherem Leistungsniveau.

Testresultate

Die Gruppe Schülerinnen und Schüler, welche die Aufnahmeprüfung bestand, erreichte durchschnittlich mehr Punkte im AKF als jene, die bei der Prüfung scheiterte. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sind signifikant, beim AKF 12 ist der Unterschied in der AKF-Punktezahl sehr gross, beim AKF 14 deutlich geringer. Vom AKF als zusätzlichem Prüfungsteil könnten jene sehr begabten, begabten oder eher begabten Schülerinnen und Schüler profitieren, welche die Prüfung nicht bestanden, im AKF jedoch besonders gute Ergebnisse erzielten. Je nach Art der Definition wären dies zwischen 2.5% und maximal 14% der Prüflinge.

Bei der Übertrittsprüfung ins Langgymnasium ist die Erfolgsquote der Knaben leicht höher als jene der Mädchen, der Unterschied ist jedoch nicht signifikant. Bei der Übertrittsprüfung ins Kurzgymnasium ist die Erfolgsquote der Knaben jedoch signifikant um 6.6% tiefer. Im AKF 12 und im AKF 14 schnitten Knaben signifikant besser ab als Mädchen. In allen drei Prüfungsdurchgängen (LG 2008, LG und KG 2009) erreichten viele Knaben im AKF sehr gute Ergebnisse, bestanden aber gleichzeitig die Prüfung nicht: Je höher die Testergebnisse von Kandidatinnen und Kandidaten sind, welche die Prüfung nicht bestanden, desto grösser ist der Anteil der Knaben, d.h. Knaben könnten vom AKF als zusätzlichem Prüfungsteil profitieren. Die Erfahrungsnote insgesamt war bei den Mädchen leicht höher als bei den Knaben. Bei der Prüfungsnote ist kein Unterschied zwischen Mädchen und Knaben feststellbar. Im Lang- und auch im Kurzgymnasium scheiterten Knaben in der Probezeit häufiger als Mädchen, im Langgymnasium sogar signifikant häufiger.

Der Anteil der Kandidatinnen und Kandidaten mit Deutsch als Zweitsprache bei der Aufnahmeprüfung der untersuchten Prüfungsjahrgänge beträgt ca. 20%. Die Erfolgsquote ist für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache wesentlich tiefer (30-40%) als für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache (55-60%). Die Unterschiede sind in allen drei Prüfungskohorten signifikant. Die Effekte der Erstsprache in den verschiedenen Leistungsbereichen sind allgemein stärker als jene des Geschlechts: Im AKF schneiden Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Erstsprache besser ab als jene mit Deutsch als Zweitsprache. Kandidatinnen und Kandidaten mit Deutsch als Zweitsprache sind unter jenen, welche die Prüfung nicht bestanden, gleichzeitig im AKF aber zu den Besten gehören, eher untervertreten. Dies bedeutet, dass sie vom AKF als zusätzlichem Prüfungsteil entgegen den Erwartungen in der Konzeption nicht profitieren könnten. Die Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache erreichen auch tiefere Erfahrungs- und Prüfungsnoten als jene mit Deutsch als Erstsprache und bestehen die Probezeit seltener, im Langgymnasium statistisch signifikant seltener (Unterschied ca. 8%).

Für den Erfolg in der Probezeit ist die schriftliche Prüfungsnote am aussagekräftigsten: Schülerinnen und Schüler, welche die Probezeit erfolgreich absolvierten, schnitten beim schriftlichen Teil der Aufnahmeprüfung deutlich besser ab als jene, welche die Probezeit nicht bestanden. Auch die  Erfahrungsnote korreliert relativ stark mit dem Erfolg in der Probezeit, am Kurzgymnasium mehr als am Langgymnasium, weil auf der Sekundarstufe allgemein strenger bewertet wird als auf der Primarstufe. Die mündlichen Prüfungen differenzieren schlechter als die schriftlichen.

Die AKF-Ergebnisse hängen vergleichsweise wenig mit dem Erfolg in der Probezeit zusammen. Bei gleichzeitiger Berücksichtigung aller Merkmale besteht zwischen dem Erfolg in der Probezeit und den AKF-Ergebnissen kein statistisch signifikanter Zusammenhang. Am aussagekräftigsten im Sinne von Prädikatoren für den Erfolg in der Probezeit sind die schriftliche Prüfungsnote und die Erfahrungsnote. Bei Berücksichtigung von Erfahrungs- und Prüfungsnote leistet der AKF nur einen bedingten Beitrag zur Vorhersage des Erfolgs in der Probezeit. Am grössten ist sein Beitrag bei niedrigen Noten.

Schlussfolgerungen

Die prognostische Zuverlässigkeit der Kombination von Erfahrungsnote und schriftlicher Prüfungsnote für ein erfolgreiches Bestehen der Probezeit im Gymnasium ist hoch. Auf die Ein4 führung eines zusätzlichen Prüfungsteils bei den Aufnahmeprüfungen ans Gymnasium ist auf Grund der vorliegenden Erkenntnisse aus den drei erprobten und ausgewerteten AKF-Testreihen zu verzichten. Das Potenzial der überdurchschnittlich vielen Knaben, die im AKF zwar sehr gute Ergebnisse erreichen, aber die Aufnahmeprüfung nicht bestehen, muss in der Volksschule frühzeitig erfasst werden.

Antrag

Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:

  • Der Schlussbericht »zur Bedeutung eines fächerübergreifenden Tests für den Übertritt in die Gymnasien des Kantons Zürich» des Instituts für Bildungsevaluation vom 31. Mai 2010 wird zur Kenntnis genommen. 
  • Der Versuch mit dem fächerübergreifenden Test zur Erfassung allgemeiner kognitiver Fähigkeiten (AKF 12 bzw. AKF 14) wird abgeschlossen.
  • Auf eine Einführung des AKF 12 bzw. AKF 14 als neuer Bestandteil der Aufnahmeprüfung ans Gymnasium wird verzichtet. 
  • Publikation des Bildungsratsbeschlusses und des Schlussberichts in geeigneter Form im Schulblatt und im Internet.
  • Mitteilung an: Herrn Dr. Martin Zimmermann, Koordinator ZAP; Schulleiterkonferenz der Zürcher Mittelschulen; Mittelschul- und Berufsbildungsamt; Schulleiterkonferenz der Zürcher Volksschulen; Abteilung Bildungsplanung; Volksschulamt.

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