Volksschule. Europäisches Sprachenportfolio. Verlängerung der Implementierungsphase 1.
Ausgangslage
Das Europäische Sprachenportfolio (ESP) ist ein Projekt des Europarates und basiert auf dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen (GER). Die im GER festgelegten Kompetenzbeschreibungen mit sechs Niveaustufen ermöglichen vergleichbare Einstufungen von fremdsprachlichen Fertigkeiten (Elementare Sprachverwendung: A1 und A2, Selbstständige Sprachverwendung: B1 und B2, Kompetente Sprachverwendung: C1 und C2). Das ESP dient als Informationsinstrument zur Dokumentation und Präsentation von Kenntnissen in verschiedenen, schulisch oder ausserschulisch erworbenen Sprachen sowie von interkulturellen Erfahrungen. Das ESP ist ein persönliches Dokument der Lernenden und wird als Instrument eingesetzt für die selbstständige Beurteilung von Sprachkenntnissen, die Reflexion von Sprachlernerfahrungen und interkulturellen Erfahrungen sowie für die Planung des weiteren Sprachenlernens. Es handelt sich um ein lehrmittelunabhängiges Instrument, das in vier altersspezifischen Fassungen erhältlich ist und stufenübergreifend in Schulen sowie in der Berufswelt europaweit Verwendung findet:
- Portfolino: Kindergartenstufe und 1. Schuljahr (Zählung nach HarmoS: 1. bis 3. Schuljahr)
- ESP I: 2. bis 4. Schuljahr (Zählung nach HarmoS: 4. bis 6. Schuljahr)
- ESP II: 5. bis 9. Schuljahr (Zählung nach HarmoS: 7. bis 11. Schuljahr)
- ESP III: Sekundarstufe II / Berufswelt
Die Interkantonale Vereinbarung über die Harmonisierung der Volksschule (HarmoSKonkordat) hält die Vereinbarungskantone unter Artikel 9 an, dafür zu sorgen, dass die
Schülerinnen und Schüler ihr Wissen und ihre Kompetenzen mittels der von der EDK empfohlenen nationalen oder internationalen Portfolios dokumentieren können. Das ESP wird im Kommentar zu den einzelnen Bestimmungen als wichtigstes und bisher einziges von der EDK anerkanntes Beispiel für ein Portfolio explizit erwähnt.
In der am 25. März 2004 von der Plenarversammlung der EDK beschlossenen Strategie zur Koordination des Sprachenunterrichts in der obligatorischen Schule spielt das ESP eine zentrale Rolle. Auf der Grundlage dieses Strategiebeschlusses wurde von der Arbeitsgruppe Sprachen der NW EDK ein Konzept zur Einführung des ESP in den Klassen der obligatorischen Schule erstellt (NW EDK, 18. November 2006).
Am 30. April 2007 genehmigte der Bildungsrat das kantonale Konzept zur Einführung des ESP an der Zürcher Volksschule, das sich am entsprechenden Konzept der NW EDK orientiert. Das kantonale Einführungskonzept sieht zwei Implementierungsphasen vor:
- In der ersten Phase (Schuljahre 2007/08 und 2008/09) haben die Stufenausgaben des ESP den Status «zugelassenes Lehrmittel» (Hilfsmittel). Es finden Informationsveranstaltungen und erste Grundkurse für Lehrpersonen statt. An der Pädagogischen Hochschule Zürich wird ein ESP-Kurskader ausgebildet.
- In der zweiten Phase (Schuljahre 2009/10 und 2010/11) sollen ESP I und ESP II den Status «obligatorisches Lehrmittel» (Hilfsmittel) erhalten. Die Einführung des ESP wird verbindlich geregelt.
Aufgrund eines Zwischenberichts zur Implementierungsphase 1 beschliesst der Bildungsrat die Einleitung der Implementierungsphase 2 und gegebenenfalls weitere Massnahmen.
Die Kantone Schaffhausen, Thurgau, Basel-Stadt, Solothurn und Freiburg (Deutschfreiburg) haben die obligatorische Einführung des ESP in den Volksschulen beschlossen.
Seit Beginn des Schuljahres 2008/09 wird das ESP im Kanton Zürich in den Berufsfachschulen mit Fremdsprachenunterricht eingeführt. Die Einführung erfolgt stufenweise über vier Jahre, so dass bis 2012 alle Fremdsprachenlehrpersonen mit dem ESP vertraut sind. In den Gymnasien erfolgt die generelle Einführung ab Schuljahr 2009/10, stufenweise über drei Jahre.
Erwägungen zur Implementierungsphase 2 bzw. zur Verlängerung der Implementierungsphase 1
Die für die Implementierungsphase 1 gemäss Einführungskonzept vorgesehenen Aktivitäten und Angebote konnten plangemäss durchgeführt werden. Die Weiterbildungsangebote der Pädagogischen Hochschule Zürich (Informationsveranstaltungen und Grundkurse) wurden sehr gut besucht und stiessen gemäss Aussagen der Veranstalterin grossmehrheitlich auf ein positives Echo bei den teilnehmenden Personen. Weitere Informationen und Details zur Implementierungsphase 1 (Schuljahre 2007/08 und 2008/09) sind im Bericht der Koordinationsstelle ESP des Volksschulamtes zusammengestellt.
