Entlassung invaliditätshalber
§ 16 lit. e Personalgesetz (PG)
Grundsatz
Im Unterschied zum privaten Arbeitsrecht kennt das öffentliche Personalrecht des Kantons Zürich die Entlassung invaliditätshalber (§ 16 lit. e PG). Sind Mitarbeitende über längere Zeit arbeitsunfähig, ist eine vorsorgerechtliche vertrauensärztliche Untersuchung bei der BVK für die Klärung des Vorliegens einer allfälligen Invalidität zu veranlassen (vgl. § 55 PG). Sobald die Feststellung einer vollen oder teilweisen Invalidität durch die BVK vorliegt, ist das Arbeitsverhältnis je nach dem Grad der Invalidität ganz oder teilweise aufzulösen (§ 24 PG i.V.m. § 19 VVO)
Die vorsorgerechtlichen Leistungen richten sich nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung (§ 24 Abs. 3 PG; beim Kanton richten sich die Leistungen nach dem Vorsorgereglement der BVK). Bei einer Entlassung invaliditätshalber besteht kein Anspruch auf Abfindung (§ 26 Abs. 3 PG). Es sind keine Sperrfristen zu beachten.
Vorsorgerechtliche vertrauensärztliche Untersuchung
Wenn eine Dienstaussetzung wegen Krankheit oder Unfall längere Zeit dauert und der Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Arbeit ungewiss erscheint, ist von der Direktion, dem zuständigen obersten kantonalen Gericht oder der ermächtigten Amtsstelle eine vertrauensärztliche Untersuchung zu veranlassen (vgl. § 55 PG sowie § 146 VVO). Die Untersuchung ist in der Regel nach einer spätestens dreimonatigen Arbeitsunfähigkeit bei der BVK oder der zuständigen Vorsorgeeinrichtung zu beantragen. Um eine drohende Invalidisierung abzuwenden, ist bereits vorher zu prüfen, ob ein Case Management zur Unterstützung bei der Wiedereingliederung am Arbeitsplatz eingerichtet werden soll (§§ 39a und 39b PG). Die Mitarbeitenden sind im Rahmen des Zumutbaren verpflichtet, sowohl an einer vorsorgerechtlichen vertrauensärztlichen Untersuchung wie auch an einem Case Management mitzuwirken (§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 lit. a PG sowie § 39c Abs. 1 PG).
Invaliderklärung
Ergibt sich aus dem vertrauensärztlichen Bericht, dass die betroffene Person die volle Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit nicht wiedererlangt, stellt die BVK das Vorhandensein und den Grad der Berufsunfähigkeit fest. Ausgehend vom festgestellten Invaliditätsgrad spricht die BVK eine Berufsinvalidenrente aus. Für weitere Informationen siehe Vorsorgereglement der BVK.
Gestützt auf die Invaliderklärung der BVK ist das Arbeitsverhältnis in der Folge je nach Grad der Invalidität ganz oder teilweise aufzulösen (§ 24 Abs. 2 PG). Massgebend für eine Entlassung invaliditätshalber ist somit stets der Entscheid der BVK und nicht ein Entscheid der IV oder der Unfallversicherung.
Auflösung des Arbeitsverhältnisses
Wird von der BVK eine Berufsinvalidität festgestellt, kann das Arbeitsverhältnis in Form einer (Teil-)Entlassung invaliditätshalber beendet werden. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses erfolgt in der Regel auf das Ende des dritten der Invaliderklärung folgenden Monats. Falls der Invaliderklärung eine (zumindest teilweise) Dienstaussetzung von mehr als drei Monaten vorausgegangen ist, kann das Arbeitsverhältnis bereits auf das Ende des der Invaliderklärung folgenden Monats beendet werden (§ 19 Abs. 1 VVO). Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses infolge Invalidität ist der betroffenen Person mindestens einen vollen Monat im Voraus mitzuteilen und es ist ihr, wie bei allen belastenden Verfügungen, das rechtliche Gehör zu gewähren. Die ordentliche Lohnfortzahlung gemäss § 99 Abs. 2 und 3 VVO sowie § 108 Abs. 1 VVO ist dabei in der Regel einzuhalten. Bei Entlassungen invaliditätshalber sind keine Sperrfristen zu beachten.