Folgende Argumente sprechen für eine generelle Verwendung des ESP in der Volksschule des Kantons Zürich:
- Die zurzeit in Entwicklung befindlichen Bildungsstandards in Fremdsprachen und der Deutschschweizer Lehrplan, neue Lehrmittel im Bereich Fremdsprachen sowie der unter der Federführung der EDK-Ost ausgearbeitete Fachlehrplan Englisch für die Volksschule orientieren sich am GER. Mit dem ESP wird dieser Bezug konkret sichtbar.
- Angaben zu Anforderungen bezüglich Fremdsprachen-Kenntnissen in der Berufswelt stützen sich auf den GER. Lehrbetriebe sind auf klare Kompetenzbeschreibungen und die Dokumentation von Lernleistungen angewiesen, um die Fähigkeiten und Fertigkeiten von Lernenden einschätzen zu können. Das ESP kann diesbezüglich Transparenz schaffen und dient den Schülerinnen und Schülern als Vorzeigeinstrument, das ihnen ermöglicht, ihre schulisch und ausserschulisch erworbenen Fremdsprachenkompetenzen zu dokumentieren.
- Die meisten Sprachkurse ausserhalb der Volksschule beziehen sich jetzt schon auf den GER und den Gebrauch des ESP. Alle wichtigen europäischen Sprachzertifikate deklarieren das erreichte Kompetenzniveau gemäss GER.
- An der Pädagogischen Hochschule wird das ESP aktuell stufen- und sprachenübergreifend im Modul Fremdsprachendidaktik eingeführt. Ab Herbst 2009 wird das ESP als persönlicher Lernbegleiter der Studierenden in der Sprachkompetenzausbildung, im Fremdsprachenaufenthalt und in der Didaktikausbildung verbindlich verwendet.
- In den Schulen der Sekundarstufe II im Kanton Zürich wird das ESP verbindlich eingeführt. Es macht Sinn, seitens der Volksschule die Kontinuität in der Arbeit mit dem ESP zu gewährleisten.
- Die Verwendung des ESP bereichert und unterstützt den Fremdsprachenunterricht.
- Das ESP
- unterstützt die integrierte Sprachendidaktik und die Entwicklung der funktionalen Mehrsprachigkeit aller Schülerinnen und Schüler.
- fördert die Berücksichtigung aller Teilkompetenzen in Unterricht und Beurteilung (Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben).
- regt Lehrpersonen zur Gestaltung von vielfältigem Sprachenunterricht an.
- fördert die Schülerinnen und Schüler in den Bereichen Selbstverantwortung, Lernreflexion, Lernstrategien, Sprachbewusstsein, interkulturelle Verständigung.
- leistet einen wichtigen Beitrag zur Sichtbarmachung der Kohärenz beim Fremdsprachenlernen. Die Vernetzung zwischen dem Fremdsprachenunterricht innerhalb einer Schulstufe und über die Schulstufen hinweg kann nachvollzogen werden.
- hilft mit, die Migrationssprachen aufzuwerten.
Der Bericht zur Implementierungsphase 1 und die aufgeführten Argumente sprechen grundsätzlich dafür, eine flächendeckende Implementierung (Implementierungsphase 2) gemäss Bildungsratsbeschluss vom 30. April 2007 einzuleiten.
Der Bildungsrat sieht zum heutigen Zeitpunkt dennoch davon ab, die obligatorische Verwendung des ESP in der Volksschule zu beschliessen. Grund dafür ist die Tatsache, dass die Schulen im Rahmen der Umsetzung des neuen Volksschulgesetzes aktuell zahlreiche Anforderungen und Aufgaben zu bewältigen haben. Die Belastung ist hoch. Die erste Phase der Implementierung des ESP soll daher bis Ende Schuljahr 2010/11 um zwei Jahre verlängert werden. Während dieser Zeit sollen die Weiterbildungsangebote beibehalten und Informationsmaterial neu aufbereitet werden. Nach Ablauf der verlängerten Implementierungsphase 1 beschliesst der Bildungsrat über das weitere Vorgehen.
Für die freiwillige Einführung des ESP wird den Schulen folgendes Unterstützungsund Weiterbildungsangebot zur Verfügung gestellt:
Unterstützungsmaterialien
Den Schulleitungen und Lehrpersonen werden Unterstützungsmaterialien zur Einführung und Verwendung des ESP zur Verfügung gestellt (in Vorbereitung ist u. a. ein Film zur Verwendung des ESP in der Volksschule und auf der Sekundarstufe II).
Standardisierte Kurse
Die Pädagogische Hochschule Zürich bietet kostenlose standardisierte Kurse zur Einführung des ESP an, die von den Schulen in Anspruch genommen werden können (Holkurse). Die unterrichtsbegleitenden Kurse mit Praxisumsetzung und Reflexion bieten eine fundierte Einführung des ESP. In den Schuljahren 2009/10 und 2010/11 steht ein festes Kontingent dieses Angebots zur Verfügung. Die Schulen werden nach Reihenfolge des Eingangs der Anmeldung berücksichtigt.
Grundkurse
Als individuelle Weiterbildungsmöglichkeit bietet die Pädagogische Hochschule Zürich weiterhin einzelne zentrale Grundkurse an (Umfang: 3 Halbtage).
Der Einsatz des Evaluationsinstruments lingualevel wird empfohlen. lingualevel bietet für den Französisch- und Englischunterricht validierte Kompetenzbeschreibungen, Testaufgaben und Beispiele von Lernenden (Referenzleistungen) an. Es ergänzt das ESP und ermöglicht eine transparente Fremdbeurteilung und Einstufung von Sprachkenntnissen. Im Frühling 2009 wurde das Angebot von lingualevel erweitert mit einer Sammlung von Aufgabenbündelungen für gezielte Standortbestimmungen in den beiden Fächern Französisch und Englisch für die 6., 7. (ausschliesslich Französisch), 8. und 9. Klasse. Die Aufgabenserien ermöglichen den Lehrpersonen, den Lernstand ihrer Klasse insgesamt, aber auch die individuellen Schwächen und Stärken festzustellen und daraus Fördermöglichkeiten abzuleiten.
Antrag
Auf Antrag der Bildungsdirektion beschliesst der Bildungsrat:
- Die erste Phase der Implementierung des Europäischen Sprachenportfolios (ESP) in der Zürcher Volksschule gemäss Einführungskonzept vom 30. April 2007 wird um zwei Jahre bis Ende Schuljahr 2010/11 verlängert. Die Einführung des ESP in den Schulen bleibt damit freiwillig.
- Die verschiedenen Stufenausgaben des ESP behalten den Status «zugelassenes Lehrmittel». Die Verwendung der Stufenausgaben ist wie folgt vorgesehen: Portfolino (Kindergartenstufe und erstes Schuljahr der Primarschule, Zählung nach HarmoS: 1. bis 3. Schuljahr), ESP I (2. bis 4. Schuljahr, Zählung nach HarmoS: 4. bis 6. Schuljahr), ESP II (5. bis 9. Schuljahr, Zählung nach HarmoS: 7. bis 11. Schuljahr).
- Für Schulleitungen und Lehrpersonen wird zur freiwilligen Einführung des ESP ein Unterstützungs- und Weiterbildungsangebot im Sinne der Erwägungen bereitgestellt.
- Der Bericht zur Implementierungsphase 1 der Koordinationsstelle Europäisches Sprachenportfolio des Volksschulamtes (Schuljahre 2007/08 und 2008/09) wird zur Kenntnis genommen.
- Das Volksschulamt wird beauftragt, bis im Mai 2011 einen Bericht zur verlängerten Implementierungsphase 1 auszuarbeiten und dem Bildungsrat zusammen mit Vorschlägen für das weitere Vorgehen vorzulegen.
- Publikation in geeigneter Form im Schulblatt und im Internet.
- Mitteilung an den Vorstand der Lehrpersonenkonferenz der Volksschule (3), die Schulpflegen (223), das Schul- und Sportdepartement der Stadt Zürich, das Departement Schule und Sport Winterthur, die Verband Zürcherischer Schulpräsidentinnen und -präsidenten, das Rektorat der Pädagogischen Hochschule Zürich, das Rektorat der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH), den Zürcher Lehrerinnenund Lehrerverband zuhanden der Stufenorganisationen, die Verband der Schulleiterinnen und Schulleiter des Kt. Zürich, den Verein Sekundarlehrkräfte des Kantons Zürich, den Verband des Personals öffentlicher Dienste der Sektion Zürich (Lehrberufe), den Mittelschullehrerverband, die Schulleiterkonferenz der Mittelschulen, die Mittelschulen, den Verband Zürcher Privatschulen, die Vereinigung Zürcherischer Arbeitgeberorganisationen (VZA), den Kantonalen Gewerbeverband (KGV), die Vereinigung der Eltern- Organisationen im Kanton Zürich, die interkantonale Lehrmittelzentrale (ilz), die Mitglieder der kantonalen Lehrmittelkommission (10), das Generalsekretariat der EDK, die Regionalsekretariate der D-EDK (3), die Präsidenten der Sprachenkommissionen NWEDK und EDK-Ost, die Bildungsplanung Zentralschweiz, die Bildungsdirektion: das Generalsekretariat der Bildungsdirektion / Abteilung Bildungsplanung, das Volksschulamt, das Mittelschul- und Berufsbildungsamt, den Lehrmittelverlag und die Fachstelle für Schulbeurteilung (FSB).