Liegt eine Teilinvalidität vor, darf die oder der Mitarbeitende nur für das Pensum invaliditätshalber entlassen werden, welches dem vertrauensärztlich festgestelltem Invaliditätsgrad entspricht (vgl. § 24 Abs. 2 PG). Das Arbeitsverhältnis ist nach Möglichkeit zum reduzierten Beschäftigungsgrad weiterzuführen. Kann die betroffene Person aus betrieblichen Gründen an der ursprünglichen Stelle nicht im reduzierten Umfang weiterbeschäftigt werden, ist zu prüfen, ob eine Versetzung oder eine Neuanstellung im Rahmen des Stellenpools möglich ist. Sollte eine Weiterbeschäftigung nicht möglich sein und das Arbeitsverhältnis ganz beendet werden, muss für den Teil der Entlassung, der über den Invaliditätsgrad hinausgeht, ein sachlich zureichender Grund gemäss § 16 VVO vorliegen. In der Regel dürfte es sich um eine Kündigung wegen langandauernder Krankheit handeln (§ 16 Abs. 1 lit. c VVO). Sind die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, kann auch eine Entlassung altershalber geprüft werden (vgl. § 24b Abs. 1 PG).
Auszahlung eines Teils des Ferienguthabens
Im Falle einer Teilentlassung invaliditätshalber kann das Ferienguthaben im Umfang der Teilentlassung ausnahmsweise ausbezahlt werden (vgl. § 83 Abs. 1 lit. a VVO). Eine ausnahmsweise Ferienauszahlung bei Teilinvalidität macht in solchen Fällen Sinn, wo grosse Ferienguthaben bestehen, die aufgrund der geringen Arbeitsfähigkeit und den konkreten Umständen nicht mehr in absehbarer Zeit bezogen werden können. Vorausgesetzt ist, dass die oder der Mitarbeitende mit der Auszahlung einverstanden ist. Eine Auszahlung gegen den Willen der betroffenen Mitarbeitenden ist daher nicht möglich.
Weitere Ansprüche
Bei einer vollständigen Entlassung invaliditätshalber besteht kein Anspruch auf Abfindung (§ 26 Abs. 3 PG), jedoch allenfalls ein Anspruch auf das anteilsmässige Dienstaltersgeschenk (vgl. § 28 Abs. 3 und 4 PVO). Wird bei einer Teilinvalidität das restliche Arbeitsverhältnis auch aufgelöst oder die oder der Mitarbeitende versetzt, kann auf dem von der Invalidität nicht betroffenem Pensum eine Abfindung geschuldet sein, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind (§ 26 Abs. 1 PG). Eine Abfindung ist auch zu gewähren, wenn bei einer Teilinvalidität für das Restverhältnis anstelle einer Teilentlassung eine Versetzung mit Lohnreduktion erfolgt.
Invalidität ohne Rentenanspruch
Gemäss der Praxis des Personalamts ist eine (Teil-)Entlassung invaliditätshalber nur auszusprechen, wenn infolge der festgestellten Invalidität auch ein Anspruch auf Rente besteht. Wird von der Vorsorgeeinrichtung aufgrund einer verminderten Berufsinvalidität oder einer Vorbelastung keine Rente ausgesprochen, ist in einem solchen Fall stattdessen eine Kündigung wegen langandauernder Krankheit vorzunehmen. Die Praxis des Personalamts weicht hier von der Rechtsprechung ab (vgl. VB.2012.00463, wonach eine Entlassung invaliditätshalber nicht auf der Grundlage eines Rentenentscheids der Vorsorgeeinrichtung, sondern allein auf der Grundlage eines vertrauensärztlichen Gutachtens zu treffen sei).
Fallbeispiel:
Beträgt der Beschäftigungsgrad einer Mitarbeitenden 60 % und wird bei einer vertrauensärztlichen Untersuchung bezogen auf ein Vollpensum eine 60 %-ige Invalidität festgestellt, ist ihr Beschäftigungsgrad auf 40 % zu reduzieren. Da die Verminderung der Berufsfähigkeit weniger als 25 % beträgt, erhält sie keine Berufsinvalidenrente. Sie ist deshalb zu 20 % wegen langandauernder Krankheit zu entlassen.
Auch Mitarbeitende ohne Beitragspflicht, deren Einkommen die Höhe des minimalen Lohnes gemäss BVG nicht erreicht, können bei andauernder Arbeitsunfähigkeit nicht invaliditätshalber entlassen werden, sondern sind aufgrund von langandauernder Krankheit zu entlassen.
Anders gestaltet sich die Situation bei einem Berufsunfall oder bei einer Berufskrankheit: Eine (Teil-)Entlassung invaliditätshalber hat in diesen Fällen unabhängig vom Invaliditätsgrad zu erfolgen (vgl. § 108 Abs. 2 VVO), also auch bei einem Invaliditätsgrad von beispielsweise 20 % (siehe nachfolgend: «Besonderheiten bei Berufsunfall und -krankheit»).
Andauernde Arbeitsunfähigkeit ohne Rentenentscheid
Solange die Wiederaufnahme der Arbeit oder die Auflösung des Arbeitsverhältnisses wegen Invalidität noch ungewiss ist, bewilligt die Direktion in der Regel nach Ablauf der ordentlichen Lohnfortzahlung die Weiterausrichtung von höchstens 75 % des Lohnes (sogenannte ausserordentliche Lohnfortzahlung) bis zu einer gesamten Lohnfortzahlungsdauer von längstens zwei Jahren (vgl. § 99 Abs. 4 VVO). Normalerweise liegt die Erklärung der BVK innert dieser Frist von zwei Jahren vor, so dass die oder der Mitarbeitende gegebenenfalls noch während der ausserordentlichen Lohnfortzahlung invaliditätshalber entlassen wird.
Es kann aber vorkommen, dass die Erklärung der BVK bis zum Ablauf der ausserordentlichen Lohnfortzahlung noch nicht vorliegt. Eine Entlassung invaliditätshalber ist in diesem Fall (noch) nicht möglich. Der oder die Mitarbeitende ist trotz Ablauf der ausserordentlichen Lohnfortzahlung grundsätzlich im Arbeitsverhältnis zu belassen. Die Lohnfortzahlung ist indessen einzustellen (vgl. Verfügung Finanzielles; Ablauf ordentliche Lohnfortzahlung). Sobald die Invaliderklärung der BVK vorliegt, ist die bzw. der Mitarbeitende auf den dem Bericht folgenden Monat invaliditätshalber zu entlassen (vgl. § 19 Abs. 1 VVO). Die Invalidenrente wird in diesem Fall zwar rückwirkend vom Zeitpunkt der Beendigung der ausserordentlichen Lohnfortzahlung an ausgerichtet. Für die betroffenen Angestellten liegt in der Zeitspanne von der Beendigung der Lohnfortzahlung bis zum Vorliegen der Erklärung der BVK aber oft ein finanzieller Engpass vor. Zudem bedeutet das Zuwarten auf den Bericht der BVK für die betreffenden Mitarbeitenden eine belastende Unsicherheit.
Zur Überbrückung dieses finanziellen Engpasses besteht die Option, dem oder der Mitarbeitenden, welche die Voraussetzungen für eine Abfindung erfüllt (vgl. § 26 Abs. 1 PG), stattdessen wegen langandauernder Krankheit zu kündigen. Mit der Ausrichtung einer Abfindung kann eine soziale Härte vorübergehend aufgefangen werden. Ergibt sich danach aus der Erklärung der BVK, dass eine (Berufs-)Invalidität vorliegt und ein Anspruch auf eine Invalidenrente besteht, tritt die Rente an Stelle der Abfindung.
Für diesen Fall ist unbedingt ein Vorbehalt in der Austrittsverfügung infolge langandauernder Krankheit anzubringen, wonach bei nachträglicher Feststellung des Vorliegens einer Invalidität die Abfindung zurückgefordert wird. Liegt keine Invalidität vor, wird die Abfindung nicht zurückgefordert.
Bei Vorliegen der Invaliderklärung der BVK ist in diesem Fall die rechtskräftige Entlassungsverfügung in Wiedererwägung zu ziehen, die Abfindung zu widerrufen und zurückzufordern und rückwirkend auf Ablauf der ausserordentlichen Lohnfortzahlung eine Entlassung invaliditätshalber vorzunehmen. Das Wiedererwägungsverfahren ist unmittelbar nach Empfang des BVK-Berichts einzuleiten. Dabei ist der oder dem Mitarbeitenden vor Erlass der Wiedererwägungsverfügung das rechtliche Gehör zu gewähren.
Die Wiedererwägung könnte wie folgt begründet werden:
«Das Arbeitsverhältnis mit Z wurde mit Verfügung vom xx.xx.xxxx infolge langandauernder Krankheit auf den xx.xx.xxxx aufgelöst und es wurde eine Abfindung von x Monatslöhnen unter dem Vorbehalt der Rückforderung festgelegt. Zu diesem Zeitpunkt lag noch keine Invaliderklärung der BVK vor. Mit dem nach der rechtskräftigen Verfügung eingegangenen Bericht der BVK vom xx.xx.xxxx wird nun das Vorliegen einer Berufsinvalidität festgestellt. Es ist daher die Verfügung vom xx.xx.xxxx betreffend Entlassung infolge langandauernder Krankheit aufzuheben und durch eine Entlassung invalidätshalber zu ersetzen. Da bei einer solchen kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, ist diese von Z zurückzuzahlen.»
Exkurs: Früherfassung und Anmeldung bei der IV
Invalidisierungen sollen durch Erhalt des jeweiligen Arbeitsplatzes verhindert werden. Hierfür wurde das Instrument der Früherfassung geschaffen. Die Früherfassung ersetzt jedoch nicht die eigentliche Anmeldung bei der Invalidenversicherung. Arbeitgeber können sich bei der SVA kostenlos und unbürokratisch melden, wenn Mitarbeitende auffällig lange oder auffällig oft fehlen. Eine Anmeldung zur Früherfassung ist bereits nach 30 Tagen Arbeitsunfähigkeit möglich. Eingliederungsberatende nehmen in diesem Fall eine erste Einschätzung der Situation vor und schlagen gegebenenfalls Massnahmen wie Arbeitsplatzanpassungen, Begleitung durch einen Job Coach, Berufsberatung vor.
Kommen die Eingliederungsberatenden nach Prüfung des Falles zum Schluss, dass im Moment noch keine IV-Anmeldung oder Frühinterventionsmassnahme angezeigt ist, schliesst die SVA das Dossier und nimmt den Fall erst wieder auf, wenn zu einem späteren Zeitpunkt eine IV-Anmeldung durch den betroffenen Mitarbeiter bzw. die betroffene Mitarbeiterin selbst erfolgt. Der Arbeitgeberin oder dem Arbeitgeber wird dies von der SVA kurz mitgeteilt.
Die Früherfassung ersetzt keine IV-Anmeldung. Die Personalverantwortlichen müssen in jedem Fall sicherstellen, dass die bzw. der betroffene Mitarbeitende nach spätestens 6 Monaten Arbeitsunfähigkeit die IV-Anmeldung vornimmt. Ist ein Case Manager in den Fall involviert, wird er für die rechtzeitige Anmeldung besorgt sein.
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Die Rechtsauskunft steht HR-Fachpersonen und Führungskräften der kantonalen Verwaltung, der Gemeinden und der öffentlichrechtlichen Betriebe zur Verfügung.